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Der Angeklagte Mario K. wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Anwälte gingen in Revision.

© dpa

Kritische Polizisten sind unschuldig: Vorwürfe gegen Ermittler im Maskenmann-Fall fallen gelassen

Im Maskenmann-Fall hatten drei Kripo-Beamte Zweifel an der Schuld von Mario K. und wurden der Falschaussage verdächtigt. Die Ermittlungen sind eingestellt.

Ihre Aussagen hatten massive Zweifel genährt, ob Mario K. tatsächlich der sogenannte Maskenmann ist. Also der Mann, der 2011 einen Überfall auf eine Millionärsfamilie in Bad Saarow (Oder-Spree) verübt, dabei einen Wachmann niedergeschossen sowie 2012 auf spektakuläre Weise einen Banker am Storkower See entführt hat.

K. war im Juni 2015 vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) trotz aller Zweifel, trotz aller Ungereimtheiten in einem reinen Indizienprozess ohne schlagende Beweise wegen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Und auch die drei kritischen Beamten, die auf Lücken im Verfahren der Mordkommission und Direktiven ihrer Chefs zu einseitigen Ermittlungen aufmerksam gemacht hatten, bekamen es mit der Justiz zu tun.

Erst jetzt, vier lange Jahre nach dem spektakulären Maskenmann-Prozess lässt die Staatsanwaltschaft Cottbus den Vorwurf der Falschaussage gegen die Beamten und eine Sachverständige fallen. Es liege kein hinreichender Tatverdacht vor, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwalt Cottbus dem rbb.

Die Entscheidung befeuert nicht nur die nie ausgeräumten Zweifel an der Verurteilung von Mario K., der vor Gericht gesagt hat: „Ich bin der Falsche.“ Der Fall wirft auch ein Schlaglicht darauf, wie Polizeibeamte, die Rückgrat zeigen wollte, die auf rechtsstaatliche Prinzipien gepocht haben, von der Behörde, von den Vorgesetzten, von der Justiz ins Visier genommen wurden – und zum Teil auch gebrochen wurden.

Da mit Mario K. nach wie vor der Falsche in Haft sitzt, habe ich den Fall nach wie vor nicht ad acta gelegt.

Axel Weimann, Anwalt

Axel Weimann, der Verteidiger von Mario K., sagte dieser Zeitung am Donnerstag: „Nach allem, was ich im Maskenmann-Verfahren erlebt habe, bin ich immer davon überzeugt gewesen, dass gerade diese drei Polizeibeamten keine Falschaussage gemacht haben.“ Dass die Staatsanwaltschaft für „diese überfällige Einstellung“ vier Jahre gebraucht hat, sei nicht verwunderlich, aber zu begrüßen. „Da mit Mario K. nach wie vor der Falsche in Haft sitzt, habe ich den Fall nach wie vor nicht ad acta gelegt.“

Suche nach dem Täter: Ein Polizeisprecher präsentierte 2011 ein Phantombild vom Maskenmann in Tarnkleidung.
Suche nach dem Täter: Ein Polizeisprecher präsentierte 2011 ein Phantombild vom Maskenmann in Tarnkleidung.

© ddp images/Klaus-Dietmar Gabbert

Die Polizisten und die Sachverständige waren in dem Prozess 2015 verdächtigt worden, als Zeugen vor Gericht bewusst falsche Aussagen gemacht zu haben. An den mehr als 50 Verhandlungstagen ging es bei rund der Hälfte allein um die Arbeit der Polizei und Ermittlungspannen – in der Geschichte Brandenburgs ein einmaliger Vorgang.

Polizisten durchforsten nach dem Entführungsfall im Oktober 2012 ein Waldstück nahe Storkow. Noch heute beschäftigt der Fall.
Polizisten durchforsten nach dem Entführungsfall im Oktober 2012 ein Waldstück nahe Storkow. Noch heute beschäftigt der Fall.

© picture alliance / dpa

Die Beamten hatten ausgesagt, sie seien durch Vorgesetzte behindert worden und hätten Widersprüchen nicht nachgehen dürfen – etwa in Richtung einer fingierten Entführung. Ein Ermittler stellte deshalb sogar gegen sich eine Selbstanzeige. Ihre Vorgesetzten stritten die Vorwürfe zunächst ab, mussten jedoch Vorgaben einräumen, dass nicht in alle Richtungen ermittelt werden sollte, etwa wegen des Verdachts auf Vortäuschen einer Straftat.

Zweifel hatten die kritischen Polizisten vor allem an Schilderungen des Entführungsopfers Stefan T. Er war nach eigenen Angaben im Herbst 2012 aus seiner Villa am Storkower See durch den See auf eine Schilfinsel verschleppt worden – mit Hilfe eines Kajaks und einer Luftmatratze. Der Banker konnte sich nach eigenen Angaben nach rund 30 Stunden selbst befreien.

Der brutale Entführer eines Geschäftsmanns soll eine schwarze Hose, eine grüne Softshell-Jacke, weiße Handschuhe und ein Gesichtsnetz getragen haben: Mithilfe dieser Zeichnung bat die Polizei um Hinweise.
Der brutale Entführer eines Geschäftsmanns soll eine schwarze Hose, eine grüne Softshell-Jacke, weiße Handschuhe und ein Gesichtsnetz getragen haben: Mithilfe dieser Zeichnung bat die Polizei um Hinweise.

© Polizei Brandenburg

Vieles, was das Opfer erlebt haben will, hatten auch Rechtsmediziner und die Gutachterin vor Gericht infrage gestellt. Auch diese Zeitung hatte in einem Dossier auf Widersprüche und neue Indizien in dem Fall aufmerksam gemacht. 2011 soll Mario K. zudem eine Unternehmerfrau in Bad Saarow überfallen und später ihren Wachmann angeschossen haben; dieser ist seitdem querschnittsgelähmt.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), Herrin der Ermittlungen bei der Polizei, die die Linie vorgibt, hatte bereits kurz nach dem Urteilsspruch im Maskenmann-Prozess angekündigt, die Aussagen der Beamten im Prozess zu prüfen. Nachdem der damalige Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg die Akten gesichtet hatte, entzog der Frankfurter Behörde das Verfahren gegen die Beamten wegen Falschaussage und betraute die Staatsanwaltschaft Cottbus damit.

Er hatte vor etwa einem Jahr einen Geschäftsmann entführt, der sich aber nach einem anderthalbtägigen Martyrium aus der Gewalt des Täters befreien konnte. Karte: In Wendisch Rietz gelang es dem Opfer, seinem Entführer zu entkommen.
Er hatte vor etwa einem Jahr einen Geschäftsmann entführt, der sich aber nach einem anderthalbtägigen Martyrium aus der Gewalt des Täters befreien konnte. Karte: In Wendisch Rietz gelang es dem Opfer, seinem Entführer zu entkommen.

© dapd

Im Maskenmann-Prozess hatte das Landgericht Frankfurt (Oder) den Dachdecker Mario K für schuldig befunden und geurteilt, der Mann habe versucht, durch die Entführung Lösegeld zu erpressen. Dabei gab es in dem Indizienfall keine direkten Beweise und Zeugen, mit denen K. die Schuld nachgewiesen werden konnte.

Zweifel entstanden im Prozess nicht nur am Tatablauf der sogenannten Entführung des Millionärs in Storkow. Zudem wurde im Gericht offenbar, dass Beweismittel zu spät zu den Ermittlungsakten gelangten oder durch zufälliges Bekanntwerden im Gericht erst nachgereicht werden mussten. Das Landgericht Frankfurt (Oder) folgte dennoch dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, dass Mario K. der Schuldige an allen Taten sei. Sein Motiv sei Hass auf Reiche. Der Bundesgerichtshof hatte die Revision der Verteidigung verworfen.

Tatwerkzeug: das verschleppte Kajak, wie es die Polizei fand. Muscheln waren darauf, sie wurden aber nie richtig untersucht.
Tatwerkzeug: das verschleppte Kajak, wie es die Polizei fand. Muscheln waren darauf, sie wurden aber nie richtig untersucht.

© Tagesspiegel

Die Ermittlungen waren geprägt von zahlreichen Pannen und Widersprüchen. Im Nachgang wurde eine interne Ermittlungsgruppe der Polizei eingerichtet, die schwere Führungsmängel in der zuständigen Mordkommission in Frankfurt (Oder) und der Soko „Imker“ feststellte. Selbst der damalige Polizeipräsident Arne Feuring geriet unter Druck - weil er in die Ermittlungen persönlich eingegriffen hatte. Sein Nachfolger Hans-Jürgen Mörke richtete in seinem Stab eine interne Ermittlergruppe „Innere Revision“ ein. Führende Beamte der Mordkommission wurden versetzt. Eine Kommission stellte schwere Führungsdefizite fest und bestätigt zahlreiche Anschuldigungen gegen die Chefermittler.

Anwältin spricht von einem Skandal – im Innenministerium

Und die drei kritischen Beamten? Zwei Polizistinnen sind wieder im Dienst, eine hatte sich von der Kripo zur Schutzpolizei versetzen lassen und ist Revierpolizistin. Ein Beamter ist inzwischen nach langer Krankschreibung – eine Folge des Drucks der Vorgesetzten und der Ermittlungen gegen ihn – vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden.

Die Berliner Anwältin Margarete Gräfin von Galen, die einen der Beamten vertritt, sagte dem Tagesspiegel: „Das Verfahren gegen meinen Mandanten hätte gar nicht erst eingeleitet werden dürfen und dann hätte die Unschuld viel schneller bewiesen werden müssen.“

Das Kanu, mit dem der Berliner Immobilienbanker entführt wurde. So sieht es zumindest das Landgericht.
Das Kanu, mit dem der Berliner Immobilienbanker entführt wurde. So sieht es zumindest das Landgericht.

© Patrick Pleul/dpa

Des Weiteren kritisiert die Anwältin, dass das Brandenburger Innenministerium ihren Mandanten in dem Verfahren nicht unterstützt und die Prozesskosten nicht übernommen habe. „Der größte Skandal  in der Sache ist, dass sich das Innenministerium beharrlich geweigert hat, seinen durch das Verfahren aufkommenden Pflichten als Dienstherr nachzukommen – und dies mit der Begründung, meinen Mandanten treffe ein schweres Verschulden.“

Dieses schwere Verschulden sei aber nicht näher ausgeführt, sondern lediglich damit begründet worden, dass der Beamte ja falsche Aussagen vor Gericht gemacht haben soll, erklärte die Anwältin. Beamte haben ein Anrecht darauf, dass der Dienstherr bei Verfahren in dienstlichen Belangen die Prozesskosten übernimmt – außer wenn eine besondere Schwere der Schuld bei dem Beamten vorliegt.

Von Galen hat gegen die Weigerung des Ministeriums, die Anwaltskosten zu übernehmen, Beschwere beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) eingelegt - und zwar im April 2016. Das ist jetzt drei Jahre her, aber das Gericht hat immer noch nicht entschieden.

Zum Nachlesen:

Das gesamte Tagesspiegel-Dossier: Der Maskenmann-Fall

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