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Das Artikelgesetz zur Lehrkräfteverbeamtung soll wegen der Wiederholungswahl rasch beschlossen werden.

© Imago/Dirk Sattler

Freie Schulen und angestellte Lehrkräfte protestieren: Die Verlierer der Lehrer-Verbeamtung in Berlin warten auf Antworten

Bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus wurden die Schwächen und Lücken des Gesetzeswerks zur Lehrer-Verbeamtung deutlich. Jetzt muss die Koalition nacharbeiten.

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Mit einer Demonstration vor dem Abgeordnetenhaus wurden die Schulpolitiker der Fraktionen am Donnerstag bereits auf das eingestimmt, was drinnen im Bildungsausschuss auf sie wartete: Es müssen etliche offene Fragen rund um die Rückkehr zur Verbeamtung der Berliner Lehrkräfte beantwortet werden. Um der Lösung näher zu kommen, hatten die Fraktionen Sachverständige eingeladen.

Nach der Anhörung war klar: Der gerade erst vorgelegte Gesetzentwurf der Bildungsverwaltung muss noch erheblich nachgebessert und ergänzt werden. Dies betrifft nicht zuletzt den Nachteilsausgleich für Lehrkräfte, die nicht verbeamtet werden können oder wollen: Diese Gruppe ist es, die - unterstützt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) - vor dem Abgeordnetenhaus demonstrierte.

Denn die GEW geht davon aus, dass diese Lehrkräfte bis zu 900 Euro im Monat an Zulagen bekommen könnten, wenn man den Tarifvertrag voll ausschöpfen würde. Dies führte auch GEW-Tarifexperte Udo Mertens bei der Anhörung aus, weshalb die Vertreter der Koalitionsfraktionen vom Senat wissen wollten, warum das angeblich nicht möglich sei.

900
Euro pro Monat fordert die GEW als Nachteilsausgleich.

Das beantwortete Finanzstaatssekretärin Jana Borkamp (Grüne) für den Senat. Demnach interpretiert die Finanzverwaltung den von der GEW zitierten Paragraphen so, dass nur in Einzelfällen und keineswegs pauschal derartige Zuschläge gezahlt werden könnten. Dafür sei es notwendig, dass die oder der betreffende Beschäftigte nachweise, dass ein konkretes Abwerbeangebot vorliege.

Diese Sichtweise war schon vorher bekannt geworden und wird dem Vernehmen nach auch in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) so geteilt. Demnach hat Berlin keine Wahl.

Der Tarifvertrag wird unterschiedlich ausgelegt

Die Bildungspolitiker der Fraktionen, Marcel Hopp (SPD), Louis Krüger (Grüne) und Franziska Brychcy (Linke) hatten deshalb schon im Vorfeld geäußert, dass sie sich wohl am so genannten sächsischen Modell orientieren werden: In Sachsen werden - ebenfalls als Folge der rückwirkenden Verbeamtung - rund 200 Euro pro Monat gezahlt, um die Angestellten wenigstens etwas für die entgangene Verbeamtung zu entschädigen. Eine Festlegung in der Koalition muss rasch passieren, weil das Artikelgesetz noch vor der Wiederholungswahl im Februar beschlossen werden soll.

Die zweite offene Frage betrifft die Pensionslasten, die auf Berlin zukommen, wenn die große Gruppe der Lehrkräfte - langfristig etwa 30.000 - verbeamtet sein wird. Die Koalition möchte, „um künftige Generationen zu entlasten“, Gelder zurückstellen, etwa in einem Pensionsfonds.

Davon riet der zu diesem Komplex geladenen Fachmann Sönke Harm Pörksen ab. Er konnte aus den Erfahrungen und Berechnungen in Brandenburg zitieren, wo er bei der großen Verbeamtungswelle der Lehrkräfte in der Verwaltung mitgewirkt hatte. Es sei besser, dieses Geld für die Schuldentilgung zu nutzen, als ein milliardenschweres Sondervermögen aufzuhäufen, für das hohe Zinsen gezahlt werden müssten. Das Land sei gar nicht in der Lage, mit einem Pensionsfonds den nötigen Ertrag auf dem Kapitalmarkt zu erzielen. Brandenburg habe aus eben diesem Grund davon abgesehen.

Wir warten jetzt ab, was uns als Kompensation angeboten wird.

Andreas Wegener, AG der Freien Schulen

Die dritte offene Frage wurde durch Frank Olie von der Evangelischen Schulstiftung stellvertretend für die Arbeitsgemeinschaft der Freien Schulen (AGFS) angesprochen: Wie sollen die freien Schulen ihre 40.000 Schüler:innen beschulen, wenn sie keine Verbeamtung bieten können, sondern das Land ihnen die Lehrkräfte sogar gezielt abwirbt? Er beklagte eine absehbare „Wettbewerbsverzerrung“ - nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer Unterfinanzierung.

„Wir warten jetzt ab, was uns als Kompensation angeboten wird,“ sagte AGFS-Sprecher Andreas Wegener im Anschluss. Antworten auf die drei großen und weitere kleine Fragen zeichnen sich noch nicht ab. Es eilt, weil das Gesetz noch vor der Wiederholungswahl beschlossen werden soll. 

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