
© picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow
„Keine Privatsache“: Das unternimmt der Berliner Senat für die Sicherheit von Frauen
Was hat sich in Berlin getan und was ist noch zu tun, um Gewalt gegen Frauen einzudämmen und zu verhindern? Der Tagesspiegel befragte Senatsmitglieder zum „Orange Day“.
Stand:
Am Dienstag wird der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“ („Orange Day“) begangen. Der Tagesspiegel hat Mitglieder des Berliner Senats gefragt, was sie in ihren Ressorts unternommen haben und wo sie noch Handlungsbedarf sehen, um das wachsende Problem zu bekämpfen.
Felor Badenberg (CDU), Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz

© Bernd von Jutrczenka/dpa
„Seit Amtsantritt habe ich den Kampf gegen Gewalt an Frauen zu einem meiner politischen Schwerpunkte gemacht. Wir haben beispielsweise einen Runden Tisch ins Leben gerufen, an dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, des Familiengerichts, des Opferschutzbeauftragten sowie weiterer Opferschutzorganisationen und der Jugendämter teilgenommen haben, um gemeinsam Fallkonferenzen zu ermöglichen.
In Fällen, in denen ein hohes Risiko für das Leben von Frauen besteht, arbeiten wir Hand in Hand mit staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen an maßgeschneiderten Schutzkonzepten.
Darüber hinaus bietet jährlich das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt Berlin-Brandenburg eine Vielzahl spezialisierter Fortbildungen, um Richter und Staatsanwälte zu schulen. Themen wie Stalking, Partnerschaftsgewalt, Kindeswohlgefährdung und der Umgang mit traumatisierten Personen stehen dabei im Fokus.
Neben dem Opferschutz und der konsequenten Strafverfolgung spielt auch Täterarbeit eine zentrale Rolle. Entsprechende Präventionsarbeit trägt dazu bei, Gewalt gegen Frauen zu verhindern. Nur durch diese ganzheitliche, ressortübergreifende Zusammenarbeit können wir die Gewaltspirale durchbrechen und den Betroffenen echten Schutz bieten. Ich bin daher sehr froh, dass es uns gelungen ist, trotz sehr angespannter Haushaltslage keine Kürzungen beim Opferschutz vornehmen zu müssen.“
Iris Spranger (SPD), Senatorin für Inneres und Sport
„Häusliche Gewalt ist keine Privatsache! Wir arbeiten intensiv daran, das Dunkelfeld dieser Straftaten aufzuhellen. Die steigende Zahl der angezeigten Fälle zeigt, dass immer mehr Frauen den Mut finden, Anzeige zu erstatten.
In Berlin haben wir Beratungsangebote ausgebaut, Hilfsangebote intensiviert und interdisziplinäre Fallkonferenzen etabliert. Besonders stolz bin ich auf die Kooperation mit dem Verein ‚Gewaltfrei in die Zukunft‘, der Betroffenen eine geschützte App für Hilfe bereitstellt. Ich setze mich für eine bundesweite Nutzung dieser App ein.
Mit der Novelle des Sicherheitsgesetzes wird die Polizei Berlin die Befugnis erhalten, das gegen den Gewalttäter verhängte Verbot zur Betretung der gemeinsamen Wohnung von 14 auf 28 Tage zu verlängern. Damit erhalten Opfer mehr Zeit, um beim Familiengericht Schutz auf Basis des Gewaltschutzgesetzes zu erlangen.

© dpa/Bernd von Jutrczenka
Außerdem wird das Polizeigesetz um eine Rechtsgrundlage zur gerichtlichen Anordnung der elektronischen Fußfessel ergänzt. Diese Regelung sieht vor, dass auch die gefährdete Person auf freiwilliger Basis technisch so ausgestattet werden kann, damit frühzeitig festgestellt werden kann, ob sich ihr die Person nähert, der dies untersagt wurde. Ein wichtiges Signal für den Opferschutz!“
Katharina Günther-Wünsch (CDU), Senatorin für Bildung, Jugend und Familie
„Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema, sondern eine Realität, die unsere Gesellschaft herausfordert. Eine freie und demokratische Gesellschaft zeigt sich auch daran, wie sicher Frauen in ihr leben können. Jede Form von Gewalt – im privaten Umfeld, im öffentlichen Raum oder in Einrichtungen – verlangt klare Aufmerksamkeit und entschlossenes Handeln.
Deshalb setzen wir in meiner Senatsverwaltung auf klare Schutzstrukturen, gut erreichbare Hilfsangebote und Prävention, die früh ansetzt und Wirkung zeigt. Prävention ist dabei in unseren Rahmenlehrplänen fächerübergreifend fest verankert und fester Bestandteil des schulischen Alltags.

© dpa/Fabian Sommer
Darüber hinaus unterstützen wir spezialisierte Angebote wie den Mädchennotdienst, Projekte gegen Zwangsverheiratung und Maßnahmen des Kinderschutzes bei sexualisierter und häuslicher Gewalt. Beratungsstellen wie Wildwasser leisten dabei unverzichtbare Arbeit und stellen sicher, dass Hilfe schnell, professionell und vertrauensvoll erfolgt.
Jede Frau und jedes Mädchen hat das Recht auf ein Leben frei von Angst und Bedrohung. Dafür setze ich mich ein – heute und an jedem anderen Tag.“
Cansel Kiziltepe (SPD), Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung
„Der Kampf gegen Gewalt an Frauen ist Kernaufgabe unseres Hauses. Ein zentrales Vorhaben ist dabei die Umsetzung der Istanbul-Konvention. Diese wird in Berlin durch den Landesaktionsplan mit 134 Maßnahmen umgesetzt und von meinem Haus koordiniert. Wir haben Beratungsangebote erweitert, mehr Unterstützungsangebote für Kinder in Frauenhäusern geschaffen, neue Fachberatungsstellen und mehr Personal ermöglicht.

© imago/IPON
In den Frauenhäusern und der Clearingstelle gibt es aktuell 196 Familienplätze mit 540 Betten für Frauen und ihre Kinder. In den Frauen-Schutzwohnungen stehen 17 Familienplätze mit 39 Betten zur Verfügung. Nach den Vorgaben der Istanbul-Konvention fehlen Berlin 173 Familienplätze. Die Kinderbereiche in Frauenhäusern haben wir deutlich ausgebaut.
Im ersten Quartal 2026 werden wir das neunte Frauenhaus mit etwa 55 Betten in Betrieb nehmen. Die Dringlichkeit, in diesem Bereich aktiv zu sein, zeigt sich zudem in der finanziellen Ausstattung unseres Hauses für Gewaltschutz-Projekte. Im Jahr 2020 wurden dafür 16,5 Millionen Euro bereitgestellt. 2026 werden es 36,7 Millionen Euro und 2027 weitere 42,2 Millionen Euro sein.
Es ist ein wichtiges Signal, dass die Regierungsfraktionen soeben die geplanten Haushaltskürzungen im Gewaltschutz für Frauen zurückgenommen haben. Nun stehen dafür 16 Millionen Euro für weitere Frauenschutzplätze bereit. Aus dem Sondervermögen sind weitere zehn Millionen Euro für das zehnte Frauenhaus eingeplant.“
Christian Gaebler (SPD), Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
„Gewalt gegen Frauen bleibt eine drängende gesellschaftliche Herausforderung, die nur ressortübergreifend lösbar ist. Als Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenStadt) leisten wir hierzu einen entscheidenden Beitrag, indem wir die räumlichen und wohnungspolitischen Voraussetzungen für besseren Schutz gewaltbetroffener Frauen stärken und den Zugang zu dauerhaft sicherem Wohnraum verbessern.
Mit der aktuellen Kooperationsvereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen haben wir erstmals verbindlich festgelegt, dass von Gewalt betroffene und bedrohte Frauen als besondere Bedarfsgruppe bei der Wohnungsvergabe gesondert berücksichtigt werden.
Über das Programm ‚Wohnraum für soziale Träger‘ schaffen wir zudem die Möglichkeit, neue Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen zu fördern. Frauen in Schutzunterkünften erhalten mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) mit besonderem Wohnbedarf einen klar priorisierten Zugang zu Sozialwohnungen. Zusätzlich vermitteln die landeseigenen Unternehmen und private Partner im geschützten Marktsegment jährlich weitere Wohnungen für besonders schutzbedürftige Frauen.

© IMAGO/Funke Foto Services
Auch in der Wohnungsmarktbeobachtung machen wir die Lage gewaltbetroffener Frauen sichtbar: Die von SenStadt veröffentlichten Wohnraumbedarfsberichte enthalten jeweils einen eigenen Abschnitt zu ‚Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen sind‘. Damit erfassen und analysieren wir systematisch steigende Auslastungen und längere Verweildauern in Schutzräumen und zeigen transparent auf, wo wohnungspolitischer Handlungsbedarf besteht.
Gleichzeitig handelt SenStadt nicht nur wohnungspolitisch reaktiv, sondern auch stadtplanerisch präventiv. Bei der Gestaltung von neuen Stadtquartieren, Parks, Grünflächen und öffentlichen Straßen spielt das Thema der städtebaulichen Kriminalprävention eine große Rolle. Das schließt selbstverständlich die Prävention von Gewalt an Frauen insbesondere im öffentlichen Raum mit ein.
Um frühzeitig erkennen zu können, wie durch räumliche und gestalterische Angebote für breite Nutzergruppen, eine hohe Aufenthaltsqualität und eine hohe soziale Kontrolle entstehen kann, werden in Planungs- und Wettbewerbsverfahren frühzeitig die Kolleginnen und Kollegen der städtebaulichen Kriminalprävention der Berliner Polizei mit einbezogen. Sie wirken aktiv an der Vorprüfung der Wettbewerbsbeiträge mit und nehmen an den Preisgerichtssitzungen teil, um kriminalpräventive Aspekte direkt in die Bewertung einfließen zu lassen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: