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Für viele Jugendliche bleibt in der Pandemie nur der Gang zum Amt.

© imago/photothek

„Das ist das Corona-Plus“: Jugendarbeitslosigkeit in Berlin steigt um 44 Prozent

Nirgends ist die Quote der Jugendlichen ohne Job höher als in der Hauptstadt. Vor allem bildungsschwache Berufseinsteiger leiden unter den Folgen der Pandemie.

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Es sind dramatische Zahlen: In Berlin ist die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 44 Prozent gestiegen. Nirgends in Deutschland sind so viele Jugendliche ohne Arbeit wie in der Hauptstadt. Insgesamt, das geht aus dem neuen Arbeitslosenreport der Agentur für Arbeit hervor, waren im November 17791 Menschen zwischen 15 und 25 Jahren ohne Job.

Das entspricht einer Quote von 10,9 Prozent, in den beiden Vormonaten lag der Wert sogar bei mehr als elf Prozent. Im Bundesdurchschnitt sind es nur fünf Prozent, in Brandenburg waren es im November 6,7 Prozent.

Das ist das Corona-Plus“, ist sich Holger Seibert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei der Bundesagentur für Arbeit sicher. Die Pandemie habe viele Ausbildungsplätze, zum Beispiel in der Gastronomie, zerstört, Jobmessen hätten nicht stattgefunden, viele kleinere Hilfsjobs seien weggefallen. „Dieser Jahrgang hatte schlechte Chancen“, sagt Seibert, der aber bereits erste Entspannungen erkennt und hofft, dass sich der Arbeitsmarkt für Berufseinsteiger nach der Pandemie wieder erholt.

Doch das Problem ist nicht neu in Berlin. Schon vor Corona galt die Hauptstadt als Brennpunkt der Jugendarbeitslosigkeit. Eine generelle Schwierigkeit großer Städte, glaubt Seibert. Hinzu komme, dass es in Berlin weniger Ausbildungsplätze und Industriebetriebe gebe. Betroffen sei vor allem eine Gruppe: „Es sind die bildungsschwachen Jugendlichen, die schwer unterzubringen sind.“

Jugendliche mit Migrationshintergrund haben größere Probleme

Tatsächlich liegt Berlin mit rund zehn Prozent auch bei den Schulabbrechern bundesweit an der negativen Spitze. Oft, aber nicht immer, handle es sich um Jugendliche mit Migrationshintergrund. Diese würden häufiger aus dem Bildungssystem fallen. „Das Problem sind die bildungsfernen Familien, wo kein Deutsch gesprochen wird“, sagt Seibert. Dabei handle es sich meist um Menschen, die bereits in dritter oder vierter Generation in Deutschland leben. Die Gründe reichen laut Seibert bis in die 1960er Jahre zurück, als das Wirtschaftswunderland Deutschland gezielt unqualifizierte Arbeitskräfte aus der Türkei und Südeuropa warb, die in den Fabriken gebraucht wurden. „In diesen Familien wird Bildung oft nicht als Chance begriffen.“

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Jürn Jakob Schultze-Berndt sieht das anders. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion ist überzeugt, dass es bei den jungen Arbeitslosen nicht nur um bildungsferne Migranten handelt. „Das sind auch Menschen, die nach dem Abitur nicht mehr in Australien reisen können und jetzt einfach rumhängen.“ Er beobachte dieses Phänomen seit Jahren.

"Dass jemand überhaupt nichts macht, ist nicht akzeptabel"

In Berlin liege das Durchschnittsalter der Ausbildungsbeginner bei 21,3 Jahren - in Bayern bei 18. Für den CDU-Politiker verlorene Jahre. „Dass jemand überhaupt nichts macht, halten wir für nicht akzeptabel“, sagt er und schlägt eine Ausbildungspflicht vor. Wer vor der Volljährigkeit die Schule beende oder abbreche, müsse verpflichtend eine Ausbildung beginnen, auch Arbeit im Kibbuz oder ein freiwilliges soziales Jahr sei möglich. Nur „Sofa“ sei jedenfalls keine Option. „Natürlich ist das ein Eingriff in die Freiheit, aber Rumsitzen führt direkt in die Altersarmut“, sagt er und schlägt eine Verlängerung der Schulpflicht vor.

In der Bildungsverwaltung ist man dem nicht völlig abgeneigt. „Die Bildungssenatorin macht sich weiter für ein elftes Pflichtschuljahr stark“, sagt ein Sprecher. Auch nach Jahren der Diskussion gibt es dazu aber keine Entscheidung. Ausbildungsplätze müssten zudem die Unternehmen schaffen, man könne nur bei Beratung und Vermittlung unterstützen.

Inzwischen ist das Thema Chefsache. Am Freitag wollen der Regierende, die Sozial- und Bildungssenatorinnen sowie die Wirtschaftsvertreter zu einem Arbeitsmarkt-Gipfel im Roten Rathaus zusammenkommen.

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