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Laut dem neuen Klimaanpassungsgesetz soll es in Berlin bis 2040 eine Million Bäume geben.

© Elisa Schu/dpa

„Bäume bekommen Milliarden, Krankenhäuser werden abgeholzt“: Klinik-Verband übt heftige Kritik an schwarz-rotem Baum-Gesetz

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat beschlossen, dass Berlin bis 2040 hunderttausende neue Stadtbäume bekommen soll und dafür Milliarden investiert werden. Die Kritik an der Priorisierung hält an.

Stand:

Die Entscheidung der schwarz-roten Koalition, Milliarden für neue Stadtbäume in Berlin auszugeben, stößt weiter auf Kritik. Berlin setze damit seine Prioritäten falsch, kritisiert die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG).

„Während Bäume also eine Sondersitzung erhalten und üppige Milliarden bekommen sollen, werden die Krankenhäuser abgeholzt“, sagte der Geschäftsführer der BKG Marc Schreiner und fragt: „Sollen die Patienten künftig unter dem Blätterdach von Baumalleen behandelt werden?“

Wer dem Stadtgrün solch einen Vorzug vor der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gebe, setze seine Prioritäten vollkommen falsch und treibe „ein gefährliches Spiel auf Kosten der Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner“.

Das heute zu beratende Ansinnen, viele Milliarden stattdessen lieber in Stadtgrün zu investieren, verschlägt einem vor diesem Hintergrund geradezu die Sprache.

Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft

Laut Schreiner gebe es wie in vielen anderen Bereichen auch bei Berlins Kliniken einen hohen Investitionsbedarf. Berliner Kliniken müssten zukunftssicher aufgestellt und die Versorgungslandschaft dringend reformiert werden. „Das heute zu beratende Ansinnen, viele Milliarden stattdessen lieber in Stadtgrün zu investieren, verschlägt einem vor diesem Hintergrund geradezu die Sprache.“

Um besser für den Klimawandel gewappnet zu sein, sollen in den kommenden 15 Jahren Hunderttausende zusätzliche Bäume in Berlin gepflanzt werden. Das Abgeordnetenhaus hat dazu in einer Sondersitzung am Montag mit breiter Mehrheit ein sogenanntes Klimaanpassungsgesetz beschlossen. CDU, SPD, Grüne und Linke stimmten dafür, die AfD enthielt sich. 

Basis des Gesetzes war eine Vorlage der Bürgerinitiative „BaumEntscheid“, die dazu ein Volksbegehren beantragt hatte. Die Koalitionsfraktionen CDU und SPD verhandelten mit dem Bündnis über einige Änderungen, so dass der Gesetzentwurf nun vom Parlament verabschiedet wurde. Ein Volksbegehren und ein möglicher Volksentscheid sind damit vom Tisch.

Eine Million Bäume 

Laut Gesetz soll Berlin bis 2040 über eine Million Bäume verfügen, mehr als doppelt so viele wie heute. Die Kosten dafür werden auf 3,2 Milliarden Euro beziffert. Weitere Maßnahmen zur Klimaanpassung sind geplant, etwa Grünflächen als „Kühlinseln“, mehr Regenwassermanagement und verbindliche Hitzeaktionspläne auf Landes- und Bezirksebene. 

Laut Parlamentsverwaltung ist es das erste Mal, dass das Abgeordnetenhaus nach einem Antrag auf ein Volksbegehren einen Gesetzentwurf aus der Stadtgesellschaft im Wesentlichen unverändert beschließt. 

2018 waren nach einem ähnlichen Vorstoß eines Bürgerbündnisses im Zuge eines Mobilitätsgesetzes Verbesserungen für den Radverkehr beschlossen worden. Formal handelte es sich dabei aber um eine Gesetzesvorlage des Senats.

Koalition jubelt 

„Wir stellen heute die Weichen für eine beispiellose Investition in das grüne Kapital unsere Stadt“, sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). „Dieser Senat, die Regierungskoalition, bekennt sich zu mehr Bäumen, zu konsequentem Klimaschutz und zur massiven Steigerung der Klimaresilienz unserer Hauptstadt.“ Das sei eine Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte, Berlin sei das erste Bundesland, was ein Klimaanpassungsgesetz dieser Tragweite beschließe. „Wir schaffen die Grundlage für ein lebenswertes Berlin der Zukunft.“ Das Gesetz setze nicht nur ein Zeichen für Klimapolitik, sondern auch für mehr Lebensqualität, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit. 

Opposition mahnt rasche Umsetzung an 

Der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Benedikt Lux, forderte CDU und SPD auf, es nicht bei dem Beschluss zu belassen, sondern das Gesetz nun auch zügig umzusetzen. „Man muss kein Botaniker sein, um zu wissen, dass mit diesem Gesetz noch kein Baum wächst“, sagte er. „Sie machen ein Gesetz, aber das war’s dann vielleicht.“ Der Linke-Politiker Michael Efler sagte: „Gewinner des Gesetzes sind die Menschen in dieser Stadt, vor allem diejenigen, deren Gesundheit durch die steigenden Temperaturen belastet ist.“ 

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker kritisierte, die Finanzierung des Vorhabens sei ungeklärt. Überlegungen der Koalition, Geld aus dem für Investitionen vorgesehenen Sondervermögen des Bundes zu verwenden, nannte sie eine hanebüchene Idee. „Das Geld muss aus dem Kernhaushalt kommen.“ 

Bürgerbündnis freut sich über Erfolg

Die Bürgerinitiative „BaumEntscheid“ sieht das neue Klimaanpassungsgesetz als Meilenstein auf dem Weg, Berlin grüner und damit widerstandsfähiger gegen die Erderwärmung zu machen. „Berlin kann damit besser mit Hitze und Klimawandel umgehen“, sagte Sprecher Heinrich Strößenreuther. Nach dem Parlamentsbeschluss müsse rasch die Umsetzung beginnen, denn: „Zeit ist bei der Klimaanpassung ein wichtiger Faktor.“

Die Geschäftsführerin des Bündnisses, Julia Pohl, sieht in dem Erfolg ihrer Initiative auch ein wichtiges Signal für die Demokratie. „Wir können es als Zivilgesellschaft schaffen, etwas auf die Beine zu stellen.“

Mehr als 200 Ehrenamtliche hätten daran mitgewirkt, ein Gesetz für mehr Stadtgrün zu erarbeiten, das nun beschlossen werde. „Das ist ziemlich einmalig.“ Das Gesetz sei Beleg für ein gutes Zusammenspiel von Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung. „Und es kann für andere Städte als Vorbild dienen. (mit dpa)

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