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Blick auf die gesperrte Autobahn am Dreieck Funkturm.

© dpa/Jens Kalaene

„Katastrophal vorbereitet“: Berliner Bezirk ist nach Brückensperrung sauer auf die Autobahn-Gesellschaft

Die kurzfristige Sperrung der Stadtautobahn stürzt den Berliner Verkehr ins Chaos. Auch, weil kein Konzept vorliegt. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf macht dem Bund schwere Vorwürfe.

Stand:

Die plötzliche Sperrung der Autobahnbrücke im Berliner Westen hat am Donnerstag nicht nur auf den Straßen zu Chaos geführt. Auch hinter den Kulissen gab es ein großes Durcheinander.

Als „katastrophal vorbereitet“ bezeichnete der stark betroffene Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die A100-Sperrung in einer Pressemitteilung. Der Bezirk nehme „mit großem Unverständnis zur Kenntnis, dass die zuständige Autobahn GmbH auch zehn Tage nach der Teilsperrung der A100 kein tragfähiges Umleitungskonzept vorlegen kann, obwohl sie seit Jahren über die kritische Situation der Autobahn Bescheid weiß“.

Wegen der „Untätigkeit der Autobahngesellschaft“ habe der Bezirk selbst Maßnahmen ergriffen, um Kiezstraßen vom Verkehr zu entlasten. Auch wenn man dafür nicht zuständig sei.

Stadtrat wirft Autobahn-Gesellschaft Arbeitsverweigerung vor

Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) echauffierte sich, dass Vertreter der bundeseigenen Gesellschaft noch am Donnerstagmittag in einer Pressekonferenz erklärten, nur für die Autobahn selbst, nicht jedoch für ein Umfahrungskonzept auf den Stadtstraßen zuständig zu sein. Das sei „pure Arbeitsverweigerung“, sagte der Bezirkspolitiker.

Denn laut Bundesfernstraßengesetz liege die Verantwortung klar bei der Autobahngesellschaft. Tatsächlich habe sich die Behörde jedoch „bis heute nicht“ bei ihm gemeldet, um ein Konzept zu besprechen, erklärte Schruoffeneger.

Autobahn GmbH rechnete nicht mit schneller Vollsperrung

Dass die Autobahn GmbH erst kommende Woche Mittwoch ein Verkehrskonzept vorstellen will, wirft Fragen auf. Schließlich war spätestens seit der Teilsperrung bekannt, dass die Brücke komplett dicht gemacht werden könnte. Vertreter der Gesellschaft selbst erklärten damals, dass eine Vollsperrung schon innerhalb der kommenden zwei Wochen drohe.

Offenbar wurden diese jedoch nicht überall innerhalb des Bundesbetriebs ernst genug genommen. Dem Vernehmen nach habe man damit gerechnet, dafür noch mehrere Monate Zeit zu haben, hieß es aus mit der Sache vertrauten Kreisen. Von einer so schnellen Vollsperrung sei man nicht ausgegangen. „Da war nichts vorbereitet.“

Die Entscheidung sei demnach am Mittwoch vor allem auf Druck von Brückeningenieuren durchgesetzt worden, die sich ernste Sorgen um den Zustand des Bauwerks gemacht hätten. Auch deshalb kam die Ankündigung zur Sperrung am späten Mittwochnachmittag so plötzlich und mit wenig zeitlichem Vorlauf.

Berlin drohe „ein Verkehrskollaps“, warnte Martin Koller, Verkehrsvorstand im ADAC Berlin-Brandenburg. Die Vollsperrung der Ringbahnbrücke treffe die Hauptstadt an einem neuralgischen Punkt.

Die Folgen davon seien bis tief ins Stadtzentrum zu spüren. Selbst auf den Bundesstraßen im Süden Berlins und der südlichen Autobahn A10 habe die Belastung „dramatisch“ zugenommen.

Unternehmensverbände warnen vor unabsehbaren Kosten

Als „Vollkatastrophe“ für die Stadt und die Wirtschaft in der Region bezeichnete Sven Weickert, Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände (UVB), die Sperrung. „Auf Jahre müssen Unternehmen und Handwerksbetriebe nun mit Staus, längeren Fahrzeiten und Behinderungen rechnen. Das wird unabsehbare Kosten nach sich ziehen.“

Der schlechte Zustand von Teilen der Stadtautobahn sei seit langem bekannt. Es sei „unverständlich“, warum die Planungs- und Genehmigungsverfahren sich schon über Jahre hinzögen und nicht beschleunigt werden konnten, sagte er.

Um ein Verkehrschaos zu vermeiden, forderte Weickert nun so schnell wie möglich leistungsfähige Ausweichstrecken. „Hier sind pragmatische Lösungen gefragt. Die Straßen im Umfeld der A100 müssen von Baustellen und anderen Hindernissen befreit werden.“ Bund, Senat und Bezirk müssten sich dazu eng abstimmen.

Gewerkschaft der Polizei: Sperrung bremst Rettungskräfte aus

Angesichts des zusätzlichen Verkehrs auf etlichen anderen Straßen in Berlin warnte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Stephan Weh, vor den Folgen für die Einsatzkräfte. „Dass das selbstverständlich auch die Eintreffzeiten von Polizei und Feuerwehr in großen Teilen der Stadt massiv nach oben treibt, muss jedem klar sein.“

Wo niemand durchkomme, könnten auch Funk- und Rettungswagen nicht einfach durchfahren. Nun sei dringend die Frage nach einer abgestimmten Verkehrsstrategie zu stellen.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) forderte auch mit Blick auf die Einsatzkräfte, auf anderen Straßen nun mehr Platz für den Autoverkehr zu schaffen. „Wir müssen uns anschauen, dass beispielsweise die Kantstraße wieder geöffnet werden muss“, sagte sie.

Neben Baustellen sei kurzfristig auch zu prüfen, ob erst vor kurzem aufgestellte Poller wieder entfernt werden könnten, „um die Durchlässigkeit beispielsweise der Sicherheitsbehörden zu garantieren“, erklärte Spranger.

Dem widersprach Grüne-Verkehrspolitikerin Antje Kapek. „Das ist eine populistische Debatte, die nur Leute und Interessen gegeneinander in Stellung bringen soll“, sagte sie. Spranger sei als Innensenatorin auch für die Verkehrssicherheit zuständig. „Auch ihr sollte daran gelegen sein, die Interessen aller Verkehrsteilnehmer zu verbinden“, erklärte Kapek.

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