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Treffen außerhalb der Schule bilden unter Umständen ein größeres Infektionsrisiko als die Unterrichtssituation.

© IMAGO

Ostern in Berlin: In Berlin wird auch Karfreitag getanzt

Das Tanz- und Konzertverbot an Karfreitag wird in der Stadt nahezu gar nicht umgesetzt. Das Gesetz ändern will aber kaum jemand.

Sie heißen Heaven Shall Burn und so klingt auch ihre Musik: Donnernde Akkorde, trommelfellzerfetzendes Doppelbassschlagzeug und grummelnder Gesang. In den Texten geht es um den Aufstand gegen Autoritäten, darunter auch die Kirche. „You are not my god“, zu deutsch „Du bist nicht mein Gott“, heißt es in einem ihrer Lieder. Unchristlicher geht es also kaum.

Ausgerechnet diese Band wird aber am Karfreitag in Berlin im Huxley's Neue Welt spielen – an dem Tag also, an dem bundesweit Tanzverbot herrscht. Nun kann man streiten, ob das Rumgehüpfe und Mit-den-Armen-Gerudere – also das Pogen – als Tanz bezeichnet werden kann oder ob das Gitarrengewitter wirklich Musik in den Ohren des Zuhörers ist.

Eindeutig dagegen ist die Gesetzeslage: Neben Tanzveranstaltungen sind „in Räumen mit Schankbetrieb musikalische Darbietungen jeder Art“ nicht zugelassen. So steht es in der Berliner Verordnung über den Schutz der Sonn- und Feiertage aus dem Jahr 2004.

Tanzverbot? Nie gehört

Eine Nachfrage beim Konzertveranstalter trifft auf Unverständnis. Vom Tanzverbot hat man hier noch nie gehört. Das ist symptomatisch für Berlin: Schaut man in die Veranstaltungskalender, finden sich zahlreiche Konzerte und Partys, von der Philharmonie bis zum Sage Club. Dabei kommen den Veranstaltern allerdings zwei Umstände entgegen: Das Tanzverbot gilt nur von 4 bis 21 Uhr – zu dieser Zeit ist der Berliner Partygänger meist noch vor dem Schminkspiegel oder bestenfalls beim ersten Bier in der Bar, denn tanzen geht man frühestens ab Mitternacht.

Der Interessenverband der Berliner Clubs, die Clubcommission, hält das Verbot deswegen für wenig relevant. Einige Clubs hätten Ausnahmegenehmigungen für die Zeit nach 4 Uhr. Außerdem haben die Bezirke an einem Freitag vor um 4 Uhr und nach 21 Uhr meist anderes zu tun, als bei Clubs und Konzerthäusern anzuklopfen.

Aus dem Ordnungsamt Neukölln, zuständig für das Huxley’s, kommt eine schriftliche Antwort: „Die staatlichen Behörden, wie z.B. das Ordnungsamt oder die Polizei, sind grundsätzlich nicht in der Lage die Einhaltung sämtlicher Vorschriften bereits im Vorfeld präventiv zu überwachen“. Hinweisen gehe man allerdings nach.

Hessen hat 15 Tanzverbots-Tage

Veranstalter und Fans sind froh über diese Politik. Die Tatsache, dass die Veranstalter das Verbot zum Teil nicht einmal zu kennen scheinen, Konzerte und Parties gut besucht sind, weist darauf hin, dass es nicht nur den Behörden, sondern auch Berliner Bürgern recht egal ist, ob ein religiöser Feiertag stattfindet oder nicht.

Wenn man es nicht schafft solch ein Verbot umzusetzen, dann sollte man so konsequent sein und den Tag nur noch für Christen aus religiösen Gründen freigeben. Der Rest kann dann tanzen gehen, aber auch eben zur Arbeit. Heißt ja auch Feiertag und nicht bezahlter Urlaubstag.

schreibt NutzerIn sportfre

Ohnehin fährt Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern eine eher lasche Strategie: Während das Tanzverbot hier nur an drei Tagen gilt (neben Karfreitag auch am Totensonntag und am Volkstrauertag) ist Hessen Spitzenreiter mit 15 „stillen“ Feiertagen. An Karfreitag und -samstag herrscht sogar ganztägiges Tanzverbot, andere Bundesländer verhängen an mehreren Tagen im Jahr Verbote von 2 bis 24 Uhr.

Im Mai 2016 beschloss die Berliner SPD auf ihrem Parteitag, das Tanzverbot ganz abschaffen zu wollen – geschehen ist seitdem im Abgeordnetenhaus aber nichts. Der clubpolitische Sprecher der Grünen, Georg Kössler, sieht allerdings keinen Handlungsdruck: „Es ist gut, dass die Bezirke das Verbot nicht durchsetzen und sich der Lebensrealität der Berliner anpassen.“ Sollten einzelne Ordnungsämter allerdings damit beginnen, Bußgelder zu verhängen, müsste die Landespolitik die Verordnung ändern.

Das sieht die CDU anders. Cornelia Seibeld ist religionspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion und hält den Karfreitag für schützenswert. „Wir nehmen auf zahlreiche Minderheiten Rücksicht“, sagt sie. „Da erschließt es sich mir nicht, dass wir nicht auf mehrere Hunderttausend Christen Rücksicht nehmen können.“ Der stille Charakter des Tages sollte bewahrt werden.

Auch Grünen-Mann Kössler meint: „Ein Rave neben der Kirche muss es jetzt nicht geben.“ Er stimmt der Clubcommission zu: „Wir respektieren Religionen und Traditionen, halten Verbote aber für einen falschen Weg, um diese Andersdenkenden aufzuoktroyieren, zumal die Veranstaltungen in geschlossenen Räumen stattfinden, von denen man sich fernhalten kann.“

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