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Forschen im Wald. Das Helmholtz-Zentrums am Wannsee

© Lutz Hannemann

Streit im Abgeordnetenhaus: Forschungsreaktor Wannsee geht wieder in Betrieb

Eineinhalb Jahre wurde der Atomreaktor in Wannsee umgebaut. Jetzt soll dort wieder geforscht werden. Aber Kritiker befürchten, dass er nicht sicher ist. Die Grünen sprechen von einem Skandal.

Von Sandra Dassler

Wahrscheinlich und unwahrscheinlich sind relative Begriffe. So ist es nach Ansicht von Alf Jarosch ein unwahrscheinliches Ereignis, dass ein Flugzeug in den Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums am Wannsee stürzt. Das sagte der von der Piratenfraktion geladene Experte vom Antiatombündnis am Mittwoch im Berliner Abgeordnetenhaus. Allerdings hätten es japanische Experten für genauso unwahrscheinlich gehalten, dass ein Erdbeben der Stärke 9 Fukushima erschüttern und eine 14 Meter hohe Tsunami-Welle auslösen würde. Und da – so Jarosch – bei einem Flugzeugabsturz auf den Berliner Reaktor immerhin ein Zehntel der radioaktiven Last von Fukushima freigesetzt werden könnte, hält er dieses Risiko für zu groß.

Die vergangenen eineinhalb Jahre wurde der Forschungsreaktor umgebaut. Dass er nun wieder in Betrieb geht, kann und will der Senat nicht verhindern. Das war das Ergebnis der Mittwoch-Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses. „Ein Skandal“, kommentierte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Felicitas Kubala. Ihre Partei hatte beantragt, den Reaktor bis zur Abklärung der Risiken nicht in Betrieb zu nehmen. Abgestimmt wurde über den Antrag noch nicht, die Diskussion ließ viele Fragen offen.

Im Juni hatte das Parlament unter dem Eindruck von Fukushima eine Sonderprüfung für den Forschungsreaktor beschlossen. Die war erfolgt – allerdings, so die Kritiker, nur auf Grundlage der Genehmigungsunterlagen sowie von Unterlagen des die Anlage betreibenden Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB). Eine Prüfung des realen Zustands vor Ort fand nicht statt. Das sei auch nicht nötig gewesen, argumentierte die wissenschaftliche HZB-

Piraten monieren unzureichende Aufklärung der Bevölkerung

Geschäftsführerin Anke Kaysser-Pyzalla. Es seien alle zur Inbetriebnahme notwendigen Genehmigungen erteilt worden. Außerdem wies sie – wie auch ein Vertreter des Wissenschaftssenats – auf die große Bedeutung des HZB für den Wissenschaftsstandort Berlin hin: „Forscher aus der ganzen Welt brennen darauf, hier ihre Experimente durchzuführen“, sagte sie. Es gebe keinen Grund, den der Betrieb nicht wieder aufgenommen. Außerdem plane man nicht für die Ewigkeit, sondern etwa bis 2020/25. Verbindlich wollte sich dazu niemand beim HZB äußern – frühere Angaben, wonach der Betrieb „in 15 Jahren eingestellt“ werde, wurden nicht wiederholt.

Die Piraten monierten die ihrer Ansicht nach unzureichende Aufklärung der Bevölkerung. So seien in Potsdam und Berlin im Ernstfall zehntausende Menschen betroffen, sagte Philipp Magalski. Es reiche jedenfalls nicht aus, wenn im Katastrophenfall die Jodtabletten von Feuerwehr und Taxifahrern vor Hauseingängen in der Vier-Kilometer-Zone um den Reaktor abgelegt würden. Umwelt-Staatssekretär Christian Gaebler hat hingegen keine Zweifel. „Aus unserer Sicht hat es eine ergebnisoffene Prüfung gegeben“, sagte er: „Es besteht keine Möglichkeit, den Betrieb zu untersagen. Wann der Reaktor wieder angefahren wird, entscheidet allein der Betreiber.“

Der wird aber zu zehn Prozent vom Land und zu 90 Prozent vom Bund finanziert, sagt Felicitas Kubala: „Da könnte man doch wenigstens die neuen Richtlinien für Forschungsreaktoren abwarten, die gerade von der Reaktorsicherheitskommission erarbeitet werden.“ Außerdem hält die Grünen-Abgeordnete die ab heute in Kraft tretende Erweiterung des so genannten Flugbeschränkungsgebietes über dem Reaktor für nicht ausreichend. „Wir fordern ein striktes Überflugverbot“, sagte sie.

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