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Beziehungskrise. SPD-Fraktionschef Raed Saleh (rechts) ist nach eigenen Worten „erschüttert“ über das Verhalten des CDU-Fraktionsvorsitzenden Burkard Dregger, der dem thüringischen FDP-Politiker Thomas Kemmerich nach dessen Wahl zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD gratulierte.

© picture alliance/dpa

Heftige Reaktionen nach Aussage von Raed Saleh: „Das ist Öl ins Feuer der Rechten“

„Uneingeschränkt zur Demokratie stehen nur SPD, Grüne und Linke“? Politiker von CDU und FDP weisen Äußerung von Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh zurück.

Mit seinen schwerwiegenden Vorwürfen gegen CDU und FDP wegen der Wahl des Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD ruft der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh heftige Reaktionen hervor. Saleh hatte in einem Beitrag für die „Berliner Zeitung“ geschrieben: „Uneingeschränkt zur Demokratie und zum Grundgesetz stehen nur die Parteien der linken Mitte – nämlich SPD, Grüne und Linke.“

Volker Beck, ehemaliger rechts- und menschenrechtspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, schrieb auf Anfrage: „Ich habe keinen Zweifel, dass Union und FDP uneingeschränkt zur Demokratie und zum Grundgesetz stehen. Das sollte auch angesichts taktischer Fehler Einzelner nicht in Abrede gestellt werden. Auch im rhetorischen Overkill liegt eine Gefahr für das demokratische Klima.“ Die AfD dürfe in keinem Fall Mehrheitsbeschaffer sein oder bei Sach- und Personalentscheidungen den Ausschlag geben.

Das sei in Thüringen nicht von allen demokratischen Akteuren mit der notwendigen Klarheit gesehen worden. Er sei „froh, dass die Führungen der Bundesparteien von Union und FDP hier die Reißleine gezogen haben. Der persönliche Einsatz der Bundeskanzlerin und von Annegret Kramp-Karrenbauer haben mich beeindruckt: Die Unionsführung hat ernsthaft für eine klare Linie kämpft. Das finde ich respektabel und das sollte auch die politische Konkurrenz würdigen und honorieren.“

Dirk Stettner, der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte dem Tagesspiegel: „Ich weiß nicht, was in Raed Saleh gefahren ist. Ich will auch nicht über seine persönlichen Beweggründe spekulieren. Jedenfalls beschädigt er nachhaltig unser demokratisches Miteinander, wenn er behauptet, uneingeschränkt zur Demokratie und zum Grundgesetz stünden nur die Partien der linken Mitte, nämlich SPD, Grüne und Linke. Das sieht erfreulicherweise seine Fraktion nicht so, zumindest nehme ich dies in der täglichen Zusammenarbeit anders wahr. Wer die demokratische Mitte bewusst spaltet, produziert Popcornkino für die Radikalen.“

„Es geht ihm einzig und allein darum, der liberalen Partei zu schaden“

Christoph Meyer, der Landesvorsitzende der FDP, sagte: „Mitunter sagt oder schreibt man Dinge, die man hinterher bereut. Bei Thomas Kemmerich waren es in Erfurt lediglich sechs Wörter: ,Ja, ich nehme die Wahl an.‘ Das wird die FDP noch lang beschäftigen. Viele politischen Mitbewerber lagen allerdings in der Nachbetrachtung zu Thüringen sodann leider auch meilenweit daneben.“ Besonders schrill und lang liege Raed Saleh daneben.

Der Landesvorsitzende der Berliner FDP: Christoph Meyer. (Archiv)
Der Landesvorsitzende der Berliner FDP: Christoph Meyer. (Archiv)

© Kai-Uwe Heinrich

„Besonders perfide neben aller Plattitüden“ sei dabei sein Insinuieren, die FDP habe bewusst mit der AfD zusammengearbeitet und sei verfassungsfeindlich. Dies sei „vor allem böswillig, denn es geht ihm einzig und allein darum, der liberalen Partei zu schaden. So wird die Demokratie beschädigt und ausgehöhlt.“

„Das ist menschlich schwer enttäuschend“

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, teilte Saleh auf Twitter mit: „Was du schreibst, trifft mich persönlich zutiefst. Für niedere, innerparteiliche Machtkämpfe stellst du mich und meine Partei an den Rand der Verfassungsfeindlichkeit? Das ist nicht nur Öl ins Feuer der Rechten, es ist menschlich schwer enttäuschend.“

Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der Berliner FDP.
Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der Berliner FDP.

© dpa

Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, erklärte, dass jemand unglaubwürdig sei, „der mit Dialogverweigerung, Beschimpfung, Hass, und Ausgrenzung arbeitet statt sachliche Kritik zu üben und gleichzeitig vorgibt, gegen diese Methoden zu arbeiten“. Aufgabe des gesamten Parlaments sei es, die Regierung zu kontrollieren und miteinander über die Interessen aller Bürger zu sprechen, die Politiker repräsentierten. „Wer diesen demokratischen Dialog verweigert, zerstört die Grundlage der parlamentarischen Demokratie.“

„Diese Leute unterschätzen die Berliner und täten gut, sich besser beraten zu lassen“

Saleh hatte auch auf den SPD-Politiker Otto Wels verwiesen, der Hitler und seiner Koalition 1933 vor der Abstimmung über das berüchtigte Ermächtigungsgesetz während der Reichstagssitzung entgegen gehalten habe: „Freiheit und Leben könnt ihr uns nehmen, die Ehre nicht.“ Durch das Ermächtigungsgesetz erhielt Hitler diktatorische Machtbefugnisse, die SPD stimmte dagegen.

Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der Berliner FDP.
Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der Berliner FDP.

© Jörg Carstensen/dpa

Luthe sagte dazu: „Statt mit dem Pathos Wels 1933 halte ich es mit Ernst Reuter 1947: ,Die Leute, die ihre Lautsprecher auf Fortissimo einstellen, vergessen, dass ein Volk, das lange Jahre der Hitler-Diktatur hinter sich hat, ein System politischer Verleumdung seit langem satt hat. Diese Leute unterschätzen die Berliner und täten gut, sich besser beraten zu lassen.‘“

Gespräche mit der AfD und Verhandlungen der Werteunion mit der AfD seien ein deutlicher Tabubruch

Raed Saleh wehrte sich gegen die Angriffe, er erklärte dem Tagesspiegel: „FDP und CDU sind demokratische Parteien. Dass im Vorfeld der Wahl in Thüringen Gespräche mit der AfD geführt wurden und dass die Werteunion mit der AfD verhandelt, das ist ein deutlicher Tabubruch. Das ist unverzeihlich, wie Kanzlerin Merkel richtig gesagt hat. Dafür bin ich ihr dankbar, und ich weiß, dass die meisten Mitglieder der CDU und der FDP so denken und fühlen. Daher haben die Funktionäre dieser beiden Parteien etwas zu klären, wenn einzelne auf Tuchfühlung zu Feinden der Demokratie gehen.“

Dann müsse es ein klares Nein geben. Besonders erschüttert hätten ihn die Reaktionen der Berliner CDU nach der Wahl Thomas Kemmerichs mit Hilfe der AfD. Die CDU-Führung habe von einem „normalen Vorgang“ gesprochen. „Es ist nicht normal und es darf niemals werden, dass mit der AfD paktiert wird. Geschichtsvergessen sind die, die bei der Kemmerich-Wahl applaudiert haben.“

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