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„Mit Körper und Händen“ weggedrängt : Geldstrafe für Kommilitone, der jüdischem Studierenden Zugang zum Hörsaal verwehrte
Propalästinensische Aktivisten besetzen einen FU-Hörsaal. Die Stimmung ist aufgeheizt. An der Tür kommt es zu Schubsereien, nicht jedem wird Einlass gewährt. Nun urteilte ein Strafgericht.
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Als Lahav Shapira am 14. Dezember 2023 über den Campus der Freien Universität in Berlin-Dahlem lief, wusste er nichts von einer geplanten Besetzung durch pro-palästinensische Akteure. Dann sah er Plakate, hörte Aufrufe per Megafon. Der jüdische Student ging zum Hörsaal – weil ihm der Diskurs wichtig ist, wie er sagt. Doch an der Tür wurde er weggedrängt und nicht in den Saal gelassen. Das war eine Nötigung, urteilte das Amtsgericht Tiergarten am Donnerstag und verhängte eine Geldstrafe von 450 Euro. „Als Student der Universität war ihm der Zugang zu gewähren“, sagte die Richterin.
Auf der Anklagebank saß einer von jenen, die den Zugang verhindern wollten: Burak Y., 32 Jahre. Was er derzeit beruflich macht, wollte er im Prozess nicht sagen. Er bezieht Bürgergeld. Die Anklage ging von Körperverletzung und Beleidigung aus. Y. habe den jüdischen Studenten gepackt, zur Seite geschubst und dabei antisemitisch beleidigt. Das Gericht hatte zunächst auf Antrag der Staatsanwaltschaft per Strafbefehl eine Strafe von 1.500 Euro (50 Tagessätze zu je 30 Euro) verhängt. Y. legte Einspruch ein.
Y. hatte die Kufiya um die Hüfte gebunden, vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten 30 bis 40 Propalästina-Aktivisten, im Saal wurde nicht gestört. Nie habe er aus antisemitischem Motiv gehandelt, erklärte Y. und wies die Vorwürfe zurück. „Ich habe nicht geschubst, ich stand als Ordner mit ausgestreckten Armen.“ Er habe „mit dem Körper weggedrängt“, um die Versammlung zu schützen.
Studierende starteten „Hetzjagd“ gegen Shapira
Die Gruppe „Students for Free Palestine“ hatte an diesem Tag einen Hörsaal der Universität besetzt. Die Aktion begann gegen 11 Uhr. Die Universitätsleitung forderte die etwa 60 Personen auf, den Saal 1a bis 16 Uhr zu verlassen. Es soll auch zu Rangeleien zwischen pro-palästinensischen Akteuren und Kritikern der Aktion gekommen sein.
Shapira sagte nun im Prozess, zwei Personen hätten ihn weggedrängt – „mit dem Körper, auch mit den Händen“. Ein paar blaue Flecke habe er später festgestellt, doch es sei keine große Sache gewesen. Dramatisch sei für ihn, was danach geschah: „Es hat zu einer Hetzjagd gegen mich geführt und schlussendlich auch dazu, dass jemand versucht hat, mich umzubringen.“
Am 2. Februar 2024 wurde Shapira vor einer Bar in Berlin-Mitte von einem damaligen Kommilitonen zusammengeschlagen. Sie waren sich vier Monate nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zufällig begegnet. Mustafa A. schlug mit der Faust zu, trat ins Gesicht. Im April 2025 erhielt A. drei Jahre Haft. Das Gericht ging von antisemitischen Motiven aus. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Im aktuellen Prozess war eine Körperverletzung nicht nachzuweisen – so sah es auch der Staatsanwalt. Wegen Beleidigung liege kein rechtzeitiger Strafantrag vor. Doch den Zugang zum Hörsaal durch Körpereinsatz zu verweigern, sei eine Nötigung, so auch der Staatsanwalt. Er beantragte 1.500 Euro Strafe, das Gericht blieb mit 30 Tagessätzen zu je 15 Euro darunter. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch – Y. habe sich nur in den Weg gestellt, er habe auch nicht gewusst, dass es sich um einen jüdischen Studenten handelte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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