zum Hauptinhalt
Szenen für die Serie „Babylon Berlin“ werden auf dem Alexanderplatz in Berlin-Mitte gedreht.

© Bild ohne Text

Filmstadt Berlin: Dreht euren Quatsch woanders!

Die Filmstadt Berlin boomt – das ist prima. Aber müssen deshalb ständig Straßen abgesperrt und Anwohner belästigt werden? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sebastian Leber

Diesen Dienstag haben sie mal wieder am Mehringdamm gedreht, einer Hauptverkehrsader Berlins. Auf dem Standstreifen reihten sich die Laster mit der Filmtechnik aneinander, in der Seitenstraße weitere Lkw und zig Anhänger: mobile Aufenthaltsräume für Crew und Schauspieler, das Catering, Toiletten, Kostüme und Maske. Gefühlt hatte jeder Kabelträger seinen eigenen Wagen.

Wofür das alles? Ein Mitarbeiter am Set sagt, sie hätten bloß ein paar Szenen im Innenraum einer Kneipe drehen wollen und sich dafür das beliebte „Melitta Sundström“ ausgesucht.

Ja, Filmstadt Berlin ist wichtig, für die Wirtschaft und fürs Stadtmarketing. Dazu braucht es selbstverständlich auch Außendrehs. Wenn Lola über die Oberbaumbrücke rennt oder Claire Danes am Kottbusser Tor ermittelt oder Kida Ramadan die Straßen von Neukölln unsicher macht, dann rechtfertigt das den Aufwand. Aber in gleich zwei Straßen Anwohner belästigen für den Dreh in einer austauschbaren Kneipe, die man jederzeit auf einem Studiogelände hätte nachbauen können?

Der nette Mitarbeiter am Set sagte, das sei eine Kostenfrage. Es sei schlicht „einfacher und günstiger“, wenn man mitten in der Stadt an einem bereits existierenden Ort drehe.

Mit „einfacher und günstiger“ meinte er natürlich: für die Produktionsfirma. Nicht für die Allgemeinheit. Die soll bitte Rücksicht nehmen, sich nicht so anstellen – und Achtung, jetzt bloß nicht durchs Bild laufen, hier wird gedreht! Der Film soll übrigens „Totgeschwiegen“ heißen und irgendwann im ZDF laufen.

Zunächst wurden Autos von Anwohnern abgeschleppt, die im Weg standen. Die Nachbarn waren erst wenige Tage vorher per Zettelaushang über den Dreh informiert worden. Wer gerade nicht in der Stadt war, hatte eben Pech. Auf ihren Zetteln bat die Firma schon vorab um Verständnis für die „zu erwartenden Unannehmlichkeiten wie parkende Produktionsfahrzeuge, eingerichtete Halteverbotszonen, temporäre Behinderungen des Verkehrs, helle Scheinwerfer oder zu temperamentvolle Filmschaffende“. Dass man eigentlich bloß einen Kneipenraum brauchte, stand dort nicht.

Mal bei der Firma nachfragen. Die zuständige Mitarbeiterin wundert sich: „Vom Filmemachen haben Sie wohl gar keine Ahnung, oder?“ Die Anwohner, deren Autos abgeschleppt wurden, hätten ja „ihre Augen aufmachen“ können. Und diejenigen, die sich über Drehs beschweren, seien doch sowieso dieselben, die hinterher vorm Fernseher säßen. Und überhaupt: Ein Elektriker müsse sein Auto ja auch auf der Straße vorm Haus abstellen.

Die Anträge für Drehgenehmigungen in Berlin haben sich in diesem Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Das ist einerseits schön. Andererseits könnte die Politik langsam ein wenig steuernd eingreifen. Zum Beispiel: auf Nutzen für die Stadt und Qualität achten. Und die Gebühren für Drehgenehmigungen so hochschrauben, dass Produktionsfirmen wenigstens kurz nachdenken, ob eine austauschbare Kneipenszene für einen ZDF-Film namens „Totgeschwiegen“ wirklich im Stadtzentrum gedreht werden muss.

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite