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Innensenatorin erhöht Druck: Berliner Bäder-Betriebe prüfen Begrenzung der Besucherzahl in Freibädern
Innensenatorin Iris Spranger zu Gewalt in Berliner Schwimmbädern: Die Betriebe müssten energischer gegen aggressive Gäste vorgehen. Polizeigewerkschaft GdP erteilt Forderungen nach mehr Präsenz eine Absage.
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Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erhöht wegen anhaltender Randale und Tumulte in Freibädern den Druck auf die landeseigenen Berliner Bäder-Betriebe, mehr dagegen zu unternehmen. Am Dienstagabend kamen Vertreter von Innenverwaltung, Polizei, Bäder-Betrieben und Sozialvereinen zu einer Krisensitzung zusammen. Am Mittwoch reagierten die Bäder-Betriebe. „Wir stellen in den kommenden Wochen alle Maßnahmen zum sicheren Badebetrieb komplett auf den Prüfstand“, teilte das Unternehmen mit.
Den Gästen solle einerseits ein schöner und sicherer Aufenthalt in den Bädern ermöglicht, andererseits sollten Regelverstöße besser geahndet werden, sagt der Vorstandsvorsitzende der Bäder-Betriebe, Johannes Kleinsorg. Denkbar seien veränderte Obergrenzen für Besucher, eine stärkere Sanktionierung von Zuwiderhandlungen gegen die Haus- und Badeordnung und veränderte Betriebsabläufe. „Einiges werden wir schnell umsetzen, anderes wird Zeit brauchen“, sagt Kleinsorg.
Derzeit werde überlegt, wie das Sommerbad Neukölln schnellstmöglich wieder geöffnet werden kann, so Kleinsorg. Es ist wegen eines hohen Krankenstandes zurzeit geschlossen.
Spranger sagte dem Tagesspiegel zuvor am Mittwoch: „Ich habe die klare Erwartungshaltung, dass die Berliner Bäder-Betriebe alles daransetzen, ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden.“ Sie müssten „für die Sicherheit in ihren Anlagen Sorge tragen“ und stünden „in der Pflicht, ihre Verantwortung wahrzunehmen“.
Der Grund für Sprangers Ansage: Ihr gehen die Bäder-Betriebe nicht energisch genug gegen aggressive Gruppen in den Bädern vor. Bislang erstatten die Bäder-Betriebe nicht einmal bei jedem Vorfall eine Strafanzeige bei der Polizei. Mitarbeiter aus dem am Sonntag geräumten und seit Montag geschlossenen Neuköllner Columbiabad bestätigten das.
Sie hatten bereits im Juni einen Brandbrief verfasst, die „eklatante Unterbesetzung des Personals“ und Gewalt von Badegästen beklagt. Ein Tagesspiegel-Bericht über das zweiseitige Schreiben löste am Mittwoch breite Reaktionen aus.
Sie hätten schlicht keine Zeit, Strafanzeigen zu erstatten, weil sie das volle Freibad beaufsichtigen müssten und für die Sicherheit der Badegäste verantwortlich seien, hieß es am Mittwoch aus der Belegschaft. Auch Hausverbote seien angesichts der Personallage kaum zu kontrollieren, berichtete sie im Brandbrief. Die Sicherheitsdienste seien überfordert, nicht ausreichend qualifiziert, um überhaupt Strafanzeigen zu stellen und führten Einlasskontrollen nicht gründlich durch.
Jetzt mahnte Spranger: „Vom Verweis vom Gelände über langfristige Zutrittsverbote bis hin zu konsequenter Anzeigenerstattung in jedem Fall und allen damit verbundenen polizeilichen Maßnahmen – allen muss klar sein, dass Verstöße Konsequenzen nach sich ziehen.“ Es liege auf der Hand, dass „eine unmittelbare Intervention“ erforderlich sei. Wenn Gefahr für die Badegäste oder Straftaten drohten, „gilt es, direkt und unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten“ der Bäder-Betriebe und bei Bedarf mit der Polizei einzuschreiten.
Wo viele Menschen sind, gibt es auch viel Konfliktpotenzial. Dass sich dieses aber in aggressivem Dominanzverhalten, Drohungen oder gar körperlicher Gewalt Bahn bricht, werden wir nicht dulden.
Iris Spranger, Berliner Innensenatorin
Die Innensenatorin sprach von „über die Jahre in einigen Freibädern wiederholt aufkommenden Konflikten, die in Teilen auch in Gewalt umschlagen“. Das sei nicht vereinbar mit der Rolle der Bäder als Erholungsorte, Erlebnis- und Sportstätten. „Wo viele Menschen sind, gibt es auch viel Konfliktpotenzial“, sagte Spranger. „Dass sich dieses aber in aggressivem Dominanzverhalten, Drohungen oder gar körperlicher Gewalt Bahn bricht, werden wir nicht dulden.“
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte: „Wir werden kurzfristig Maßnahmen ergreifen.“ Er sei dazu mit der Innensenatorin im Gespräch. „Wir werden nicht dulden, dass die Freibäder zu rechtsfreien Räumen werden.“ Mit Blick auf die Überlastung der Polizei schränkte Wegner jedoch ein: „Ich werde nicht jedes Bad mit mehreren Hundertschaften überwachen.“
Polizeigewerkschaft: „Polizisten sind keine Bademeister“
Dies bekräftigte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin und erteilte am Donnerstag den Forderungen nach mehr Polizeipräsenz in Freibädern erneut eine Absage. „Wir können definitiv nicht noch Hundertschaften in Freibäder stellen“, sagte Berlins GdP-Sprecher Benjamin Jendro am Donnerstag im rbb-Inforadio.
Zum einen sei das eine Frage des Personals, denn die Polizei habe zahlreiche andere Aufgaben. „Wir kriegen das personell nicht gestemmt“, so Jendro. Hinzu komme: „Polizisten sind auch keine Bademeister. Zwar könne die Polizei mal eine mobile Wache vor ein Freibad stellen. „Aber Polizei wird nicht dauerhaft Freibäder bestreifen können.“ Hier seien in erster Linie die Bezirke und die Bäderbetriebe in der Pflicht.
Ein Ziel müsse sein, dass nicht so viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen. „Weil: Dann kommt es eben zu Auseinandersetzungen, und dann braucht es auch nicht viel“, so der GdP-Sprecher. „Und wenn wir natürlich noch junge, testosterongeladene Männer da haben, bei denen die Zündschnur ohnehin ein bisschen kürzer ist, die vielleicht auch einen kulturellen Hintergrund mitbringen, sprich einen Migrationshintergrund, wo das Machogehabe ohnehin sehr ausgeprägt ist, dann braucht es wirklich nicht viel, dass es dann zur Eskalation kommt.“
8000 Badegäste, aber nur eine Handvoll Aufsichtspersonal
Das Columbiabad war am frühen Sonntagabend zum wiederholten Mal frühzeitig geschlossen und geräumt worden. Grund war eine Auseinandersetzung von Jugendlichen mit Beschäftigten des Bades und Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes. Mitarbeiter sprachen von rund 8000 Badegästen, aber nur einer Handvoll Aufsichtspersonal. Das Bad bleibt vermutlich die ganze Woche geschlossen. Die Belegschaft hat sich krankgemeldet, Grund ist die anhaltende psychische Belastung, sie halten die Zustände nicht mehr aus.
In dem Mitte Juni an die Führung der Bäder-Betriebe verfassten Brandbrief beklagen die Mitarbeiter das „untragbare Ausmaß der Umstände“, „verbale Attacken, das Spucken und Pöbeln“ gegen andere Gäste und Mitarbeiter seien üblich, die Badeordnung werde „vorsätzlich missachtet“.
In der Regel geht die Gewalt von größeren Gruppen von Jugendlichen aus
Mitarbeiter würden bedroht, angegriffen und „psychisch terrorisiert“. In der Regel gingen Aggressionen und Gewalt von größeren Gruppen von Jugendlichen aus arabischen Familien aus. Sie bedrohten auch Frauen, häufig auch trans und queere Menschen. Im Brandbrief fordert die Belegschaft nun Maßnahmen, darunter ständige Polizeipräsenz, Online-Tickets, namentlicher Einlass – und in der Hauptzeit Zugang nur für Familien mit Kindern.
Laut Innenverwaltung prüfen die Bäder-Betriebe bereits die Aufstockung der Sicherheitsdienste. Als Schnellmaßnahmen sollen mobile Wachen und Streifen der Polizei, die auch bisher teils schon im Einsatz sind, nun vorgeplant werden. Der Fokus liege auf Bädern, in denen es wiederholt zu Konflikten kam. Zugleich soll die Polizei die Bäder stärker beraten, etwa zur Auslastung der Bäder und zur maximalen Besucherzahl, zu Zugangsbeschränkungen und dem Umgang mit größeren Gruppen.
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