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Besuch im Problemkiez: Klaus Wowereit: Auf Spikes und Socken durch Neukölln

Der Regierende Bürgermeister besucht den schwierigen Schillerkiez, wirbt für Religionsfreiheit und verurteilt Gewalt. Dabei wird deutlich, dass Spannungen wegen kultureller Differenzen in diesem Viertel nur eines von vielen Problemen sind.

Eigentlich hätte es keines weiteren Beweises bedurft, dass die Lage im Nord-Neuköllner Schillerkiez angespannt ist. Am Tag vor dem Besuch Klaus Wowereits in dem Problemviertel zwischen Hermannstraße und dem stillgelegten Flughafen Tempelhof hatten die Autonomen erneut zugeschlagen. Als der Regierende Bürgermeister am Donnerstagmorgen das Altbaugebiet um den Herrfurthplatz besuchte, da konnte er nur noch die bunten Überbleibsel der letzten Attacke sehen.

Auf dem Boden des Quartiersmanagement-Büros, das die Entwicklung des armen und größtenteils von muslimischen Einwandererfamilien bewohnten Viertels koordinieren und fördern soll, liegt Konfetti. Das hatte eine Gruppe von etwa zehn linksautonomen Protestierern am Nachmittag zuvor verstreut. Die Gruppe war, unkenntlich gemacht mit weißen Masken, am Mittwoch in die Räume an der Schillerpromenade eingedrungen, hatte Mitarbeiter des Quartiersmanagements bedrängt, als Rassisten beschimpft und Plakate aufgehängt, auf denen stand, dass man wiederkommen werde.

Hintergrund der seit einem guten halben Jahr anhaltenden Attacken auf das Quartiersmanagement ist neben der Angst vor einer mit Mietsteigerungen verbundenen Aufwertung des Viertels die sogenannte Task Force Okerstraße, eine Arbeitsgruppe von Sozialarbeitern, Mitarbeitern des Bezirksamtes und der Polizei, die in einem als sozial besonders schwierig geltenden Teil des Viertels eingesetzt werden. Für die linksradikalen Systemkritiker ist das Teil der „gewaltsamen Umgestaltung des Kiezes“ – aus Senatssicht ist es der Versuch, der Not und den wachsenden Spannungen unter den Bewohnern etwas entgegenzusetzen.

„Was Sie hier machen, ist mühsam, aber alternativlos“, lobte Klaus Wowereit die Arbeit der Quartiersmanager sowie der örtlichen Genezareth-Kirchengemeinde und der nur einen Kilometer entfernten Sehitlik-Moschee am Columbiadamm. Eingeladen hatte den Regierungschef die Pfarrerin der evangelischen Gemeinde, Elisabeth Kruse. Eigentlich sollte es um die Integrationsarbeit ihres Interkulturellen Zentrums gehen.

Der Angriff auf das Quartiersmanagement vom Vortag machte deutlich, dass Spannungen wegen kultureller Differenzen in diesem Viertel nur eines von vielen Problemen sind. „Wir dürfen kein Quartier sich selbst überlassen“, sagte Wowereit. Gerade Kirchen und Moscheen seien beim Umgang mit den sozialen Problemen wichtige Instanzen. Wowereit verteidigte das Recht islamischer Gemeinden, Moscheen zu bauen, wo immer sie wollen.

Was er beim Kiezbesuch mit den Vertretern der Sehitlik-Moschee besprach, blieb allerdings geheim: Die Presse war zwar zu dem Besuch geladen, musste aber bei Wowereits Treffen mit den muslimischen Gemeindevertretern – für das Wowereit der Tradition gemäß seine mit eistauglichen Spikes ausgestatteten Schuhe auszog – vor der Tür warten.

Hinterher lobte der Regierungschef das soziale Engagement der muslimischen und der christlichen Gemeinschaften: Sie gäben gute Beispiele dafür ab, wie man kulturelle Eigenheiten pflegen und dennoch etwas für den gemeinsamen Kiez tun könne. Zumal die größten Probleme des Viertels aus Wowereits Sicht kaum mit Religion oder Kultur, dafür aber viel mit der sozialen Lage zu tun haben: „Es ist ein Schichtproblem, eine Frage von Armut, fehlender Teilhabe und geringen Aufstiegschancen.“ Dem etwas entgegenzusetzen, sei nicht nur eine Frage des Geldes. Angesichts der knappen Kassen seien Ideen und „Hilfe zur Selbsthilfe“ gefragt – wie von den beiden Gemeinden vorgelebt. Lars von Törne

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