zum Hauptinhalt
Dirk Behrendt (Grüne), Justizsenator von Berlin.

© Christophe Gateau/dpa

Exklusiv

Justizsenator erhöht Druck auf Geldwäscher: Berlin will weitere Clan-Immobilien endgültig einziehen – auch Mietwohnungen

Ein Neuköllner Clan erwarb aller Wahrscheinlichkeit nach mit illegalen Profiten 77 Immobilien. Sechs davon sollen bald endgültig dem Staat gehören.

Vielleicht ändert sich die Lage tatsächlich bald - aber noch ist die Bundesrepublik das gelobte Land der Geldwäscher. Illegale Vermögen aus Betrug, Schmuggel, Raub können in Deutschland leichter investiert werden als in anderen EU-Staaten. Finanzermittler und Fachpolitiker weisen immer wieder darauf hin, dass mit Beute aus dem In- und Ausland gern deutsche Immobilien gekauft werden - insbesondere in Berlin.

Nun kündigt Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) an, den Druck auf Geldwäscher zu erhöhen. Im Fokus stünden die für Immobiliengeschäfte zwingend nötigen Notare. Das sagte Behrendt dem Tagesspiegel.

„Unser Ziel ist, dass die Arbeit der Notare nächstes Jahr wieder effektiver von Fachleuten geprüft wird, denn das wurde kürzlich durch eine kleine, aber gefährliche Gesetzesnovelle erschwert“, sagte Behrend. „Notare sind bei Immobilienkäufen entscheidend - und nach unseren Erkenntnissen arbeiten nicht alle von ihnen korrekt, indem sie Geldwäsche-Fälle eben nicht melden.“

Deutschland wird von Finanzexperten als „Geldwäsche-Paradies“ bezeichnet, weil niemand die Herkunft seines Vermögens erklären muss. Das betrifft auch große Bargeldsummen. Banden- und gewerbsmäßig arbeitende Täter verschleiern die Herkunft ihres Geldes oft über Immobilien, Auto- und Schmuckhandel. Banken, Notare, Makler, Juweliere und Autohändler sind zwar verpflichtet, Geldwäsche-Versuche der zuständigen Zollstelle - der Financial Intelligence Unit (FIU) - zu melden.

Finanzermittler suchen die Tat zum Geld, sonst behält es der Verdächtige

Doch erstens ist die Bereitschaft zum Melden verschieden stark ausgeprägt. Und zweitens müssen die Strafverfolger verdächtiges Vermögen dann noch plausibel Taten zuordnen. Sonst dürfen die Verdächtigen das Geld behalten.

[Immer konkret und schon über 250.000 Abos: Hier gibt es die Tagesspiegel-Newsletter für jeden Berliner Bezirk - jetzt kostenlos: leute.tagesspiegel.de]

Es gibt Schätzungen, wonach in Deutschland pro Jahr 100 Milliarden Euro Schwarzgeld investiert werden - nur ein Prozent wird demnach entdeckt. Wohnungen und Grundstücke gelten als besonders profitable Investitionen. Gerade in Berlin steigen Häuser seit Jahren im Wert. Zudem gibt es in Deutschland kein Transparenzregister, aus dem klar wird, wer welche Immobilie besitzt.

Anders als von Banken gab es aus der Immobilienbranche lange kaum Hinweise auf mögliche Geldwäsche. Von bundesweit 115.000 Verdachtsmeldungen an die zuständige FIU-Stelle beim Zoll kamen 2019 gerade 84 von Maklern und 17 von Notaren. Berliner Finanzermittler berichten davon, dass ein erfahrener Notar einen Hauskauf mit falschen Ausweisen beurkundete und danach sagte: „Ich bin kein Passsachverständiger.“ Der Notar ist weiter tätig.

Zwar müssen auch Notare einen Fall der FUI beim Zoll melden, wenn sie Hinweise auf geplante Geldwäsche haben. Doch weil eben nur wenige Meldungen kamen, hat Berlins Justiz 2020 eine Task Force eingesetzt, die stichprobenartig die Arbeit der Notare prüfte. Diese staatliche Notaraufsicht durfte Finanzermittler auch dann schon informieren, wenn sie bloß einen Verdacht hatte.

Im Juni änderte der Bundestag das Geldwäschegesetz - nun reicht auch für die Kontrolleure ein Verdacht nicht mehr aus, um einen Vorgang den Strafverfolgern zu melden. Leider habe der Bundesgesetzgeber dem Staat damit „vermutlich auf Druck der Notare“ ein wichtiges Instrument genommen, sagte Senator Behrendt.

Notarkammer: Haben 3000 Verdachtsfälle auf Geldwäsche gemeldet - allein dieses Jahr

Die Bundesnotarkammer, die alle Angehörigen des Berufs vereint, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Es gebe keine Kultur des Wegschauens - im Gegenteil, man nehme „das Thema Geldwäsche sehr ernst“, teilte die Kammer auf Anfrage mit.

Bis 2020 allerdings habe ein „allgemeiner Verdacht“ für eine Meldung an die FIU des Zolls wegen der Verschwiegenheitspflicht der Notare nicht ausgereicht. Dann seien die Hürden für eine Geldwäsche-Meldung deutlich gesenkt worden. „Seither hat sich die Zahl der von Notaren gemeldeten Geldwäsche-Verdachtsfälle drastisch erhöht: von Zahlen im zweistelligen Bereich 2019 auf nach unseren Erkenntnissen mehr als 3000 Meldungen in diesem Jahr“, sagte Martin Thelen von der Bundesnotarkammer dem Tagesspiegel.

[Lesen Sie mehr: Millionen aus Drogenschmuggel, Erpressung, Goldmünze: Das dreiste Spiel der Geldwäscher in Deutschland (T+)]

Die Forderung des Justizsenators, die Kontrolle über die Notare wieder zu verschärfen, lehnt die Kammer ab: Es sei vielmehr richtig, dass die Voraussetzungen für eine Meldung durch die Aufsichtsbehörden nun dieselben seien wie für die Notare selbst.

Berlins Justiz befasst sich dieser Tage erneut mit dem bislang bekanntesten Fall zweifelhafter Immobilienkäufe: Ein Neuköllner Clan erwarb aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Beute aus Einbruch, Diebstahl, Hehlerei insgesamt 77 Immobilien. Diese wurden 2018 von Berlins Justiz vorläufig konfisziert. Zwei der Immobilien, die Hauptvilla der Großfamilie und ein Nebenareal, sprach das Kammergericht 2020 final dem Land zu.

„Nun bereiten unsere Fachleute für sechs weitere Immobilien das endgültige Einziehen vor“, sagte Behrendt. „Dazu liegt beim Landgericht ein Antrag vor.“

Tempelhof, Britz, Lichterfelde - Justiz will sechs Clan-Immobilien endgültig einziehen

Bei den sechs Immobilien handelt es sich nach Tagesspiegel-Informationen vor allem um vermietete Wohnungen in Tempelhof, Neukölln-Britz und Lichterfelde. Mieteinnahmen aus konfiszierten Häusern zieht Berlins Justiz seit 2019 vorläufig ein, nun sollen die Wohnungen endgültig dem Land überschrieben werden. Das dauert deshalb so lange, weil der Gesetzgeber erst 2017 erleichtert hat, aus Straftaten finanziertes Vermögen dauerhaft einzuziehen. Viele Fragen dazu sind juristisches Neuland und ziehen Prozesse nach sich.

Begehrte Währung. In Berlin wurden zuletzt auch 2,3 Millionen US-Dollar Schwarzgeld beschlagnahmt.
Begehrte Währung. In Berlin wurden zuletzt auch 2,3 Millionen US-Dollar Schwarzgeld beschlagnahmt.

© Imago-images/BaynexStanley

Insgesamt sind 45 der genannten 77 Objekte derzeit Wohn- oder Nutzraum, der verwaltet werden muss. Bislang sind jene Hausverwaltungen zuständig, die noch von den polizeibekannten Ex-Besitzern eingesetzt wurden. „Auch da gehen wir ran“, sagte Behrendt. „Denn es fand eine Entwertung der Immobilien statt, weil die Hausverwaltungen ihren Job nur nachlässig verrichteten. Das taten sie wohl auch, weil die Wohnungen und Grundstücke vom Land sichergestellt waren, die Eigentümer also nicht mehr von den Immobilien profitierten.“

Das Land beauftrage nun die Berliner Immobilienmanagement GmbH, also die landeseigene BIM, mit dem Verwalten. Langfristig kämen als Eigentümer und Verwalter landeseigene Wohnungsbaugesellschaften infrage. Insbesondere im Bezirksamt Neukölln wird darüber debattiert, was aus den eingezogenen Häusern werden solle.

Bundesrechnungshof sieht hierzulande „keine wirksame Geldwäscheaufsicht“

Neben der Frage nach den Notaren drängt Justizsenator Behrendt auch darauf, die von der EU-Kommission avisierten Verschärfungen in Deutschland zügig umzusetzen. Brüssel plant eine zentrale EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie ein einheitliches EU-Regelwerk. Dazu soll eine Barzahlungsobergrenze von 10.000 Euro eingeführt werden. Auch Krypto-Währungen wie der Bitcoin sollen stärker reguliert werden, damit Transaktionen im Netz nachzuverfolgen sind.

Die Bundesregierung muss solche Vorgaben in nationale Regelungen umsetzen. Unklar ist, was noch in der Großen Koalition oder erst mit einem neuen Kabinett nach der Wahl im September gelingen wird. Der Bundesrechnungshof stellte jedenfalls 2020 fest, es gebe „keine wirksame Geldwäscheaufsicht“ und empfahl ein Bargeldverbot für Immobilien, damit der „Sogeffekt für inkriminierte Bargelder nach Deutschland“ nachlasse.

Bei allen bekannten Schwierigkeiten stelle sich Berlins Justiz auf das Abschöpfen illegalen Vermögens ein, sagte Senator Behrendt. Es entwickele sich eine Routine, nachdem Berlin vor drei Jahren die 77 Immobilien des Neuköllner Clans vorläufig konfisziert hatte. Eingezogen werden nicht nur Immobilien, die wahrscheinlich mit Beutegeld gekauft wurden, sondern auch Geld in bar sowie auf Konten, zudem Wertpapiere, Schmuck und Autos.

[Lesen Sie mehr: Ex-Bordell-Betreiber packt aus: Warum Berliner Clan-Kriminelle so oft zur Schusswaffe greifen (T+)]

Die Zahl der sogenannten Sicherungsmaßnahmen war im zweiten Halbjahr 2020 mit 1450 Fällen eher hoch, weil Berlins Justiz damals viele Verfahren wegen Corona-Hilfe-Betrugs führte. Im ersten Halbjahr 2021 waren es 1167 Fälle. Allerdings stieg der Betrag der vorläufig gesicherten Vermögenswerte von 12,4 Millionen Euro im letzten Halbjahr 2020 auf 13,4 Millionen Euro und fast 2,3 Millionen US-Dollar im ersten Halbjahr 2021.

Die endgültigen Einnahmen zugunsten des Landes, also gerichtlich bestätigte Vermögensabschöpfungen beliefen sich im zweiten Halbjahr 2020 auf fast 700.000 Euro, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf 1,2 Millionen Euro. Zahlreiche Urteile zu weiteren Vermögenswerten werden demnächst erwartet. Sichergestelltes Vermögen wird mitunter auch an Geschädigte zurückgegeben und zur Tilgung von Steuerschulden genutzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false