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Justizsenatorin scheitert vor Gericht: Frühere AfD-Abgeordnete darf Richterin in Berlin bleiben
Die Justizverwaltung wollte Birgit Malsack-Winkemann wegen ihrer Reden in den Ruhestand versetzen. Das Gericht wies den Antrag mit deutlichen Worten zurück.
Stand:
Die Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann, die für die AfD vier Jahre im Bundestag politisch aktiv war, darf ihr Richteramt am Landgericht weiter ausüben. Das beim Verwaltungsgericht angesiedelte Richterdienstgericht wies am Donnerstag einen Antrag von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) zurück, Malsack-Winkemann vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen.
Richterinnen und Richter müssten zwar Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, sagte der Vorsitzende Richter Jens Tegtmeier zur Begründung. Die Justizverwaltung habe aber „nicht ansatzweise“ darlegen können, dass dies bei der Richterin nicht der Fall sei. Deren Äußerungen im Bundestag, etwa zum Thema Corona oder Migration, dürften von vornherein nicht herangezogen werden, um die Entlassung zu begründen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, das Land kann noch in Berufung gehen.
Für Bundestagsabgeordnete gilt „Indemnität“
Entscheidend für den Streit war eine Vorschrift aus dem Richtergesetz, nach der ein Richter ausnahmsweise in den Ruhestand geschickt werden darf, „wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.“
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Zugleich gilt für Bundestagsabgeordnete der Grundsatz der „Indemnität“, der den Mandatsträgern eine politische Redefreiheit sichern soll. Das Grundgesetz bestimmt in Artikel 46, dass Abgeordnete „zu keiner Zeit“ wegen ihrer Worte im Parlament gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestags zur Verantwortung gezogen werden dürfen. Eine Ausnahme sieht die Verfassung nur bei „verleumderischen Beleidigungen“ vor. Richter bleiben zwar auch als Abgeordnete Richter, ihre Rechte und Pflichten ruhen aber für diese Zeit.
Erst ließ Kreck die Rückkehr zu, dann prüfte sie noch mal
In diesem Spannungsfeld bewegt sich Senatorin Kreck mit ihrer Maßnahme. Sie hatte dem Rückkehranspruch von Birgit Malsack-Winkemann in ihren früheren Job zunächst stattgegeben. Später habe dann aber eine „Überprüfung“ ergeben, dass eine solche Maßnahme dennoch erforderlich sei, erläuterte eine Vertreterin der Justizverwaltung in der Verhandlung.
Im Ergebnis wurde der Richterin vorgehalten, dass sie Flüchtlinge ausgegrenzt und abgewertet habe. Sie propagiere ein „kulturell homogenes Staatsvolk“, zeige Sympathien zum - formal aufgelösten und in Teilen extremistischen - „Flügel“ der Partei und könne daher nicht mehr auf ihre alte Stelle zurückkehren.
Von den Vorwürfen blieb nichts übrig
In der rund einstündigen Verhandlung ließ das Gericht von den Vorwürfen nichts übrig. Der Vorsitzende erläuterte, dass das Gericht nur sehr selten zusammentreten müsse, um über solche Anträge zu befinden. Rechtsprechung dazu gebe es kaum, Tegtmeier sprach von einem Urteil des Bundesgerichtshofs, bei dem Verbindungen ins Rotlichtmilieu als zulässiger Grund für eine Versetzung in den Ruhestand erachtet wurde.
Der Berliner Fall liegt aus Sicht des Gerichts aber anders. Der Grundsatz der „Indemnität“ gelte - anders als die Justizverwaltung meine - ohne jede Einschränkung. Eine Verwertung der Aussagen im Bundestag bleibe deshalb verboten. Andere Indizien für verfassungswidrige Einstellungen, etwa Posts in sozialen Netzwerken oder andere öffentliche Auftritte dürften zwar herangezogen werden, gäben aber nichts her: So gehörten etwa Fotos mit anderen Abgeordneten zum politischen Geschäft, auch wenn sie die Frau mit mutmaßlichen „Flügel“-Politikern zeigten.
Die Vertreterin der Senatsverwaltung hatte argumentiert, dass es eine Handhabe dafür geben müsse, wenn sich Richter von der Verfassung entfernten: „Sollte ein Richter Recht sprechen, der sich für die Abschaffung der Religionsfreiheit einsetzt?“ Vor solchen Fragen dürften nicht die Augen verschlossen werden, auch wenn der Behörde klar sei, dass hier „juristisches Neuland“ betreten werde.
Die Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus forderte anlässlich des Urteils, das Instrument der Richteranklage in der Landesverfassung festzuschreiben.. Es sei eine Überprüfung nötig, wenn ernsthafte Zweifel an der Verfassungstreue bestehen.
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