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Ein Gräberfeld in Halabja, auf dem durch Iraks Luftwaffe getötete Bewohner liegen.

© Hannes Heine

Forderung im Bundestag: Linke will Massaker an Iraks Kurden als Völkermord anerkennen lassen

Zum Jahrestag des irakischen Giftgas-Angriffs auf die kurdische Stadt Halabja will die Linke auch auf Mitschuld deutscher Firmen aufmerksam machen.

Wenige Wochen vor dem Jahrestag eines der mörderischsten Giftgas-Angriffe der Geschichte könnte sich der Bundestag mit einem Antrag dazu befassen. Am 16. März 1988 tötete Iraks Luftwaffe im von Kurden bewohnten Halabja circa 5000 Männer, Frauen und Kinder mit Giftgas. Verschiedenen Schätzungen zufolge starben in den Tagen nach dem Massaker weitere 5000 Kurden an den Folgen.

Das Regime des irakischen Herrschers Saddam Hussein hatte zuvor schon mehr als 100.000 Kurden töten lassen. In "Anfal" genannten Operationen wurden dabei auch Angehörige der christlichen Minderheit ermordet. Im Irak stellen muslimische Araber die Mehrheit, unter Saddam Hussein besetzten insbesondere Sunniten leitende Funktionen.

Die Linke-Fraktion im Bundestag fordert nun in einem Antrag die Regierung auf, die Verbrechen als Völkermord anzuerkennen. Der Bundestag möge zudem beschließen, in der Zusammenarbeit mit dem Irak stärker auf die Hinterbliebenen einzugehen.

Vermutlich wird der Antrag im März im Plenum diskutiert. Darin heißt es: "Gemäß den Direktiven des damaligen Leiters der Militäroperation, Ali Hasan al-Madschid, wurden alle Männer im wehrfähigen Alter von 15 bis 70 Jahren exekutiert sowie Massenfolterungen, Massaker und Deportationen unter unmenschlichen Bedingungen auch von Frauen und Kindern durchgeführt." In mindestens 42 Fällen sei der Einsatz von Giftgas dokumentiert.

Einer der irakischen Kampfjets, der die Angriffe flog, steht als Mahnmal in Halabja.
Einer der irakischen Kampfjets, der die Angriffe flog, steht als Mahnmal in Halabja.

© Hannes Heine

Über Irak hinaus wurde damals nur der Giftgasangriff von Halabja bekannt. Einige Historiker betrachten das Massaker als von den "Anfal"-Operationen getrenntes Kriegsverbrechen: Halabja liegt fast an der Grenze zum Iran. Während des Iran-Irak-Krieges fürchtete Bagdads Armeeführung, dass kurdische Rebellen gemeinsam mit iranischen Einheiten eine Offensive starten würden.

Die Linksfraktion schreibt weiter, dass der Bundestag "organisierte Vernichtung der kurdischen Bevölkerung und weiterer Minderheiten als Völkermord nach der UN-Konvention" einstufen möge. Und beantragt zudem, dass das Parlament "seine tiefe Scham" darüber ausdrücke, "dass das Chemiewaffen-Arsenal des irakischen Regimes auch mit Hilfe deutscher Firmen aufgebaut werden konnte. Nach Angaben von UN-Inspektoren stammte über die Hälfte der technischen Ausrüstung für das Chemiewaffen-Programm aus Deutschland."

Ali Hasan al-Madschid, als ranghoher Scherge des Saddam-Hussein-Regimes als "Chemie-Ali" bekannt, auf einem Bild von 2006.
Ali Hasan al-Madschid, als ranghoher Scherge des Saddam-Hussein-Regimes als "Chemie-Ali" bekannt, auf einem Bild von 2006.

© picture alliance / dpa

Am Landgericht Darmstadt war 1992 ein Prozess gegen zehn Deutsche eröffnet worden, deren Firmen sich am Aufbau irakischer Gas-Anlagen beteiligt hatten. Von den zehn Angeklagten wurden drei zu Bewährungsstrafen verurteilt. Im Prozess ging es um das sogenannte Dual-Use-Problem: Die deutsche Chemie hätte auch für die Produktion von Pestiziden genutzt werden können.

Nach Intervention der USA in den Neunzigern wurde über dem von Kurden bewohnten Nordirak eine Flugverbotszone verhängt. Nach dem Sturz des Regimes 2003 bauten die Kurden ihre Autonomieregion aus. Heute ist Irakisch-Kurdistan die sicherste Region des Landes, wenngleich durch Angriffe von Islamisten bedroht.

Der Giftgas-Angriff auf Halabja war einer der Anklagepunkte im Prozess gegen Saddam Hussein. Der Ex-Diktator wurde 2006 hingerichtet. Eine Kopie des Todesurteils wird in einer Gedenkstätte in Halabja aufbewahrt. Dort befindet sich auch ein Ausdruck des Urteil gegen den damaligen Befehlshaber. Der ebenfalls hingerichtete Ali Hasan al-Madschid wurde nach 1988 unter dem Namen "Chemie-Ali" bekannt.

Tausende Kurden kehrten nach 1988 nicht nach Halabja zurück. "Anfal" bedeutet gemäß der achten Koran-Sure "Beute". Im Linken-Antrag heißt es, dies verdeutliche den Vernichtungswillen gegen vermeintliche "Ungläubige". Die Massaker hätten so auch als "Blaupause" für den Völkermord an den kurdischen Jesiden durch den "Islamischen Staat" 2014 gedient. Wie die Fraktion schreibt, sei es kein Zufall, dass der IS-Führungszirkel aus entmachteten Männern des früheren Repressionsapparats des Regimes bestand.

Eine Unabhängigkeit des heute autonomen Kurdistans, wie sie die führenden Parteien PDK und PUK forderten, lehnen Iraks Zentralregierung sowie die Herrschen in den Nachbarstaaten ab. Die Türkei greift in Nordirak zudem regelmäßig mutmaßliche Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei PKK an. Und auch die Mullahs im Iran bekämpfen kurdische Autonomiebestrebungen im eigenen Land.

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