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Blick auf den Flughafen BER in Berlin-Schönefeld.

© imago images / Matthias Koch

3000 Tage BER-Nichteröffnung: Immerhin wartet Trost im Römerbrief

Der Betrieb am neuen Hauptstadtflughafen sollte ursprünglich am 3. Juni 2012 starten. Doch es kam etwas dazwischen. 3000 Tage, um genau zu sein. Eine Glosse.

Gott hat die Welt bekanntlich in sechs Tagen erschaffen, und das einschließlich so komplizierter Sachen wie Wanderdünen und Knoblauchkröten. Ein irres Tempo! Andererseits ist zu berücksichtigen, dass er Bauherr, Architekt und Generalübernehmer in Personalunion war, das garantierte kurze Abstimmungswege. Meetings konnte er im eigenen Kopf anberaumen und abbrechen, wann immer er wollte; in genialer Zeitabstimmung setzte er den Bau des Menschen an den Schluss, womit auch die lästige Bürgerbeteiligung erledigt war.

Und der Brandschutz war ihm nachweislich total wumpe, das zeigte sich später schon daran, dass das Buch Exodus keinerlei Hinweis auf eine Abnahme des brennenden Dornbuschs durch den TÜV Jerusalem enthält.

Trotzdem: Nicht auszudenken, was ER geschafft hätte, wenn er nicht nach sechs Tagen abgebrochen, sondern 3000 durchgeackert hätte. Das ist nämlich der Referenzwert für Großprojekte wie den Flughafen BER: Am heutigen Mittwoch ist es genau 3000 Tage her, dass die Flughafengesellschaft damit begonnen hat, aus einem untauglichen, dreifach über Kreuz gelöteten Schrotthaufen einen praktisch fertigen Airport zu machen.

Um nicht nur immer mit Gott zu vergleichen: 3000 Tage sind der gesammelte Jahresurlaub eines aktiven 120-jährigen Angestellten, der nach dem Abitur angefangen hat. In 3000 Tagen überwindet ein Papagei locker seine Pubertät, seit 3000 Tagen ist Juventus Turin italienischer Fußballmeister.

Und rund 3000 Tage, das nur der Vollständigkeit halber, arbeitet der Deutsche durchschnittlich im Lauf seines Lebens, also: Wenn er es am Stück täte. Vermutlich hat auch der Dreißigjährige Krieg nicht viel länger als 3000 Tage gedauert, wenn wir die Zeiten des tatsächlichen Hauens, Mordens und Brandschatzens mal netto nehmen.

Flughafenchef von scheinbar gusseisernem Naturell: Engelbert Lütke Daldrup auf der Baustelle der neuen Vorfeldfläche E2 Nord am Tower des BER.
Flughafenchef von scheinbar gusseisernem Naturell: Engelbert Lütke Daldrup auf der Baustelle der neuen Vorfeldfläche E2 Nord am Tower des BER.

© imago images / Jürgen Heinrich

3000 Tage sind natürlich auch 3000 Nächte, in denen der jeweilige Chef der Berliner Flughafengesellschaft vermutlich ziemlich mies geschlafen hat. Ausgenommen vielleicht der aktuelle, Engelbert Lütke Daldrup, der über ein gusseisernes Naturell zu verfügen scheint, und der sich sicher weitere 3000 Tage tödlich langweilt, wenn das Ding erst fertig ist.

[73 Tage sind es inzwischen noch bis zur BER-Eröffnung: Diesmal wirklich? Eine Chronologie in 100 Schlagzeilen seit 1996 lesen Sie hier auf Tagesspiegel Plus. Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Gott allerdings, diesen Vorwurf können wir ihm nicht ersparen, hätte sich ruhig mal einschalten können. Nur ein Zeichen am Horizont im Mai 2012, als alles in die Grütze gegangen war! Achtung, Leute, hätte er sagen können, erst im neunten Jahr werde ich mein Volk, die Piloten, aus Tegel herausführen!

Immerhin wartet Trost im Römerbrief: „Denn ich bin überzeugt,“, schreibt Paulus, „dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll“. Hoffentlich, das wollen wir anfügen, wird diese Herrlichkeit dann auch wirklich noch gebraucht.

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