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Junge Polizeibeamte bei der feierlichen Vereidigung der Berufsanfänger des mittleren und gehobenen Dienstes bei der Berliner Polizei.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Vorfälle bei der Berliner Polizei: Deshalb werden Verfahren zu rechten Straftaten so oft eingestellt

Seit August 2019 werden mögliche rechte und rassistische Straftaten von Berliner Polizisten systematisch erfasst. Nun liegt eine erste Auswertung vor.

Rassistische Beleidigung, Sprüche der Hitler-Jugend und Witze über Gas: Seit Beginn der strukturierten Erfassung möglicher rechtsextremer Straftaten von Polizisten im August 2019 sind bei der Polizei Berlin 20 Verfahren eingeleitet worden – doch neun davon wurden bereits wieder eingestellt. Das geht aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage der Linken-Fraktionschefin Anne Helm und des Innenexperten Niklas Schrader hervor.

In sieben Verfahren wird gegen Berliner Polizisten noch wegen mutmaßlicher rechter Umtriebe ermittelt. Zwei weitere Verfahren werden von Staatsanwaltschaften in Hessen und Brandenburg gegen Berliner Beamte wegen rechter Umtriebe geführt. In einem weiteren Fall ist gegen einen Polizisten per Strafbefehl eine Geldstrafe wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verhängt worden.

Er hatte Anfang 2020 in einer Chatgruppe eine Parole der Hitler-Jugend gepostet. Einem anderen Beamten steht der Prozess im Jahr 2021 bevor. Er soll sich gegenüber einem Bürger, der Anzeige erstatten wollte, fremdenfeindlich geäußert haben.

Bei zwei abgeschlossenen Ermittlungsverfahren liegen die Fälle noch bei den Gerichten. Bei einem hat sich ein Polizeistudent im Unterricht homo- und transfeindlich geäußert. Ein Polizeistudent ist wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden, zwei weitere Polizeistudenten sind freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt.

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Ein Polizeischüler ließ Gas ausströmen und kommentierte dies antisemitisch

In einem anderen Fall von Volksverhetzung geht ein Polizeibeamter gegen eine per Strafbefehlt verhängte Geldstrafe vor. Er hatte in einer Chatgruppe fremdenfeindlichen Kommentare abgelassen.

Insgesamt ist die Zahl rechter Vorfälle, die in der Zeit von August 2019 bis Oktober 2020 in der Berliner Polizei erfasst worden sind, noch höher. Nimmt man die Zahl der Disziplinarverfahren hinzu, so sind von der Polizei in diesem Zeitraum insgesamt 25 Fälle registriert worden.

Bei den Disziplinarverfahren geht es etwa neben den Vorwürfen in den Strafverfahren um den Verdacht der „Anscheinserweckung rechter Gesinnung“, diskriminierende Äußerungen, Bezüge zu den Reichsbürgern und Verletzung der „Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten“.

Aufschlussreich ist, in welchen Fällen die Strafverfahren eingestellt worden sind – und warum. Nicht selten war geradezu offensichtlich, dass keine Strafbarkeit vorliegt. Unabhängig davon kann die Polizei aber auch disziplinarrechtlich gegen Beamte vorgehen - auch mit dem Ziel, die Polizisten aus dem Dienst zu entfernen.

Auch ein Leugner des Holocaust blieb straffrei

Ein Beamter hatte im Januar in seinem Bericht über das Opfer einer Straftat geschrieben, dieser sei ein „negroider Subsaharaafrikaner“. Es wurde geprüft, ob es sich um eine Beleidigung gehandelt hat, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein und entschied: „keine Straftat“.

Zu einer ähnlichen Entscheidung kam es bei einer Beleidigung gegen einen Polizeischüler. Die Innenverwaltung erklärte: Ein Polizeischüler ließ unter der Nase eines Mitschülers Gas aus einem Feuerzeug ausströmen und kommentierte diesen Vorgang fremdenfeindlich und antisemitisch.“ Die Staatsanwaltschaft entschied: „kein hinreichender Tatverdacht“.

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Eine Einstellung gab es auch in diesem Fall: „Ein Polizeischüler beleidigte in der Herrenumkleide einen Mitschüler fremdenfeindlich.“ Der Verdacht der Beleidigung bestätigt sich nicht, die Staatsanwaltschaft entschied: „Kein hinreichender Hinweis, dass die Äußerungen in Richtung des Geschädigten getätigt wurden.“

„Keine Straftat“, hieß es auch in einem Verfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach einem Vorfall im Mai. Ein Polizeibediensteter hatte an seinem Schließschrank Sprüche aufgehängt, darunter „Klagt nicht kämpft“, ein Spruch aus der Wehrmacht, aber auch „Lernen durch Schmerz“ und „Motivation durch Entsetzen“.

Opfer werden nicht immer sachgerecht informiert

Auch ein islamfeindliches Bild in einer Chatgruppe wurde nicht als Straftat gewertet, das Verfahren wegen Volksverhetzung wurde eingestellt – keine Straftat. Dann dieser Fall vom Juni 2020: „Ein Polizeibediensteter tätigte gegenüber einem Kollegen Aussagen, mit welchen er den Holocaust leugnete.“ Es ging um Volksverhetzung. Doch derlei Taten müssen öffentlich verübt werden, sonst sind sie nicht strafbar.

Bemerkenswert ist auch dieser Fall vom Sommer 2020: „Ein Polizeibediensteter äußerte sich in einem Café gegenüber einem anderen Gast fremdenfeindlich.“ Ermittelt wurde zunächst wegen Beleidigung. Doch dabei handelt es sich um ein sogenanntes absolutes Antragsdelikt.

Die Strafanzeige reicht nicht aus, der Beleidigte muss auch einen Strafantrag stellen. Der Erfahrung nach kommt es immer wieder dazu, dass Opfer von der Polizei nicht auf die Notwendigkeit von Strafanträgen hingewiesen werden, etwa bei illegalen Abfragen im Datensystem Poliks.

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