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Als es an Schutzkleidung fehlte, verwarf die Verwaltung die üblichen Regeln für die Ausschreibung von Aufträgen.

© Kira Hofmann/dpa-Zentralbild/dpa

Die Berliner Masken-Millionen: Grüne wollen Beschaffungsverträge für Schutzausrüstung öffentlich machen

In der Pandemie wurde rasant Geld für Tests, Desinfektionsmittel oder Masken ausgegeben – auch in Berlin. Wer hat davon profitiert? Nun beginnt die Aufklärung.

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Die CDU-Korruptionsaffäre um Masken-Deals von Bundestagsabgeordneten besorgt auch Parlamentarier in Berlin. Die Grünen fordern nun, dass die Beschaffungsverträge für Masken „soweit wie möglich“ veröffentlicht werden.

„In der Pandemie kommt es darauf an, so schnell wie möglich Schutzausrüstung, aber auch andere Materialien wie Schnelltests, Desinfektionsmittel, Beatmungsgeräte zu beschaffen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux. „Wir wollen, dass die Öffentlichkeit sich selbst ein Bild davon machen kann, wie viel Geld wofür in welcher Höhe geflossen ist.“

Es müsse geklärt werden, ob die Preise der Ankäufe marktüblich waren und ob Dritte zu Recht oder zu Unrecht mitverdient haben, ergänzte die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Catherina Pieroth. Hintergrund der Forderungen ist die Verstrickung der Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) in Geschäfte um den Kauf von Schutzmasken.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hatte bereits ausgeschlossen, dass es ähnliche Fälle im Berliner Senat geben könnte. „Dass Unternehmen sich melden mit Hilfsangeboten, ist nicht verwerflich“, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ am Mittwochabend. „Die Frage ist, wie geht man persönlich damit um“, sagte Berlins Regierungschef. „Und ganz besonders schlimm ist, wenn man versucht, sich zu bereichern.“ Das schließe er für den Senat aber aus, erklärte der SPD-Politiker.

Doch die Aufklärungsarbeit steht erst ganz am Anfang. Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei Maskengeschäften gibt es im Abgeordnetenhaus bislang nicht – das erklären führende Koalitionspolitiker übereinstimmend.

Torsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD sagte dem Tagesspiegel: „Der Hauptausschuss hat fraktionsübergreifend politische Entscheidungen für schnelle Beschaffungen getroffen.“ Die Beschaffungsvorgänge seien bislang aber noch nicht konkret betrachtet worden. Noch immer ist das Parlament eher mit der Freigabe von Haushaltsmitteln beschäftigt, bewilligt in Rekordgeschwindigkeit: erst für Masken und Schutzkleidung, nun für die massive Beschaffung von Schnelltests.

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Interne Dokumente, die dem Tagesspiegel vorliegen, geben einen Eindruck von den – notgedrungen – hemdsärmeligen Vergabeverfahren. Besonders in den Anfangsmonaten der Pandemie war extreme Eile geboten: Ein weltweiter Wettbewerb um Schutzausrüstung war ausgebrochen.

So heißt es in einem Bericht der Gesundheitsverwaltung an das Parlament: „Einzelne Bedarfsträger melden zurück, dass sie ihren Betrieb einstellen müssen, weil sie keine Schutzausrüstungen mehr vorrätig hätten, um das tätige Personal zu schützen.“

„Extrem zeitkritische“ Bestellungen

Ein geregeltes Vergabeverfahren fand nicht statt. Die Verwaltungen sollten direkt mit potenziellen Auftragnehmern verhandeln, Anforderungen „hinsichtlich der Veröffentlichung, der Fristen oder der Mindestanzahl der zu konsultierenden Bewerber oder sonstige verfahrenstechnische Anforderungen“, wie die Gesundheitsverwaltung schreibt, wurden komplett aufgegeben.

Es wurde explizit betont, das mit Auftraggebern auch „per E-Mail oder telefonisch“ Kontakt aufgenommen werden soll. Die Bestellungen – überwiegend in China – seien „extrem zeitkritisch“ gewesen. So wurden im April für mehr als 60 Millionen Euro Schutzkleidung und Masken über ein Partnerkrankenhaus von Vivantes bestellt. Laut Gesundheitsverwaltung „weit unter marktüblichen Preisen“.

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Diese einheitliche Lieferkette über die Vivantes-Kontakte wird noch heute als Vorteil gesehen: preislich und organisatorisch. Vor der Pandemie hatten Masken im Schnitt 1,53 Euro gekostet, in diesen Tagen zahlte die Gesundheitsverwaltung teils 6,35 Euro.

Eine parlamentarische Anfrage des fraktionslosen Abgeordneten Marcel Luthe zeigt auch hohe Preisspannen zwischen den Bestellungen: So zahlte zum Beispiel die Innenverwaltung teils mehr als zehn Euro pro Maske, auch einzelne Gerichte zahlen zweistellige Beträge. Eine Goldgräberstimmung für Unternehmen und Vermittler. Die Geschäftspartner sind allerdings bislang nicht öffentlich. Das wollen die Grünen nun ändern.

Linke und SPD reagierten zurückhaltend auf den Vorschlag. Steffen Zillich, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, sagte: „Das Kontrollinteresse ist nachvollziehbar. Die parlamentarischen Mechanismen machen eine Einsicht in die Verträge aber schon jetzt möglich – wenn es den Wunsch gibt, sich das anzuschauen, werden wir das unterstützen.“ SPD-Fraktionsgeschäftsführer Schneider sagte: „Wenn die Grünen ein Aufklärungsinteresse haben, können sie jederzeit bei den jeweiligen Senatsverwaltungen Einsicht nehmen.“

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