Berlin: Jodel mal wieder
Alpenmusik aus Schöneberg: Die Komponistin Mela Meierhans zeigt beim Festival MaerzMusik ihr Stück „Tante Hänsi – ein Jenseitsreigen“
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Schweizer Kanton mit drei Buchstaben? Richtig, Uri. Genau wie die anderen am Vierwaldstätter See gelegenen Kantone Luzern, Schwyz, Nidwalden und Obwalden gehört Uri zur Innerschweiz. Eine ureidgenössische, stramm katholische Gegend mit eigenwilliger Bergbauernkultur, die langsam verschwindet. Dagegen kämpft Mela Meierhans an, 45 Jahre alt, experimentierfreudige Komponistin zeitgenössischer Musik. Seit 2000 lebt sie außer in Basel und Frankreich auch in Berlin. Vergleichsweise alpin – in einer Dachgeschosswohnung hoch über den Dächern von Schöneberg. Ihr Musiktheaterstück „Tante Hänsi – ein Jenseitsreigen“ wird auf dem Festival MaerzMusik erstmals in Deutschland aufgeführt. Mit dabei: 19 Bergbauern, Handwerker und Förster vom Jodlerclub Wiesenberg aus der Innerschweiz, dazu traditionelle Volksmusikinstrumente wie Akkordeon, Klarinette, Hackbrett und Alphorn.
Das seien zwei Welten und auch zwei Klischees, die sie da nebeneinander stelle, sagt Mela Meierhans. Schon in einer Stadt wie Basel hätten die Leute Schwierigkeiten, ländliche Volksmusik ernst zu nehmen. Ähnlich sehe es mit den modernen Tonfolgen aus, die in „Tante Hänsi“ ein Countertenor und ein Mezzosopran singen. Bei beidem sagten viele Leute: „Iiih, das kann ich nicht hören!“ Das Bindeglied zwischen den Klangwelten seien die traditionellen Instrumente, modern gespielt. „Ein Alphorn hat unglaubliche Ausdrucksmöglichkeiten. Das kann klingen wie ein Didgeridoo.“
Mela Meierhans hatte schon als Baby wache Ohren. Ihr Vater, Dirigent, Musiker und Musikpädagoge, liebte Arnold Schönberg, Luigi Nono, John Cage und die Geschwister Boulanger. Sie sei damit ebenso aufgewachsen wie mit Großmutters Volksmusik. „Ich konnte damals absolut nicht verstehen, dass meine Mitschüler neue Musik nicht ebenso schön finden wie Bach.“
Auch bei Traditionsjodlern erwartet man, dass sie aktuelle Kompositionen eher für Katzengejammer halten. Wie sie die Bauernburschen zum Mitsingen überredet habe? Mela Meierhans lacht: „Das war nicht einfach!“ Schließlich seien das ernsthafte, gottesfürchtige Sänger, denen „ein schöner Jodel wie ein Gebet ist“. Sie habe den Sängern ihre Bewunderung gezeigt, von ihrem Projekt erzählt und erst mal nur von Auftritten in Basel gesprochen. „Wenn man Kühe hat, kann man ja nicht so einfach weg, oder?“ Aber nach Meierhans’ Zusage, die Jodler so zu lassen, wie sie sind, hätten sie zugesagt. Auch für Berlin und ein Gastspiel in Mexiko. Juitzer – wortlose Naturjodel – mit Namen wie „Bätruef“ (Gebetsruf) oder „Fyrabigjuitz“ (Feierabendjodel) gehören ebenso zum Stück „Tante Hänsi“ wie die skurrilen, in Schwyzerdütsch (mit projizierter Übersetzung) vorgetragenen Geschichten um Beerdigungsrituale in den Dörfern der Innerschweiz. Und wer ist Tante Hänsi? „Meine Tante“, sagt Mela Meierhans, „die ist 70 Jahre alt, eine großartige Geschichtenerzählerin und kommt auch zur Aufführung nach Berlin.“ Das von der katholischen Kirche als heidnisch verdammte Jodeln sei in der Schweiz bei kirchlichen Trauerfeiern übrigens erst wieder seit zehn Jahren erlaubt.
„Tod und Ritual sind ein durchgehendes Motiv in meinen Kompositionen“, sagt die international mit Aufträgen und Preisen wohlversorgte Klangkünstlerin. Was sie nach Berlin verschlagen hat? Ach, viele Gründe: Die Schweiz sei so klein, da müsse man einfach mal weggehen. Dann auch der Liebe wegen. Und außerdem habe sie sich immer für Geschichte interessiert, und da sei in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz ungleich mehr aufgearbeitet. Ob es Ähnlichkeiten gebe zwischen Berlin und ihrer Heimat? „Lustigerweise ja: Berlin hat Charme durch seinen provinziellen Reiz. Da sind die Kieze wie Schweizer Kantone.“ Sonst noch was? „Ja, ich fühle mich gern fremd. Und mir gefällt’s, wenn es draußen groß und weit ist und ich darin verschwinden kann.“ Städte sind eben auch eine Art Bergwelt.
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