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Jubiläum: Haus des Rundfunks wird 80

Mit Sendungen und Veranstaltungen feiert der RBB die Eröffnung des Rundfunkhauses in der Masurenallee vor 80 Jahren. Das Gebäude kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken, seine Akustik setzt auch heute noch Maßstäbe

Der Kalte Krieg hatte auch komische Momente, und manchmal war der Eiserne Vorhang nur ein angeketteter Jeep-Anhänger. Den Stacheldraht ums Haus des Rundfunks an der Masurenallee, damals eine rote Enklave, hatten die Briten eingerollt, ersatzweise aber am 19. November 1953 als Zugangskontrolle den Hänger mit einem Drahtseil am Tor befestigt. Minuten später rückten fünf Rotarmisten mit Maschinenpistolen an, feilten das Seil durch. Das wiederum spornte die Briten an. Sie legten den Anhänger an eine Kette, führten sie über den Bürgersteig, wanden sie um einen Baum. Moskau war machtlos.

Die mattbraunen Klinkermauern mit ihren glänzenden Keramikverblendungen haben sich wie ein Schwamm vollgesogen mit Anekdoten wie dieser, mit Historie en gros und en detail: 80 Jahre der politischen, kulturellen und nicht zuletzt technischen Geschichte Berlins und Deutschlands. Am 22. Januar 1931, nach 19 Monaten Bauzeit, wurde das von Hans Poelzig entworfene Gebäude eröffnet. Ein Jubiläum, das der RBB ausführlich feiert: in Sendungen und – etwas verzögert – auch mit einer Einladung ans Publikum, das Gebäude selbst zu entdecken.

Die Besichtigung kyrillischer Graffiti in einer Durchfahrt ist dabei Pflicht, Erinnerung an die ersten elf Nachkriegsjahre, in denen die Sowjets an der Masurenallee das Sagen hatten. Nach ihrem Einmarsch waren sie schon am 13. Mai 1945 auf Sendung, ließen den Berliner Rundfunk aufbauen, ein Propaganda-Instrument, das sie, obwohl es in der britischen Zone lag, nicht wieder rausrückten. Mit zunehmender Vereisung des weltpolitischen Klimas führte das immer wieder zu Spannungen, und nach Abriegelung des Senders durch die Briten 1952, Reaktion auf die sowjetische Blockade West-Berliner Exklaven wie Steinstücken, musste der Sendebetrieb eingestellt werden. Bis zur Übergabe des von den Sowjets längst leergeräumten Gebäudes an den Senat und danach an den SFB als Mieter dauerte es noch vier Jahre.

Aber seinen Rundgang beginnt Mark Stuntz vom Besucherdienst natürlich nicht in einer vollgekritzelten Durchfahrt, sondern in der 1987 wieder original hergerichteten Backsteinpracht des Lichthofs und dort am liebsten vor dem Modell des Gebäudes. Die Preisrichter des Wettbewerbs erinnerte Poelzigs Entwurf an einen Schiffsbug: der Haupttrakt an der Masurenallee, die Seitenflügel leicht gebogen und sich in der Mitte treffend, im Zentrum der dadurch lärmgeschützten Innenfläche der große Sendesaal mit trapezförmigem Grundriss, rechts davon der kleine Sendesaal, links der Trakt mit den Hörspielstudios. Auf Erfahrungen mit solchen Bauten konnte Poelzig kaum zurückgreifen. Das Vox-Haus an der Potsdamer Straße, Keimzelle des 1923 gestarteten Hörfunks, war nur notdürftig an die Bedürfnisse des Senders, der Berliner Funk-Stunde, angepasst worden und bald zu klein. Funkhäuser in München und Hamburg waren durch An- und Umbauten entstanden, das Berliner Haus des Rundfunks aber war das erste eigens fürs neue Medium entworfene Gebäude.

Und es erfüllte dessen Anforderungen perfekt, schon durch die variablen Innenwände, die bis heute fast alle benötigten Büro- und Studiogrundrisse erlauben – vom Mega-Maß eines modernen Newsrooms mit der darin konzentrierten journalistischen Arbeitskraft mal abgesehen. Daher erhielt denn auch das Programm Inforadio, zuvor unbequem in einem Außenpavillon untergebracht, vor zwei Jahren im rechten Innenhof einen neuen Anbau – mit geschwungenen Formen und viel Glas ein Kontrapunkt zur strengen Poelzig-Architektur, den die Denkmalpfleger aber akzeptierten.

Die Sendesäle müssen Poelzig besonders viel Kopfzerbrechen bereitet haben, beim Start fertig war nur der kleinere. Er ist weitgehend original erhalten und entzückt Sänger, Musiker, Tontechniker noch heute, dank umklappbarer Schalltafeln an den Wänden, die mal glattes Holz zeigen, mal gelöchertes und schallschluckendes Celofex-Material. So kann die Akustik variiert werden, je nachdem ob nun ein Klaviervirtuose die Töne perlen lässt oder eine Rockband losdonnert. Der Große Sendesaal war für Poelzig und auch die Baupolizei eine besondere Herausforderung und wurde erst viel später, nach einigem Experimentieren fertig. Hier ist nichts mehr original, das Interieur wirkt wie fünfziger Jahre, und das ist es auch, mit allen akustischen Finessen: die Sitze mit unterschiedlich gelochten Unterseiten, die Polster in den vorderen Reihen eher spartanisch, hinten dagegen wulstiger und zum Einkuscheln bequem – all dies Tricks, auf dass der Saal selbst halb leer so klinge, als sei er voll besetzt. 1086 Musikfreunde haben darin Platz, und der in der Höhe gestaffelte Orchesterbereich bietet Raum für 243 Musiker. Das Rundfunk-Sinfonieorchester hat hier seinen ständigen Probensaal und gibt auch Konzerte. Zudem finden die Kinderkonzerte des Deutschen Symphonie-Orchesters hier statt.

Neben Inforadio werden in dem Gebäude auch die Programme von Radio Berlin 88,8 und Kulturradio sowie Beiträge für Funkhaus Europa, einer Kooperation von WDR, Radio Bremen und RBB, produziert, dazu in einem Mini-TV-Studio die Nachmittagsnachrichten von RBB-aktuell – was nur konsequent ist, begann doch vom Haus des Rundfunks aus 1935 das erste regelmäßige Fernsehprogramm in Deutschland. Beim Start vor 80 Jahren kamen aus der Masurenallee zunächst die Programme der Funk-Stunde Berlin und der Deutschen Welle, dazu saß hier die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, eine Dachorganisation der regionalen Rundfunkgesellschaften Deutschlands.

Anfangs sahen sich die Rundfunkleute vor allem als Bildungsinstitution, fern der Tagespolitik – ein Trugbild, das schon 1932 mit der täglichen „Stunde der Reichsregierung“ Risse bekam und im Folgejahr mit der Instrumentalisierung des Mediums durch die Nazis endgültig zerstört wurde. Das Haus selbst immerhin musste in der Folge nicht dran glauben, obwohl es mit seiner markanten Form ein ideales Ziel für Bombenschützen darstellte. Das lag wohl daran, dass es bei der geplanten „Reeducation“ der Deutschen eine zentrale Rolle spielen sollte.

Aber nicht nur die jeweiligen politischen und militärischen Führer nutzten das Haus und gingen dort aus und ein, auch die Kulturgrößen ihrer Zeit waren hier zu Gast, Zarah Leander, Herbert von Karajan, Shirley Bassey, Nancy Sinatra, im Vorjahr auch die Popsängerin Katie Melua, die im Paternoster das Video zur neuen Single drehte. Schon wegen deren wie aufs Haus zugeschnittenem Titel dürfte es leicht gewesen sein, die Genehmigung zu erhalten: „A Happy Place“.

Am 25. Januar, 20.15 Uhr, zeigt das RBB-Fernsehen „Geheimnisvolle Orte: Das Haus des Rundfunks“. Am 13. Februar lädt der RBB zur Gratisveranstaltung „Offenes Haus und Feature-Lounge“ ein. Ab 13 Uhr werden im Stundentakt die fünf Teile der Radio-Serie „Das Haus des Rundfunks“ von Wolfgang Bauernfeind im Kleinen Sendesaal vorgeführt. Von 12 bis 17 Uhr gibt es zu jeder vollen Stunde Führungen (Tel. 030-97993-12497). Im Ch. Links Verlag erschien „Tonspuren. Das Haus des Rundfunks in Berlin“ von W. Bauernfeind.

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