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Reichlich Gesprächsstoff. Olaf Scholz und Jutta Allmendinger im Crackers beim Netzwerk Frauen100.

© Franziska Krug

„Frauen100“ mit Scholz und Habeck : Friedrich Merz fehlt beim Jahresauftakt des Frauennetzwerks

Unternehmerin Verena Pausder befragt Olaf Scholz und Robert Habeck zu Themen auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft.

Stand:

Dass von drei geladenen Kanzlerkandidaten nur zwei erscheinen beim Jahresauftakt des Netzwerks Frauen100, hat nichts mit den aktuellen politischen Turbulenzen zu tun.

Dass Friedrich Merz wiederholt gefragt worden sei und mit Verweis auf andere Termine abgesagt hat, bestätigt Unternehmerin Verena Pausder vor ihren Interviews mit Robert Habeck und Olaf Scholz auf dem Balkon im Club-Restaurant Crackers. Der Balkon verführt Robert Habeck sofort zu der Assoziation „Romeo und Julia“.

Trotzdem glauben etliche Anwesende, dass nicht er – der im Gegensatz zu Friedrich Merz, fast ein Selbstläufer ist, wenn es um die Eroberung von Wählerinnen-Herzen geht – am Ende den meisten Applaus bekommt. Jutta Allmendinger ist überrascht, wie spritzig der Kanzler live rüberkommt im Kontrast zu manchen TV-Auftritten.

Zuhören wäre eine Möglichkeit.

Olaf Scholz

Lakonisch muss nicht immer eine Schwäche sein. Auf die Frage, was Männer von Frauen lernen können, antwortet Scholz knapp: „Zuhören wäre eine Möglichkeit.“ Stimmt. An diesem Abend sind deutlich mehr Männer als sonst anwesend, und die sind leider nicht alle sonderlich diszipliniert, wenn es darum geht, dem Geschehen auf der Bühne volle Aufmerksamkeit zu widmen.

Verena Pausder, nach einem Skiunfall leicht lädiert, bittet den Kanzler vorsichtshalber, ihr nicht auf die Schulter zu hauen. Sie schafft es tatsächlich, konsequent bei den Frauenthemen zu bleiben, um die es hier gehen soll, obwohl man einer Top-Unternehmerin wie ihr die eine oder andere kritische Sachfrage an den Wirtschaftsminister mühelos zutrauen würde.

Vom „Gedöns“ zum Gewicht

Es geht aber darum, dem einstigen „Gedöns“ Schritt für Schritt mehr Gewicht zu verleihen. Also stehen verschiedene Aspekte der schlechteren Einkommenssituation von Frauen im Mittelpunkt. Es geht um Care-Arbeit, um strukturelle Nachteile, gerade auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, wo Frauen viel mehr Möglichkeiten der Kinderbetreuung in Anspruch nehmen können.

Als Vater von vier erwachsenen Söhnen gibt Habeck zu bedenken, dass das nicht nur politische, sondern auch kulturelle Gründe hat, weil gerade im ländlichen Umfeld der Begriff „Rabeneltern“ früher schnell zur Hand gewesen sei. Seinen Kindern habe es jedenfalls nicht geschadet, dass sie in die Kita gegangen seien, statt dauernd mit ihm rumzuhängen, sagt er.

300
Gäste, darunter auch viele Männer, diskutierten im Crackers.

Und entscheidet sich, nach Prioritäten befragt, dann auch für die frühkindliche Bildung. Schockiert habe es ihn allerdings, dass ausgerechnet in der Gründerszene, wo überdurchschnittlich progressive Leute unterwegs sind, Frauen noch deutlich in der Minderzahl sind. Noch so ein künftiger Verbesserungsschwerpunkt.

Netzwerk-Gründerinnen mit Vizekanzler. Janina Hell, Robert Habeck und Felicitas Karrer im Crackers.

© Franziska Krug

Olaf Scholz gibt sich schockiert darüber, wie lange die Einführung des Ganztagsunterrichts in den Grundschulen dauert: „Sollte längst Realität sein.“ Ihn treibt aber auch der Gender-Pay-Gap um, der immer wieder zur Sprache kommt, die Tatsache, dass in Berufen, die viel von Frauen gewählt werden, vergleichsweise schlecht bezahlt wird.

Viel zu viele Frauen in Teilzeit

Ein Gesetz, nach dem in Parlamenten ebenso viele Frauen wie Männer sitzen müssen, kommt ebenso zur Sprache wie die in Deutschland zu geringe Vollzeit-Erwerbstätigkeit von Frauen.

Im Gespräch der Moderatorin Anja Reschke mit Regisseurin Karoline Herfurth geht es um deren neuen Film „Wunderschöner“ und darum, ob Frauen wirklich frei sind. Natalia Wörner spricht über die Dringlichkeit zur Umsetzung des Gewalthilfegesetzes.

400.000
fehlende Kitaplätze kommen zur Sprache.

Und Jutta Allmendinger referiert die Forderungen der überparteilichen Wirtschaftsarbeitsgruppe des Netzwerks. Das zu beobachtende Revival überkommener Frauenbilder trifft auf Besorgnis. Über 400.000 fehlende Kitaplätze und die unzureichende Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten müsse auch gesprochen werden.

Powerfrauen und medienmächtige Männer

An einer Stelle wird die von Friedrich Merz verursachte „gesellschaftliche Katastrophe“ erwähnt, aber nicht groß diskutiert. Dass Kanzlerkandidaten bei der Wahl ihrer Termine auch Beratern folgen, ist klar. In diesem Fall könnte sich der CDU-Kandidat auch deshalb schlecht beraten fühlen, weil er auf kleinstem Raum nicht nur erfolgreiche Powerfrauen hätte treffen können.

Es schauen diesmal auch jede Menge medienmächtige Männer vorbei, darunter Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der Burda-Vorstandsvorsitzende Philipp Welte, RTL-Hauptstadtbüro-Chef Nikolaus Blome, Politico-Chefredakteur Gordon Repinski und Podcaster Sascha Lobo.

Auch Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre ist Gast des Netzwerks der schönen Feministinnen, die Champagner trinken und keine Scheu haben, souverän verdientes Geld in schicke Designer-Kleider zu stecken.

Ganz unabhängig vom Aktuellen bietet der Abend mit dem Ziel, gemeinsam den Wandel zu einer gleichberechtigten Gesellschaft beizutragen, überreichlichen Gesprächsstoff, zum Beispiel für Lisa Paus, Hubertus Heil, Dunja Hayali, Julia Jäkel, Florence Kasumba, Julia Klöckner und Ricarda Lang.

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