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Nachdem Wakeboard-Weltmeister Christopher Klein sein Können zeigte, durften sich auch die Besucher der Jugendmesse "You" auf dem wackligen Brett ausprobieren.

© dpa

Jugendmesse "You" in Berlin: Karneval der Jugendkulturen

Von allem ein bisschen zu viel: Tausende Teenies besuchen die Jugendmesse „You“. Es dreht sich um Selfies und Schminktipps, Youtube-Stars und den perfekten Karriereplan.

Wie hundert Klassenfahrten gleichzeitig, kreischend und haarezuppelnd, mit Leggings und Selfiestangen, stürmen die ersten Teenies das Messegelände. Freitag, erster Tag, die Sonne knallt.

An diesem Wochenende lockt die Jugendmesse „You“ wieder tausende Jugendliche an. Mittendrin, ein Mann mit grauem T-Shirt, Sportschuhen und zurückgegelten Haaren. In der Hand eine Wasserflasche. Das wird ein hartes Wochenende. Daniel Barkowski, 41, Projektleiter. Noch sieht er frisch aus.

Es ist die 16. Jugendmesse in Berlin, er ist seit zehn Jahren dabei. Was hat sich verändert? „Früher gab die Bravo die Trends vor,“ sagt er, „heute machen das die Jugendlichen selbst.“ Zum Beispiel Youtube. Das Phänomen kann er auch nicht so richtig nachvollziehen. „Aber auch ich gucke mir Tutorials an, wie man die Heizung entlüftet.“ Damit ist er eher ein Exot in der Youtuberwelt. Die meisten Erklärvideos drehen sich um den perfekten Lidstrich oder superhippe Handtaschen. Mit Klickzahlen im Millionenbereich. „Mit Leuten wie Dagi Bee können sich Teenies viel besser identifizieren als mit Heidi Klum“. Jugendliche können schauen, was ihnen gefällt, bekommen es nicht vorgesetzt wie im Fernsehen. Youtuber haben keine Redaktion, die Videos entstehen im eigenen Zimmer. Alles ist echt, oder sieht zumindest so aus.

Und weil der Kontakt zwischen Youtube-Macher und Youtube-Gucker deutlich intimer ist als zwischen Günther Jauch und seiner Zielgruppe, wurden die Stars der Szene zur Autogramm- und Selfiestunde nach Berlin geladen. Richtig bizarr könnte das dann am Samstag werden, wenn sich tausende überdrehte Kids mit ihren Internethelden fotografieren lassen wollen. „Früher wollten die noch Bands sehen, jetzt nur ihre Youtuber live erleben“, sagt Barowski. Leila ist 13, trägt ein rosa Top mit dem weißen Aufdruck „#Selfie“ und eine knappe weiße Hose. In der Hand eine schwarze Plastikstange, an der ihr Smartphone befestigt ist. Das nennt man Selfiestick und ist dazu da, noch tollere Fotos von sich selbst zu machen. Zu ihrer Clique gehören Cem – Undercut-Frisur, Röhrenjeans, Hemd bis in die Kniekehlen – und Laura – bauchfrei, schwarze Hose, runde Sonnenbrille, Hosenträger. Sie kommen aus Neuruppin. Hipster von morgen. „Wallah es gibs noch Plätze“, ruft Cem und die drei verschwinden.

In der Mitte der Halle machen sich die Flying Steps warm, eine Hip-Hop-Tanzgruppe aus Berlin. Auf der Jugendmesse finden am Wochenende auch die Berliner Streetdance Meisterschaften mit über 90 Gruppen und über 1000 Teilnehmern statt. „Tanz hat in den vergangenen zehn Jahren immer funktioniert“, sagt Barkowski. Er möchte, dass die Teenies neue Sportarten ausprobieren. „Ich geh gleich ne Runde Wakeboardfahren.“ Hinterher!Denn zum ersten Mal ist auch der Sommergarten geöffnet. Englischer Rasen, in Erwartung, von Teenies zertrampelt zu werden. In der Mitte ein riesiger Pool mit Wakeboardanlage. Ein Wakeboard ist wie ein Surfbrett, das an den Füßen befestigt ist. Mit den Händen hält man sich an einer Stange fest und wird durch das Wasser gezogen. Wer gut ist, springt bis zu fünf Meter hoch und macht Saltos. Wie der 19-jährige Wakeboard-Weltmeister Christopher Klein, der am Freitag sein Können zeigte.

Neben all dem „Fun“, der auf der Internetseite versprochen wurde, gibt es auch eine Karriere-Halle. Das erinnert an den Werbespruch: „Vitamine und Naschen“, funktioniert allerdings ziemlich gut. Es gibt Bewerbungstipps und Berufswahltests, Ausbildungsbetriebe stellen sich vor. Dafür haben die Unternehmen ihre hippesten Azubis losgeschickt. Viele Bärte, Brillen und Undercuts, überall gibt es was umsonst. „Voll geil, macht mega Spaß,“ sagt ein Handelsfachmann mit Tunnel im Ohr. An seinem Stand kann man Selfies machen und ausdrucken. Also Fotos, aber das würde langweilig klingen.

Neben einer Popcornmaschine steht ein Wagen in Tarnfarben. Er sieht aus wie ein Panzer, es sei aber nur ein „GDK Boxer Gruppentransporter" erklärt ein blonder Soldat. Kann man sich hier auch verpflichten? „Die Seelenfänger sind woanders“, sagt er. Da schauen wir doch mal nach. „Wir wollen uns als positive Einheit vorstellen“, sagt die Oberstabsgefreite Hülya Yücel von der Marine. „Rekrutierung ist nicht unser Hauptziel.“ Vor dem Messegelände halten Aktivisten: „Keine Bundeswehr auf der You“-Plakate hoch. Die „You“ ist nicht nur was für Teenies auf der Suche nach Orientierung, sondern auch für Erwachsene mit Interesse an Feldforschung über die Jugend von heute. „Ungeschminkt kommen, geschminkt gehen“, ruft ein Moderator und verweist auf einen Stand. Das könnte das Motto der Messe sein. Von allem ein bisschen zu viel.

Die Jugendmesse „You“ ist bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eingang: Halle 21, Hammerskjöldplatz, Tagesticket 10 €

Simon Grothe

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