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Beschäftigte in Supermärkten sind dauerhaft einem Ansteckungsrisiko ausgesetzt.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Exklusiv

Für Jobs mit Kundenkontakt: Berliner Senatorin fordert, dass Covid-19 als Berufskrankheit anerkannt wird

Coronavirus-Infektion als Arbeitsunfall? Dann müssten Berufsgenossenschaften die Reha-Maßnahmen zahlen. Elke Breitenbach appelliert an die Bundesregierung.

Berlins Arbeitssenatorin setzt sich nach Tagesspiegel-Informationen bei der Bundesregierung dafür ein, Covid-19 in zahlreichen Branchen als Berufskrankheit anzuerkennen. Für die Folgen eines schweren Verlaufs einer Infektion mit dem Coronavirus wären somit nicht nur Krankenkassen, sondern auch Berufsgenossenschaften zuständig.

Dies hätte zur Folge, dass die gesetzlichen Unfallversicherungen für Reha-Maßnahmen und Renten aufkämen. Elke Breitenbach (Linke) schrieb dazu vor einigen Tagen an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an. „Es ist zu erwarten, dass etliche Beschäftigte/Versicherte – nicht nur im Gesundheitsdient, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium – am Arbeitsplatz mit Sars-Covid-19 infiziert werde“, heißt es in dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Infektionsgefahr unabhängig von der Branche

Die aktuelle Berufskrankheiten-Verordnung regelt, dass Infektionen nur als arbeitsbedingte Leiden anerkannt werden, wenn der Beschäftigte im Gesundheitswesen „oder durch andere Tätigkeiten der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.“ 

Für Beschäftigte aus Kitas, Supermärkten, Lieferdiensten bedeutet dies, dass sie nachweisen müssten, ob sie sich am Arbeitsplatz infizierten. Senatorin Breitenbach schreibt, dass den Erkrankten nicht zuzumuten sei, herauszufinden, wie sie sich im Job angesteckt haben.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Siean dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Vielmehr „ist unabhängig von der Branche regelhaft davon auszugehen, dass sich die Beschäftigten am Arbeitsplatz infiziert haben“, wenn Erwerbstätige berufsbedingt dauerhaft auf Menschen treffen. Die Liste anerkannter Berufskrankheiten solle deshalb um Covid-19 ergänzt werden. Ein Sprecher der Senatorin bestätigte den Vorgang, ein Antwortschreiben des Bundesministers sei bis zum Wochenende nicht eingetroffen.

Berlins Arbeits- und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) eröffnete kürzlich eine Quarantäne-Station für Obdachlose.
Berlins Arbeits- und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) eröffnete kürzlich eine Quarantäne-Station für Obdachlose.

© Britta Pedersen/dpa

Ein beim Bund angesiedelter Sachverständigenrat entscheidet über die Anerkennung neuer Berufskrankheiten. In der Liste sind Leiden aufgenommen, denen Arbeitnehmer in deutlich höherem Grad ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung – beispielsweise durch Asbestfaserstaub verursachter Lungenkrebs bei Bauarbeitern.

Gewerkschaften plädieren für Arbeitstagebuch

Die Berufsgenossenschaften sind Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, sie werden von den Unternehmen finanziert. Während die Krankenkassen ärztliche Behandlungen bezahlen, also auch Klinikaufenthalte wegen Covid-19, sind Berufsgenossenschaften grob vereinfacht für die Zeit danach zuständig.

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Beschäftigte, die einen Arbeitsunfall erlitten haben oder an einer Berufskrankheit leiden, werden durch die Genossenschaften beruflich und sozial betreut. Stellen Ärzte nach einem Arbeitsunfall eine um mindestens 20 Prozent verminderte Erwerbsfähigkeit fest, zahlen die Berufsgenossenschaften auch Erwerbsminderungsrente.

Jedes Jahr zeigen dem Dachverband der Berufsgenossenschaften zufolge 75.000 Menschen eine berufsbedingte Erkrankung an. Circa ein Viertel davon wird anerkannt und entschädigt. Um nachzuweisen, dass eine Infektion mit dem Coronavirus am Arbeitsplatz erfolgte, empfehlen Gewerkschaften seit Wochen, ein Einsatz-Tagebuch zu führen. Dort sollten Zeit, Ort und Umstände berufsbedingter Kontakte mit potenziell Infizierten vermerkt sein.

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