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Infolge der Coronapandemie haben sich die Kriminellen auf die veränderten Bedingungen eingestellt. Bei gefälschten Impf- und Genesenennachweisen gab es einen Anstieg um 543 Prozent.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Update

Knapp 500.000 Straftaten in 2021: Kriminalitätsbelastung in Berlin erneut zurückgegangen

Die Gesamtzahl der Gewaltdelikte sinkt laut Berliner Kriminalstatistik. Allerdings wird wegen Corona eine hohe Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt vermutet.

Erneut ist in Berlin die von der Polizei erfasste Kriminalitätsbelastung zurückgegangen. Im Jahr 2021 sind insgesamt 482.127 Straftaten registriert worden – ein Rückgang um 4,4 Prozent im Vergleich zu 2020. Auch die Häufigkeitszahl – also die Zahl der Straftaten je 100.000 Einwohner sank damit auf 13.158 – ein Rekordtief sei der Wiedervereinigung Berlins 1990. Es sind allerdings auch weniger Straftaten aufgeklärt worden – die Aufklärungsquote sank von 46,1 auf 45,3 Prozent

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte bei der Vorstellung der Berliner Kriminalstatistik am Freitag: „Es wurde weniger gestohlen und weniger eingebrochen, aber mehr betrogen.“ Spranger wies darauf hin, dass die Statistik wegen der Coronapandemie nur schwer mit den Vorjahren zu vergleichen sei.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik erklärte, dass sich die Coronapandemie wie im Jahr zuvor auch 2021 auf die Kriminalität ausgewirkt und bei einzelnen Phänomenen zum Rückgang der Fallzahlen geführt habe. „Insgesamt hat sie die Polizei Berlin jedoch in erheblichem Maße gefordert.“

Vermögens- , Fälschungs- und Betrugsdelikte stiegen wegen der Pandemie

Infolge der Coronapandemie haben sich die Kriminellen auf die veränderten Bedingungen eingestellt. Bei gefälschten Impf- und Genesenennachweisen gab es einen Anstieg um 543 Prozent, generell stieg die Zahl der Vermögens- und Fälschungsdelikte um 6,3 Prozent, des Tankbetrugs um 72 Prozent und des Computerbetrugs um 255 Prozent.

Bei Diebstählen betrug der Rückgang insgesamt 9,8 Prozent. Im Detail gab es dabei aber unterschiedliche Entwicklungen: Beim Diebstahl von und aus Autos gab es einen Anstieg um 12 Prozent, beim Ladendiebstahl einen Rückgang um 12 Prozent, beim Diebstahl aus Kellern um 13 Prozent, bei Fahrrädern um acht Prozent und beim Wohnungseinbruch um 30 Prozent.

Auch bei Gewaltdelikten ist die Zahl rückläufig – bei Raub, Körperverletzung und Kindesmisshandlung um fünf bis neun Prozent. Bei Mord und Totschlag erfasste die Polizei 100 Fälle, 96 Prozent der Fälle wurden aufgeklärt – ein Zehn-Jahres-Rekord.

Hohe Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt

Bei häuslicher Gewalt kommt die Polizei zu dem Ergebnis, dass Taten seltener als sonst bekannt geworden sind. Die Zahl der Opfer innerfamiliärer und partnerschaftlicher Gewalt ging 2021 leicht um 4,3 Prozent auf 15 630 zurück. Doch Polizeipräsidentin Slowik zeigte sich angesichts des Rückgangs skeptisch, weil es zugleich viele Notrufe und Meldungen wegen Übergriffen von Männern bei den Hilfs- und Beratungsorganisationen gegeben habe.

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Die Statistik sei „nicht belastbar“, im Lockdown seien viele Fälle nicht bekannt geworden. Wenn die Polizei vor der Wohnung eintreffe, heißt es oft, es sei doch alles gut. Die Opfer seien im Lockdown den Tätern noch mehr überlassen gewesen als sonst. Auch Innensenatorin Spranger sprach von einer hohen Dunkelziffer von Gewalt an Frauen und Kindern.

Die Menschen im Umfeld sollten „lieber einmal zu viel die 110 anrufen, als einmal zu wenig“. Innensenatorin Spranger sagte, die „Inkognito-App“, die bei häuslicher Gewalt einen stillen Notruf bei der Polizei oder Verwandten möglich machen soll, werde nun auch in Berlin eingeführt. Die App für Smartphones wurde schon 2020 angekündigt, verzögerte sich ab.

Betrug bei Corona-Soforthilfen

Bei Sexualstraftaten registrierte die Polizei einen Anstieg um ein Drittel, wobei der sexuelle Missbrauch von Kindern um ein Zehntel zunahm und die Verbreitung pornografischer Schriften um 175 Prozent. Grund für den Anstieg der Ermittlungsverfahren sind Internetermittlungen und Hinweise ausländischer Sicherheitsbehörden, aber auch Meldungen von Providern und Betreibern von Internetseiten. Die Täter wüssten nun, dass sie nicht unentdeckt blieben. Dank Meldungen der Tech-Unternehmen sei klar, dass das Internet nicht mehr anonym sei. „Man kann sich das Grauen, das in diesen Verfahren steckt, nicht im Ansatz vorstellen“, sagte Slowik.

Die Kriminalstatistik gibt auch Auskunft über das Ausmaß des Betrugs bei Corona-Soforthilfen. Bis Stand Ende Februar 2020 hat die Polizei insgesamt 9139 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der bisherige Gesamtschaden beläuft sich demnach auf rund 123 Millionen Euro. Hinzu kommen 9100 Verdachtsfälle, die von der Polizei noch bearbeitet werden müssen.

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Spranger wies darauf hin, dass damit in fünf Prozent aller Fälle von Soforthilfe ein Betrugsverdacht besteht. Insgesamt seien 362.000 Anträge auf Hilfsgelder gestellt und 5,2 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Wegen Betrug mit Corona-Testzentren sind im vergangenen Jahr 281 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, der bislang erfasste Schaden belauft sich auf 25 Millionen Euro.

Auch die von der Polizei erfasste politisch motivierte Kriminalität ist gesunken - von 6098 Fällen um fünf Prozent auf 5799 Fälle. Allerdings war 2020 ein Rekordjahr, trotz des Rückgangs war es 2021 die zweithöchste Zahl seit 2012. Vor allem stieg die Zahl politisch motivierter Gewalttaten – um 14 Prozent auf 1037. Die Zahl rechtsmotivierter Taten sank von 2500 auf 1990 Fälle, die Zahl linksmotivierter Taten von 2150 auf 1500 Fälle.

Antisemitische Straftaten nehmen stark zu

Antisemitische Straftaten haben stark zugenommen, die Zahl stieg um 15 Prozent auf 422 Fälle. Zwei Drittel davon sind dem rechten Spektrum zuzuordnen, elf Prozent dem Bereich „ausländliche und religiöse Ideologie“. Hinzu kommen 14 antisemitische Gewalttaten, die Hälfte davon waren rechtsmotiviert, drei basierten auf ausländischen Ideologien. Wegen einer Änderung der statistischen Erfassung werden antisemitische Straftaten bei unbekannten Tätern und unklarer Lage nicht per se mehr als rechte Straftaten registriert.

Eine Zunahme von 23 Prozent auf 525 Fälle registrierte die Polizei bei Taten wegen der sexuellen Orientierung von Opfern. Unklar ist laut Innensenatorin Spranger aber, ob es tatsächlich mehr Taten gibt oder ob die Betroffenen sich häufiger bei der Polizei melden. Die Zahl der Gewaltdelikte gegen Menschen wegen ihrer sexuellen Identität stieg um 20 Prozent auf 130 Fälle.

Auch Coronaleugner schlagen sich in der Statistik nieder

Auch die Proteste und Taten von Kritikern der Covid-19-Maßnahmen und Coronaleugnern schlagen sich in der Statistik nieder. Die Zahl der Straftaten stieg im Vergleich zum ersten Pandemiejahr um 30 Prozent auf 791, davon ereigneten sich 330 Taten bei Coronademonstrationen. Die Zahl der Gewalttaten stieg um 55 Prozent auf 300 Fälle.

Die Entwicklung schlägt sich auch bei den Angriffen auf Polizisten nieder. Die Zahl der Beamten, die Opfer einer Straftat wurden, stieg um 14 Prozent auf 8570. Beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gab es eine Zunahme von 13,5 Prozent auf 2645 Fälle, bei Gewaltattacken um 35 Prozent auf 1620 Fälle. Mit 1580 Polizisten wurden etwas mehr verletzt als im Jahr zuvor, die Zahl der schwer verletzten Beamten stieg von 12 auf 16.

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