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Das eine ist zu groß, das andere zu klein: In Sachen Stadionkapazität sehen beide Vereine Handlungsbedarf. 

© Kitty Kleist-Heinrich/imago, Montage: S. Lobers

Vor dem Berlin-Derby: Hertha und Union hadern mit den Stadien

Hertha und Union trennen mehr als nur 25 Kilometer Luftlinie. Dennoch haben beide Berliner Bundesligisten eines gemeinsam: In Sachen Stadion wollen sie voran kommen - und scheitern.

Stand:

Hertha-Fan Klaus Gierl weiß zwar am Tag vorher noch nicht, wo er das Derby schauen wird, aber eines ist sicher: Sein Platz im Olympiastadion bleibt leer, genau wie die 75.000 anderen Sitzplätze der Arena.

Zum Schmerz darüber kommt bei Gierl der Wunsch nach einem echten Fußballstadion. „Wer einmal bei einem Spiel mit 20.000 Zuschauern im Olympiastadion war, weiß, warum“, sagt Gierl. Zu verloren und zu weit weg vom Geschehen sind die Fans, um echte Heimkulisse erzeugen zu können. Ausverkauft und am Brodeln ist die Arena nur selten, weshalb viele Herthaner neidisch in Richtung Konkurrenz schielen.

Gierl und andere wollen das ändern. Sie gründeten die Initiative „Blau-Weißes Stadion“, setzen sich für dessen Bau auf dem Gelände des Olympiaparks ein. Weil Politik, Verwaltung und Verein lange nur über-, selten aber miteinander über diese Frage sprachen, holten die Fans alle an einen Tisch. Zwei Mal tagte die Runde bereits, beteiligt sind die Senatsverwaltung für Sport, die sportpolitischen Sprecher der Abgeordnetenhausfraktionen, Stadträte, Verein und eben Fans. Am kommenden Freitag sollen in dritter Sitzung die aktuell in Rede stehenden Möglichkeiten gemeinsam mit Experten von vor Ort geprüft werden.

Während Gierl selbst einen Stadionbau am Olympiapark favorisiert und damit den Verein, der vom zum Jahresende ausscheidenden Stadionmanager Klaus Teichert vertreten wird, auf seiner Seite weiß, spielen in der Runde auch andere Szenarien eine Rolle: das Gelände des inzwischen ehemaligen Flughafens Tegel, der Zentrale Festplatz oder der als Nordkurve bekannte Wendekreis der Avus. Je nachdem, wen man fragt, hat die eine oder die andere Variante entweder große oder gar keine Chancen auf Realisierung.

Fest steht: Ausgerechnet für den Bau in unmittelbarer Nähe zum Olympiastadion sieht es schlecht aus. Das Maifeld steht unter Denkmalsschutz und scheidet aus. Einem Stadion nordwestlich des U-Bahnhofs Olympiastadion stehen genau 24 Wohnungen im Weg. Die im selben Jahr wie die Hertha gegründete „Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892“ ließ den Verein auflaufen.

Kein Wechsel in der Vorstandsriege angedacht

Zuletzt beantragte sie sogar einen Ausbau der Siedlung an der Sportforumsstraße, wurde von Bezirk und Stadtentwicklungsverwaltung gestoppt und klagte. Auch ohne Ausbau bleibe der aktuelle Vorstand bei seinem „kategorischen Nein“ zum Stadionbau, hieß es im Oktober. Ein angeblicher und von Vereinsseite wohl herbeigesehnter Personalwechsel in der Vorstandsriege der Genossenschaft stehe nicht an, erklärte eine Sprecherin.

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Und so bleibt die Prüfung alternativer Standorte. Während Stephan Standfuß (CDU) die Avus-Variante favorisiert, fordert Dennis Buchner (SPD) eine „ehrliche Bestandsaufnahme“. Seiner Ansicht nach ist keine der derzeit untersuchten Varianten umsetzbar, weil Platz und Anbindung fehlten, Klagen von Anwohnern drohten.

Buchner rät Hertha, „auf der Landesgrenze zu Brandenburg“ nach Freiflächen Ausschau zu halten. Das wiederum lehnen die Fans ab, und auch der Verein will in Berlin bleiben.

Hin und weg: Der 1. FC Union sucht ein Verkehrskonzept

Unions Vorstandsmitglied Dirk Thieme hatte es schon bei der Mitgliederversammlung gesagt: Die bisherigen Ausbaupläne seien „zu ambitioniert“ gewesen, er hoffe im kommenden Jahr auf einen Fortschritt der Gespräche. Sagte er im Dezember 2019. Doch auch im Jahr 2020 hat sich für die Köpenicker nichts geändert.

Von 22.000 auf 37.000 Plätze will der 1. FC Union Berlin sein Stadion an der Alten Försterei erweitern. Schon in der zweiten Liga war es schwierig gewesen, an Tickets zu kommen. Seit dem Aufstieg in die Bundesliga im Sommer 2018 ist es praktisch unmöglich. Union ist beliebt – und in dieser Saison auch noch überraschend erfolgreich. Da schmerzt es doppelt, dass das Stadion der Köpenicker coronabedingt leer bleiben muss und die Zeit nicht zum Ausbau genutzt werden kann.

Mit dem Stadionbau sei es wie mit verletzten Spielern, sagt Christian Arbeit, Geschäftsführer der Kommunikation. „Es dauert, wie es dauert.“ Eigentlich sollte es nur bis zum Sommer 2020 dauern – doch noch liegt nicht einmal Baurecht vor.

Nadelöhr "An der Wuhlheide"

Bevor Union das erhält, steht ein Vorhabenbezogenes Bebauungsplanverfahren an. Ein behördliches Wortmonstrum und tatsächlich steckt dahinter jede Menge Bürokratie. Bevor gebaut werden kann, müssen alle Auswirkungen eines größeren Stadions geprüft und Lösungen für etwaige Probleme gefunden werden. Erschwert wird das Verfahren durch die Vielzahl von Beteiligten. Bau- und Verkehrsverwaltung sind involviert, ebenso Bezirk, BVG, S-Bahn und Experten.

Aktuell geht es um das Verkehrsproblem, das es schon jetzt bei Heimspielen gibt. Das Stadion (s. Grafik) ist nur mit Straßenbahn und Bussen angebunden und so wird die Straße „An der Wuhlheide“ zum Nadelöhr. Nach Abpfiff stopfen sich Hunderte in Bus und Tram, viele Fans stehen auf der Straße, das Verkehrschaos ist obligatorisch. Weitere 15.000 Zuschauer dürften einen Kollaps auslösen. 

Wirkliche Abhilfe gibt es erst 2025/26

Abhilfe soll eine Tram-Wendeschleife und ein Regionalbahnhof am S-Bahnhof Köpenick schaffen. Doch der wird frühestens 2025/26 fertig. So lange möchten die Eisernen nicht warten, deshalb wurde ein Verkehrskonzept für Übergangslösungen erarbeitet. Shuttle-Busse und eine Taktverdichtung sind denkbar.

„Wir sind aber schon jetzt am Limit“, sagt BVG-Sprecherin Petra Nelken. Sie ist davon überzeugt, dass der etwas entfernt liegende S-Bahnhof Wuhlheide mehr einbezogen werden muss. „Es ist klar, dass die Hauptlast der Zuschauer die S-Bahn tragen muss.“ In der Verkehrsverwaltung prüft man nun das vorgelegte Konzept von Union und hat es zur Chefsache gemacht. „Schnellstmöglich“ soll die Prüfung abgeschlossen sein.

Christian Arbeit rechnet „eher mit Monaten als Wochen.“ Zudem gibt es noch ein Lärmgutachten, das parallel erarbeitet wird. Wann das Stadion wirklich fertig ist, darauf will sich niemand festlegen. Man wolle nicht die Fehler vom BER machen und sich von einem Eröffnungsdatum zum nächsten hangeln, so Arbeit. „Wir haben auch noch keine Einladungskarten zur Stadioneröffnung gedruckt.“

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