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Hauptsache Fahne: Anhänger der rechtsextremen «Identitären Bewegung» bei einem Aufmarsch. Ein Lehrer der Freien Schule in Berlin-Mahlsdorf soll in der Organisation Mitglied gewesen sein.

© Paul Zinken/dpa

Neuer Rechtsextremismus-Verdacht: Lehrer an Berliner Schule war Mitglied der „Identitären Bewegung“

Neue Vorwürfe gegen Freie Schule in Berlin-Mahlsdorf: Sie soll einen Lehrer beschäftigt haben, der den rechtsextremen „Identitären“ angehört haben soll.

Die Freie Schule im Marzahn-Hellersdorfer Ortsteil Mahlsdorf kommt auch nach der Entlassung der früheren Chefs wegen rechtsextremistischer Verstrickungen und der Umbenennung nicht zur Ruhe. An der früheren Schule am Elsengrund, die nun Freigeist Schule heißt, gibt es einen weiteren Verdacht auf Rechtsextremismus.

Nach Tagesspiegel-Recherchen war an der Schule bis vor kurzem ein Lehrer tätig, der bei der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ aktiv war. Er war noch unter der im März zurückgetretenen Schulleitung dorthin geholt worden. Doch auf der Internetseite war seine Tätigkeit als Lehrer aktiv verschwiegen worden. Während die restlichen Mitarbeiter von den Chefs bis zur Horterzieherin mit Foto und Namen zu finden waren, fehlten diese Angaben zu dem Mann. Wegen seiner Vergangenheit musste er die Schule wechseln. An der Freien Schule unterrichtete er Politik und Geschichte.

Mitgliedschaft bei „Identitärer Bewegung“ im Kollegium bekannt

Im Zuge der Affäre kam der Vorwurf auf, dass an der Schule systematisch Unterrichtsinhalte zur deutschen Geschichte weggelassen worden sein sollen. Nach Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR), die seit 2019 Personen aus dem Umfeld der Schule berät, soll es gezielte Lücken bei den „Verbrechen Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg“ und bei der Geschichte des Nationalsozialismus gegeben haben. Die neue Geschäftsführerin der Schule sprach von „Selektion von Unterrichtsinhalten“. Demnach war nicht nur das Tagebuch der Anne Frank tabu, sondern auch deutsche Literatur jüdischer Dichter – zum Beispiel von Heinrich Heine.

Ob der Lehrer immer noch mit den Identitären zu tun hat, ob er an der Schule im Unterricht den Nationalsozialismus nicht behandelt oder Schüler beeinflusst hat, dazu liegen keine Hinweise vor. Dem Vernehmen nach sollen andere Lehrer von seiner Vergangenheit gewusst haben – und auch, warum er auf der Internetseite nicht aufgeführt wurde.

Nach den Erschütterungen durch die in der rechtsextremistischen Szene verstrickte ehemalige Schulleitung hat die neue Geschäftsführung mit Rückendeckung der Schulaufsicht Konsequenzen gezogen, den Lehrer im Mai freigestellt und ihm gekündigt. In einem Schreiben der Geschäftsführung an die Eltern wird aufgeführt, dass die Entlassung nötig gewesen sei, „um den Neuanfang nicht zu gefährden“.

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Die neue Schulleiterin zeigte sich damit aber nicht einverstanden. Jetzt machen die Lehrer, die auch die meisten Gesellschafter der gemeinnützigen Trägergesellschaft stellen, mobil. Sie werfen der Geschäftsführung vor, eine „diktatorische Struktur“ etabliert zu haben. Für die am Donnerstag anberaumte Gesellschafterversammlung steht ihre Ablösung an. In einer E-Mail der Geschäftsführer an die Eltern heißt es „An der Schule arbeiten offenbar Pädagogen, die sich ihrer Mitverantwortung bezüglich der Vergangenheit nicht bewusst werden wollen.“

Geschäftsführung beklagt Verfehlung des gesetzlichen Bildungsauftrags

Auch eine andere Mitarbeiterin soll wegen Missständen entlassen worden sein. So sollen im Hort der Schule umfassende Konzepte gefehlt haben, etwa zum Kinderschutz. Die Rede ist auch von pägagogischen Defiziten und teilweisen Lernlücken bei den Kindern. Zudem sollen der Bildungsverwaltung Hinweise vorgelegt worden sein, dass eingeschulte Kinder nicht in der ersten Klasse unterrichtet, sondern in einer Vorschulgruppe wie im Kindergarten betreut werden. Die bittere Bilanz im Schreiben an die Eltern lautet: „Der gesetzlich verankerte Bildungsauftrag einer jeden Schule sowie die Partizipation der Kinder und Eltern, aber auch die öffentlich proklamierte Heranziehung der Schüler zu selbstdenkenden und selbsthandelnden Individuen, wird in der Praxis nur sehr unzureichend umgesetzt.“

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Die Lage ist für die Schule, an der 160 Kinder in den Klassen eins bis elf sind, ernst. Bereits 2020 hatte die Schulaufsicht die Einrichtung geprüft. Einigen Lehrern soll es wegen fehlender Qualifikation untersagt worden sein, Klassen zu unterrichten. Nach den Hinweisen zu den Verbindungen der alten Schulleitung in die rechtsextreme Szene läuft seit einigen Monaten eine erneute Prüfung. Von einer explosiven Situation für die Schule ist die Rede.

Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sagte dem Tagesspiegel: „Jetzt ist ein radikaler Schnitt nötig und eine generelle Tiefenprüfung, offensichtlich krankt es an mehreren Ecken.“ Auch das Personal müsse überprüft werden.

Ehemalige Schulleitung in rechtsextreme Szene verstrickt

Die im März zurückgetretene Leitung – die frühere Schulleiterin und der frühere Geschäftsführer – hatte enge Kontakte zu dem bekannten Holocaustleugner Bernhard Schaub. Seine Kinder waren zeitweise an der Schule, er gab für die Elsengrund-Lehrer 2018 ein Seminar, soll bei einem Volkstanzfest der Schule auf einem Gehöft bei Grünheide zu Gast gewesen sein. Die Behörden gingen der Frage nach, ob der Dreiseithof auch für Treffen der rechten Szene genutzt worden sein könnte, im Dezember 2020 soll dort eine Sonnenwendfeier mit 40 Personen abgehalten worden sein.

Mit dem Fall betraute Experten sprechen von Indizien, dass mit der Schule am östlichen Berliner Stadtrand eine abgeschottete, rechtsesoterische und völkische Zone etabliert werden sollte. Im Mai 2018 war die ehemalige Leitung mit Schaub sogar in Bielefeld bei einer Demonstration von Rechtsextremisten für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Bereits 2013 hatte der Bund der Freien Waldorfschulen die Zusammenarbeit mit der Elsengrund-Schule aufgekündigt – weil der Rechtsextremismus-Verdacht nicht ausgeräumt wurde und wegen der Verbindungen zum Holocaustleugner Schaub.

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