
© dpa
Vor dem Start am Sonntag: Generalprobe im Berliner Impfzentrum - 300 Soldaten testen die Abläufe
Generalproben haben es in sich. In der Arena Treptow sind 300 Soldaten in Schauspiel-Rollen geschlüpft. Sie haben geprobt, ob im Impfzentrum eine Massenimpfung gegen Corona möglich ist.
Stand:
Vanessa Lempe ist Soldatin bei der Bundeswehr, 108 Jahre alt und läuft am Rollator. Halt - nicht ganz. Im wahren Leben ist Vanessa Lempe gerade mal 20. Für ein paar Stunden ist sie am Mittwoch in die Rolle einer betagten Berlinerin geschlüpft.
Gemeinsam mit rund 300 Kameradinnen und Kameraden testet sie die Abläufe im künftigen Impfzentrum in der Arena in Treptow. Als spielend leicht empfindet die junge Soldatin ihre Rolle nicht. Wie mag sich eine 108-Jährige fühlen, die sich gegen Corona impfen lassen möchte? „Selbst meine Großeltern sind noch viel jünger“, sagt sie.
Auf der Empore beobachtet Detlef Cwojdzinski das „geordnete Gewusel“, wie er es nennt. Er ist Projektsteuerer für das Deutsche Rote Kreuz, eine der fünf Hilfsorganisationen, die seit Mittwoch für die Abläufe in den sechs Berliner Impfzentren zuständig sind.
Cwojdzinski war früher Krisenmanager bei der Senatsverwaltung für Gesundheit. Nun, im Ruhestand, koordiniert er in der Pandemie eine Impfaktion mit, die es in diesem Ausmaß noch nicht gegeben hat: Rund 5000 Menschen sollen allein in der Arena in Treptow in Zukunft am Tag immunisiert werden - wenn genug Impfstoff für diese Größenordnung zur Verfügung steht. Am Anfang wird es viel weniger sein. Das hat auch ein Gutes. Routinen können sich einspielen.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Cwojdzinski - weißes Haar, weißer Bart, weiße Maske - wirkt, als würde er nichts lieber organisieren als eine Massenimpfung. Doch klappt ein Durchlauf in den kalkulierten 70 Minuten pro Person, möglichst ohne Warteschlangen? In einem Impfzentrum, das Messebauer aus leichten Metallwänden in die leere Arena-Halle gezaubert haben? Und das nun sogar noch mehr als eine Woche früher als angedacht starten soll?

© dpa
Von einer Empore blickt Cwojdzinski auf den Empfangsbereich mit Fiebermess-Station, Maskenausgabe und Desinfektions-Flaschen. Die Darsteller der Bundeswehr spielen die Anmelde-Prozedur in mehr als 80 Kabinen durch, dazu das Weiterleiten der Besucher in Video-Räume für eine erste Impfinformation, danach den Gang zu den Impfkabinen. Technik hilft dabei. Die Anmeldung läuft via QR-Code, grüne und rote Balken zeigen die aktuelle Belegung der Kabinen an.
Schon ab Sonntag soll hier ein Pharmazeut die Spritze mit dem ersten zugelassenen Impfstoff aufziehen, zuerst für Pflegepersonal in Heimen. Ein Arzt wird zuvor aufklären und dann in den Oberarmmuskel piksen. Ein Dokumentar erfasst das alles. Danach geht es weiter in den Ruhebereich, um mögliche Impfreaktionen abzuwarten.
Burkhard Ruppert, Vize-Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), schaut sich den Testlauf mit an. Schon in Pflegeheimen hat er bei der Impfaktion, die am Sonntag mit mobilen Teams starten soll, mit Blick auf die Psyche betagter Menschen leicht gemischte Gefühle.

© dpa
„Das muss eine beängstigende Situation sein, wenn da ein fremder Trupp maskierter und bekittelter Ärzte hereinkommt“, sagt er. Er hätte es hilfreicher gefunden, wenn wenigstens die im Heim bekannten Mediziner zur Beruhigung mit dabei wären. Das sei aber bisher leider nicht vorgesehen, sagt er.
Wie das nun alles in einer Halle ablaufen soll, mit hochbetagten Menschen? Ruppert schaut in die Impfkabinen, die vorne einen weißen Vorhang haben und nach hinten offen sind. Ob da noch Sichtschutz hinkomme, fragt er. Alte Menschen, die hier schon ab Januar geimpft werden sollen, hätten andere Schamgrenzen als Jüngere.
Für die Impfung selbst hält Ruppert allein Menschen, die zu schweren allergischen Reaktionen oder oder zu Allergien gegen die Impfstoff-Bestandteile neigen, für nicht geeignet. Ihm ist es wichtig, dass solche Fragen vorher genau geklärt werden. „Das soll hier nicht huschi-huschi gehen“, betont er.

© dpa
Mit welch heißer Nadel in den Zentren gestrickt werden muss, zeigt sich im Video-Bereich. Dort läuft am Mittwoch Bugs Bunny, weil der Film zur Impfaufklärung noch nicht fertig ist. Soldatin Vanessa Lemke fragt sich, ob sie mit 108 Jahren auf dem Monitor überhaupt noch etwas sehen würde. Sie weiß es nicht.
Die Darsteller der Bundeswehr sind einfallsreich in ihren Rollen. Ein Senior im Rollstuhl hat seinen Personalausweis vergessen. Was nun? Ein Blinder kommt allein nicht weiter, ein Ungeduldiger nölt herum. Das Erste Hilfe-Team eilt nach einem simulierten Schwächeanfall herbei.
Eine laute Hupe kündet am Mittwoch vom Ende des ersten Durchgangs. Nach zwei weiteren Testläufen ist Detlef Cwojdzinski beruhigt. Das geplante Konzept ist bislang aufgegangen. Dahinter steht eine große Teamleistung unter Zeitdruck, auch viel ehrenamtliche Arbeit.
Helfer für alle Impfzentren werden weiter gesucht und können sich über die Internetadresse wirhelfenberlin.de melden. Diese Arbeit werde bezahlt, betont Cwojdzinski. Die Hilfsbereitschaft der Berliner sei groß. „Ich habe das Gefühl, es läuft.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: