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Berlins Justizsenatorin Kreck will das mehrmalige Fahren ohne Fahrschein von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabstufen.

© imago / Bernd Elmenthaler

Berliner Senat will Druck machen bei Ersatzfreiheitsstrafen: Justizsenatorin Kreck will keine Haft bei Geldstrafen

Ab Juni werden wieder Ersatzfreiheitsstrafen für Schwarzfahrer verhängt. Berlin will sich für die Abschaffung der Strafregelung einsetzen.

Stand:

Wer wiederholt ohne Fahrschein mit Bus und Bahn gefahren ist und nach einem Urteil die Geldstrafe nicht zahlen kann, muss seine Ersatzfreiheitsstrafe wieder hinter Gittern absitzen.

Am Dienstag endete die coronabedingte Aussetzung des bisherigen Verfahrens. Indem die Ersatzfreiheitsstrafen seit Beginn der Pandemie mehrfach ausgesetzt worden waren, sollte die Fluktuation in den Gefängnissen und damit die Infektionsgefahr gesenkt werden.

„Für Berlin ist jetzt zu erwarten, dass die Zahl derer, die trotz einer verhängten Geldstrafe eine Freiheitsstrafe verbüßen müssen, in den kommenden Wochen wieder ansteigen wird“, sagte eine Sprecherin der Justizverwaltung. Im Jahr 2019, also vor Corona, saßen durchschnittlich 318 Straftäter ständig im Haus A der Justizvollzugsanstalt Plötzensee ihre Ersatzfreiheitsstrafe ab. Im ersten Coronajahr 2020 waren es 168 und 2021 dann 190.

Es sind aber nicht nur Menschen, die wegen mehrfachen Fahrens ohne Ticket verurteilt wurden, sondern auch überwiegend ärmere Menschen, Obdachlose oder Drogenabhängige, die wegen kleinerer Delikte wie Diebstahl oder Drogen vor Gericht kamen.

Die Länge der Ersatzfreiheitsstrafe hängt von der Höhe der Geldstrafe ab. Wenn es 40 Tagessätze zu zehn Euro sind, müsste der Verurteilte 400 Euro zahlen und bei der Ersatzstrafe 40 Tage ins Gefängnis. Ein Haftplatz kostet laut Justizverwaltung pro Tag 200 Euro.

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Zehn Prozent der Häftlinge in Deutschland verbüßen eine Ersatzfreiheitsstrafe.

Deutschlandweit wurden im Vor-Corona-Jahr 2019 46 000 Menschen wegen des „Erschleichens von Leistungen“ verurteilt. Auf Fälle wie Bagatelldiebstahl entfallen etwa 60 000. Die Ampelkoalition im Bund will die Ersatzfreiheitsstrafe für Fahren ohne Ticket abschaffen.

Einigkeit in die Praxis umsetzen

Möglich wäre, es zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Geldbußen wären weitaus geringer. Doch wer auch die nicht zahlt, müsste am Ende ebenso ins Gefängnis – und das Bußgeld wäre dadurch noch nicht bezahlt. Generell will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), dass Ersatzfreiheitsstrafen vermieden werden

„Leider ist bisher auch die neue Bundesregierung über ein Bekenntnis nicht hinausgekommen“, sagte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Dienstag. Sie kündigte an, auf der am Mittwoch im bayerischen Hohenschwangau beginnenden Justizministerkonferenz erneut einen Beschlussvorschlag einzubringen, mit dem die Länder von der Bundesregierung eine Anpassung des Strafrechts fordern.

„An den Ersatzfreiheitsstrafen zeigt sich, dass wir für eine faire Justiz noch einiges zu tun haben“, sagte Kreck.

Wer wegen eines geringfügigen Vergehens zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, „sollte dafür gerade nicht im Gefängnis sitzen“. Darüber herrsche weitgehende Einigkeit. „Leider muss ich jedoch beobachten, dass sich diese Einigkeit bisher nicht in politische Praxis umsetzt“, sagte Kreck.

Ein „Bündnis zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe“ will bei der Justizministerkonferenz eine Petition mit 70.000 Unterschriften an Bundesjustizminister Buschmann übergeben. Die Initiative „Freiheitsfonds“ hat nach eigenen Angaben mithilfe von Spenden bereits 417 Menschen aus der Ersatzhaft freigekauft und Geldstrafen in Höhe von knapp 425 000 Euro beglichen.

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