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Auch diese Ansicht des Renaissance-Schlosses ist in der Sammlung zu sehen.

© Stadtmuseum Berlin, Sammlung Ernst

Grafiken aus drei Jahrhunderten: Das Märkische Museum zeigt jetzt alte Berliner Stadtansichten

3000 Blätter, die aus der Zeit von 1570 bis 1870 stammen: Im Stadtmuseum sind jetzt druckgrafische Ansichten Berlins aus einer neuen Sammlung zu sehen.

Der 16. Oktober 1757 kam Berlin teuer zu stehen. Der Verlauf des Siebenjährigen Krieges sah für Preußen gar nicht gut aus, und nun hatte auch noch Maria Theresias Feldherr Andreas Graf Hadik von Futak mit einer recht überschaubaren Armee Berlin im blutigen Handstreich erobert. Friedrich II. weilte fernab bei seinen Truppen, die Königin hatte sich samt Staatsschatz hastig auf der Zitadelle Spandau in Sicherheit gebracht, die Stadt aber musste blechen: 225.000 Taler ließ sich der schneidige, alsbald mit dem Maria-Theresien-Orden belohnte Graf von der Stadt zahlen, damit er sie noch in der nächsten Nacht wieder verließ.

Fast auf den Tag genau 265 Jahre ist das her, und wer will, kann sich das Kriegsgetümmel jetzt im Märkischen Museum ansehen, dargestellt auf einer Grafik des Augsburger Kupferstechers Johann Martin Will (1727-1806). Eine halbwegs zeitgenössische Darstellung also, allerdings aus der Ferne und mit offenbar viel Fantasie gesehen: Eine Bergkette als Hintergrund? Nun ja.

Der Kupferstich gehört zu der Sammlung druckgrafischer Ansichten Berlins, die der 2016 gestorbene Sammler Gernot Ernst und seine Frau Ute Laur-Ernst seit den siebziger Jahren zusammengetragen hatten. Das Stadtmuseum Berlin konnte sie jetzt dank Mitteln der Lottostiftung erwerben, teilweise als Schenkung: Der Kaufpreis lag weit unter dem per Gutachten ermittelten Marktwert. Es handelt sich um rund 3000 Blätter, die überwiegend aus der Zeit von 1570 bis 1870 stammen. Mehr als die Hälfte seien nicht in sonstigen Sammlungen der Berliner Museen und Archive vorhanden, heißt es aus dem Stadtmuseum.

Auch diese Ansicht der St.-Matthäus-Kirche ist zu sehen.
Auch diese Ansicht der St.-Matthäus-Kirche ist zu sehen.

© Stadtmuseum Berlin, Sammlung Ernst

Neben klassischen Stadtansichten finden sich Stadtpläne, Chroniken, Bilderbogen, Guckkastenblätter, dazu viel Gebrauchsgrafik – und eben auch Darstellungen historisch bedeutsamer Ereignisse der Stadtgeschichte wie der als „Berliner Husarenstreich“ bekannt gewordene Einfall der österreichischen Truppen in die preußische Residenz. Dem sollte übrigens 1760 eine viertägige russische Besetzung folgen.

Der martialische Kupferstich ist Teil einer kleinen Ausstellung im Märkischen Museum, die einen Einblick in den erworbenen Schatz geben soll – „das frühe, vor-fotografische Bildgedächtnis der Stadt Berlin“, wie es im Lotto-Antrag hieß.

Die 15 Arbeiten bieten einen guten Querschnitt aus der vielfältigen Sammlung. Da gibt es Darstellungen der „Sternstunden“ der Berliner Geschichte, den „Husarenstreich“ eben oder eine Szene aus den März-Kämpfen 1848, den Einzug des siegreichen Heeres am 16. Juni 1871 durchs Brandenburger Tor oder auch die dramatische Szene „Brand auf dem Mühlendamm“ in der Nacht zum 3. April 1838.

Eine Abbildung des ersten Berliner Stadtplans, von Johann Gregor Memhardt gezeichnet und 1652 veröffentlicht, darf nicht fehlen, ebenso wenig wie Ansichten des Schlosses, sei es in der im späten 19. Jahrhundert vollendeten Form oder als Renaissance-Bau, wie er sich den Berlinern am 14. Dezember 1592 bei der groß gefeierten Taufe eines Sohnes des brandenburgischen Markgrafen Johann Georg darbot.

Auch Genre-Szene sind vertreten, die gleichermaßen die Berliner Stadtlandschaft wie den Alltag ihrer Bevölkerung dokumentieren: Kutschen-, Schubkarren- und Fußgänger-Verkehr auf dem Mühlendamm des späten 19. Jahrhunderts etwa, vor dem Brandenburger Tor Flaneure und exerzierendes Militär. Die Pickelhauben der Soldaten legen eine zeitliche Einordnung nach deren Einführung 1843 nahe. Oder die Architektensimulation einer Alt-Berliner „Trinkhalle für Selter- und Sodawasser“. Selbst der legendäre Hinweis „Hier können Familien Kaffee kochen“ findet sich auf einer der ausgestellten Grafiken.

Auch erfährt man aus einem vergilbten Zeugnis, dass ein gewisser Paul Hoyer aus Herzberg vom 5. Juni bis 3. Juli 1904 im Restaurant Zoologischer Garten, betrieben von Lorenz Adlon, „Hoflieferant Sr. M. D. Kaisers u. Königs“, als Kellner angestellt war. Man sei mit seinen Leistungen zufrieden gewesen, „Austritt erfolgt auf eigenen Wunsch“. Kündigungslustiges Gastronomiepersonal? Kommt einem bekannt vor.

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