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Beispielhaft. Illustre Besucher aus dem jeweiligen Gastland (hier Petteri Tikkanen auf der Frankfurter Buchmesse 2014) würden, einmal gelandet, auch in Berlin ein Publikum finden.

© dpa

Zur Frankfurter Buchmesse: Holt die Messe nach Berlin!

Jeden Herbst das Gleiche für die Bücherfreunde der Hauptstadt: Die einen bekommen eine Überdosis Literaturbetrieb in Frankfurt. Die anderen bleiben trauernd zurück. Höchste Zeit, dass das Spektakel hierher umzieht.

Hallo, hört mich überhaupt jemand? Also, jemand, den oder die dieses Thema interessiert? Oder seid ihr, Literaturbetriebsmenschen, noch „unten“, in Frankfurt, auf der Buchmesse, zum Auskatern oder dabei, die Familie am Publikumstag durch die Hallen zu schleusen? Oder seid ihr, andere Literaturbetriebsmenschen, zwar in Berlin, aber darüber so frustriert, dass ihr nix lesen mögt, in dem die Wörter „Frankfurt“ und „Buchmesse“ vorkommen? Und wenn, dann bitte nicht in einer Zeitung, die vom ganzen Geschehen eh, vermeintlich, meilenweit weg ist?

Jedes Jahr im Herbst das Gleiche: Die gegenwartsliteraturinteressierte Stadtbevölkerung zerfällt in zwei Lager: die, die es zur Messe „schaffen“, und die, die zurückbleiben. Weil das Geld nicht reicht, die Zeit fehlt oder „der ganze Affenzirkus die zwei bis drei netten Begegnungen schlicht nicht wert ist“. Glücklich wird keins von beiden: Die einen verpassen das wichtigste Branchentreffen des Literatur- und Buchbetriebs komplett, die anderen kommen jammernd zurück und beschweren sich über den „Overkill“, fünf Tage „Nonstop-Eierschaukelung“ und überhaupt: „die ganzen Nasen, die man jetzt zum Glück bis Leipzig nicht mehr sehen muss“.

Gesund ist das alles nicht: Die Kasernierung auf einem Messegelände in der Literaturprovinz befördert zu offensichtlich den Selbsthass der Branche. Dabei müsste die sich doch grad in diesen Zeiten des Umbruchs – E-Books, neue Rezeptionsgewohnheiten und so fort – dringend neu lieben lernen, um die Liebe auch in anderen wachzuhalten. Zugleich ist der Kommunikationsabbruch der Zurückbleibenden, meist gerade junge und mittellose Talente, auch nicht gut. Zumal in einem Zeitalter, da literarischer Erfolg nicht mehr in einer Dachkammer zusammengeschrieben wird, sondern mehr denn je mit Kommunikation, Entdecken und Entdecktwerden zu tun hat.

Nun ließe sich hier natürlich so Einiges einwenden: dass Frankfurt überhaupt keine Literaturprovinz ist etwa, oder dass die Übersiedlung der Buchmesse nach Berlin, auf die zu fordern dieser Text natürlich hinausläuft, anderen Menschen Reisestrapazen auferlegt. Dazu nur eine Frage: Wo ist eine Buch- und Literaturmesse wohl besser beheimatet – in einer Stadt mit einer flitzlebendigen Bohème, an die drei andere literarisch bedeutsame Städte (Hamburg, Leipzig, Hildesheim) bestens angebunden sind? Oder in einer, die dank ihres Mietniveaus schon lange nicht mehr künstlerfreundlich ist? Und wo wird der Diskurs um E-Book und neue Produktionsformen wohl besser geführt: in Banken- oder in Start-up-City? Na? Eben.

Eine große Buchmesse stünde Berlin gut zu Gesicht: Denn anders als dem Film (Berlinale), dem Theater (Theatertreffen), der Kunst (Gallery Weekend) oder auch der Mode (Fashion Week) fehlt Literatur und Buchkultur bisher der ganz große Auftritt in der Hauptstadt. Der Messe könnte der Standort derweil helfen, das Raumschiffhafte ein wenig zu verlieren und Lagerkollern ihrer Langzeitbesucher vorzubeugen. Dazu könnte beitragen, dass die Messe in Berlin, wo es kein derart großes zusammenhängendes Messegelände wie in Frankfurt gibt, dezentraler gestaltet sein müsste und könnte. Die Bread & Butter mag dem Tempelhofer Flughafengebäude den Rücken kehren, für Literatur und ihr Medienwandel-Drumherum wäre der Sehnsuchtsort mit Technikgeschichte eine ideale Präsentationsstätte. Und apropos Flughafen: Fachbuch- und Verlagsgedöns könnten vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft im BER-Messezentrum am Stadtrand unterkommen. In den Szenebezirken derweil: eine zeitgleich stattfindende „alternative Buchmesse“, die in Berlin bestimmt nicht lange auf sich warten ließe.

Man sieht: Synergien allenthalben. Für Frankfurt spricht da nur noch der Flughafen. Doch mit einem Zehn-Jahres-Schwerpunkt auf osteuropäische Gastländer in Auto- und Zugdistanz fiele auch der Mangel Berlins an Anbindung aus der Luft kaum auf. Aber bevor das hier ins Satirische abdriftet, sollte es schnell zu Ende gehen. Gelesen hat’s ja eh niemand, den das interessiert. Oder?

Der Text entstand als Rant für unsere gedruckte Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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