
© dpa/Soeren Stache
Student klagt gegen FU Berlin: „Um in die Mensa zu gehen, schließe ich mich mit anderen jüdischen Studierenden zusammen“
Nach dem Angriff eines Mitstudenten verklagt Lahav Shapira die Freie Universität Berlin. Der Vorwurf: Diese tue nicht genug gegen Antisemitismus auf dem Campus.
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Das Berliner Verwaltungsgericht will im Oktober weiter über die Klage des jüdischen Studenten Lahav Shapira gegen die Freie Universität verhandeln. Der 32-Jährige wirft der Uni nach einem antisemitischen Angriff vor, nicht genug gegen Antisemitismus auf ihrem Campus getan zu haben.
Die Verhandlung wurde am Dienstag nach einer mehr als zweistündigen Beratungspause der Kammer unterbrochen. Da Shapira sich in seinen Erklärungen nicht nur auf das Hochschulgesetz, sondern auch auf seine Grundrechte beziehe, müssten weitere Beteiligte und Zeugen gehört werden, erklärte der Vorsitzende Richter Edgar Fischer.
Vonseiten der Uni gab es keine Hilfsangebote. Uns wurde nur gesagt, man könne auch online von zu Hause aus studieren.
Lahav Shapira wirft der FU vor, nicht genug gegen Antisemitismus getan zu haben
Hintergrund des Prozesses ist ein Angriff auf Shapira im Februar 2024 in Berlin-Mitte. Vor einer Bar war es zu einem Streit mit einem Kommilitonen gekommen, mit dem er schon vorher über das Thema Nahost aneinandergeraten war. Shapira ist an der Freien Universität bekannt für sein Engagement gegen Antisemitismus. An diesem Abend kam es zum Angriff auf Shapira: Er wurde geschlagen und ins Gesicht getreten. Seine Nase und sein Jochbein waren gebrochen, er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und minimale Hirnblutungen. Im Krankenhaus wurden seine Gesichtsknochen mit zwei Metallplatten stabilisiert. Seitdem betritt er den Campus nur noch mit Sicherheitsdienst.
Im April wurde der Angreifer Mustafa A. zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, auch weil das Gericht erschwerend Antisemitismus als Motiv feststellte.
Shapira: Als Israeli muss man sich inzwischen beleidigen lassen
Shapiras Anklageschrift im Prozess gegen die FU beruft sich auf das Berliner Hochschulgesetz. Dieses verpflichtet die ortsansässigen Hochschulen dazu, ihrer Verantwortung gegenüber den Studierenden und anderen Mitarbeitenden gerecht zu werden. In Paragraf 5b Absatz 2 steht dort, die Hochschulen seien verpflichtet, Diskriminierungen, auch aufgrund von Antisemitismus, zu verhindern und bestehende Diskriminierungen zu beseitigen.
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 kam es an der FU immer wieder zu antiisraelischen, teils auch antisemitischen Protestaktionen, Hörsaalbesetzungen und Sachbeschädigungen. Davon war auch Shapira betroffen, wie er am Dienstag im Verwaltungsgericht schilderte. „Es kam nach dem 7. Oktober zu Hetzjagden und Diffamierungen gegen mich, regelmäßig wurde zur Gewalt und zur Intifada aufgerufen“, sagte er.
Bei Demonstrationen sei er vor Seminarräumen aufgehalten und beleidigt worden, ein Bild von ihm sei im Internet verbreitet worden. „Um in die Mensa zu gehen, schließe ich mich mit anderen jüdischen Studierenden zusammen. Als Israeli muss man sich inzwischen beleidigen lassen“, sagte Shapira. „Vonseiten der Uni gab es keine Hilfsangebote. Uns wurde nur gesagt, man könne auch online von zu Hause aus studieren. Mir fällt es inzwischen sehr schwer, mich auf die Seminare zu konzentrieren, wenn zwei Hörsäle weiter offen zu Gewalt aufgerufen wird.“ All das sei schließlich in dem gewaltsamen Angriff gegen ihn gegipfelt.
Deshalb hat der 32-Jährige eine sogenannte Feststellungsklage gegen die Freie Universität Berlin erhoben: Ziel seiner Klage ist demnach eine Feststellung des Gerichts, dass die FU gegen ihre Pflichten aus dem Hochschulgesetz verstößt. Die Vertreter der Universität hingegen hatten am Vormittag beim Verwaltungsgericht beantragt, die Klage abzuweisen. „Selbst wenn eine Feststellung getroffen ist, wissen wir trotzdem noch nicht, was wir machen sollen. Es ist nicht ausreichend konkret, was mit der Klage erreicht werden soll“, erklärte Referatsleiter Christian Reichel.
Seiner Meinung nach ist Shapiras Antrag „sehr abstrakt“. Reichel sagte, die Freie Universität käme dem Auftrag des Gesetzgebers nach, indem Mitarbeiter Konzepte erarbeiteten, Satzungen verabschiedeten und Beschwerdestellen einrichteten. „Es geht nicht um die Frage, welches Hochschulgesetz wir uns wünschen, sondern darum, was der Gesetzgeber mit dem Paragrafen 5b erreichen wollte“, sagte er.
Etwa zehn Kilometer Luftlinie vom Verwaltungsgericht entfernt, fand in dem studentisch verwalteten Café „Galilea“ der Freien Universität Berlin am selben Tag eine Veranstaltung mit dem Titel „Wie wir die Intifada globalisieren“ statt. Auf diese angesprochen, erklärte Andreas Schoberth von der FU bei Gericht knapp: „Wenn ich mich zu Details äußere, begebe ich mich auf die Ebene der Verteidigung in der Sache und da möchte ich nicht hin.“
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