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Flughafen BBI: Kirchen fordern Kapelle statt Andachtsraum

Wenn BBI eröffnet, soll es einen "Raum der Stille" geben, der Gläubigen aller Religionen offensteht. Die Kirchen indes wollen "einen christlich geprägten Andachtsraum". Bislang gibt es Seelsorge im Container.

Berlin/Schönefeld - Carrie Edwards hat es sich auf dem Flughafen Schönefeld zwischen Mülleimer und Gepäckwagen gemütlich gemacht. Die 24-jährige gebürtige Amerikanerin lebte in Südamerika, ist nun in Neukölln zu Hause – und fliegt zu einem Bewerbungsgespräch für einen Medizinstudienplatz nach London. Als Justus Fiedler (35) und Bernhard Motter (71), die beiden Berliner Flughafenseelsorger, die junge Frau ansprechen, lächelt sie. „Wenn man alleine reist, sich Gedanken über seine Zukunft macht, ist so ein Gespräch eine schöne Sache“, sagt Carrie Edwards. Die großen Kirchen hoffen, dass es bald einen würdigen Raum gibt für ihre Arbeit. Wenn BBI eröffnet, soll es Flughafensprecher Ralf Kunkel zufolge einen 120 Quadratmeter großen „Raum der Stille“ geben, der Gläubigen aller Religionen offensteht. Die Kirchen indes wollen „einen christlich geprägten Andachtsraum“, sagte der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge am Montag. Gewünscht ist also ein Raum mit einem Altar und einem Kreuz an der Wand.

Die Kirchenvertreter können sich darauf berufen, dass ihre Forderung anderswo gängige Praxis ist: An zehn Flughäfen in Deutschland gibt es Andachtsräume. Nur in Düsseldorf ist der Andachtsraum ein Raum der Stille, der für alle Religionen offen ist. Flughäfen wie Dresden oder Leipzig-Halle haben christliche Kapellen, und in München oder Frankfurt am Main werden auch eigene Gebetsräume für Muslime angeboten.

„Wir können uns vorstellen, dass man einen eigenen muslimischen Andachtsraum von der Kapelle abtrennt“, sagt der Berliner Konsistorialpräsident Ulrich Seelemann. Büroräume gehörten aber zur Mindestausstattung für die Flughafenseelsorge: „Wir müssen uns sonst fragen, ob es Sinn macht, Personalmittel zu finanzieren, wenn die Arbeit nicht sinnvoll ausgestaltet werden kann.“ Der katholische Erzbischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky, versichert, man werde sich „nicht schmollend zurückziehen, sondern weiterhin die Flughafenseelsorge betreiben“.

Denn sie wird gebraucht. „Als vergangenes Jahr die Air-France-Maschine abstürzte, waren wir auch in Berlin für die Angehörigen da“, sagt Justus Fiedler. Als sein katholischer Kollege und er den Flughafen betreten, werden sie von der Mitarbeiterin am Infoterminal freundlich begrüßt. Die beiden Kirchenleute kennt hier jeder, zu erkennen sind sie an ihrem Kollar, dem Priesterkragen, und sie tragen auch einen Flughafen-Ausweis. Seit Ende 2008 sind Motter ehrenamtlich und Fiedler mit einer halben Stelle im Einsatz, auch für die Mitarbeiter der Flughäfen. „Als nach der Tempelhof-Schließung viele in Sorge um ihren Arbeitsplatz waren, haben sie bei uns ihr Herz ausgeschüttet“, sagt Fiedler. Die Seelsorger kümmerten sich um die gestrandete Finnin, die monatelang zwischen Berlins Flughäfen herumirrte. In Schönefeld suchen jetzt Obdachlose Schutz vor der Kälte, die Flughafengesellschaft lässt sie gewähren. Seit Dezember 2008 hatten die Seelsorger bereits für hunderte Passagiere, Piloten, CheckIn-Mitarbeiter, Bundespolizeibeamte, Security-Fachkräfte ein offenes Ohr.

Wenn BBI eröffnet ist, werden noch weit mehr Menschen ihren Rat und Beistand benötigen. „Flughäfen erfüllen heute nicht mehr die Funktion von Stadttoren, sondern sind eher eigene Welten, Event-Arenen“, sagt Fiedler. Da fahren Leute auch hin, um einzukaufen oder etwas zu erleben. Mit der Gesellschaft ändert sich die Kirche. Die Geistlichen gehen raus, an die Autobahnen, in die Fußballstadien. Erst gestern eröffnete in Berlin die erste „Ladenkirche“ in den Wilmersdorfer Arcaden. In Schönefeld haben die Seelsorger für Gespräche in Ruhe einen Container. Zwischen Rollkoffern und Rucksäcken gibt es sogar Gottesdienste, etwa zu Ostern. Weihnachten traf man sich da an der Anzeigetafel.

„Ich gehe ja nicht in die Kirche“, sagt Fluggast Carrie Edwards. Die Flughafengeistlichen hören das oft. „Wir drücken Ihnen die Daumen für Ihr Vorstellungsgespräch“, sagt Bernhard Motter zum Abschied – und blickt gen Himmel. Annette Kögel/Benjamin Lassiwe

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