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Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke).

© Ben Gross/Bezirksamt Pankow

Update

Bürgermeisterwahl in Berlin-Pankow: Linken-Politiker mit AfD-Stimmen gewählt? Grüne fordern Rücktritt

Der Linke Sören Benn kann nicht ausschließen, von der AfD ins Bürgermeisteramt gewählt worden zu sein. Es gibt Schuldzuweisungen und erste Rücktrittsforderungen.

Von Sonja Wurtscheid

Nach der Wahl von Sören Benn (Linke) zum Bezirksbürgermeister von Pankow will keine demokratische Partei ihm die fehlenden Stimmen gegeben haben.

Linke und SPD konnten nur 23 Stimmen aufbieten, Benn aber gewann mit 29 Stimmen. Die AfD reklamierte den Zug für sich. Nachzuprüfen ist das kaum, die Wahl war geheim. Empört wird sich trotzdem, bis hoch zur Landesebene.

"Wer Nazis glaubt, glaubt Nazis", schrieb Benn um kurz nach Mitternacht auf Twitter. "Macht mal alle. Ist ja ne geile Story." Er habe sich klar zu seiner Haltung gegenüber der AfD geäußert. Auf Twitter nannte er sie "politische Horrorclowns".

Rückblick: Eigentlich wollten Pankows Grüne als stärkste Fraktion die Bürgermeisterin stellen. Für ihre Kandidatin Cordelia Koch fanden sie aber keine Mehrheit. Linkspartei und SPD hatten sich dann zu einer Zählgemeinschaft zusammengetan, um Amtsinhaber Benn weitere fünf Jahre im Rathaus zu ermöglichen. Grüne und die FDP hatten ein Nein angekündigt. Koch hatte bereits kurz vor der Wahl angekündigt, dass die Grünen gegen Benn stimmen werden.

Die isolierten Grünen hatten deswegen bereits am Mittwochabend Linke und SPD für ihr Vorgehen kritisiert und von drohenden "Thüringer Verhältnissen" in Pankow gesprochen. Sie hatten darauf verwiesen, dass wie bei der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Thüringer Ministerpräsidenten 2020 die AfD eine entscheidende Rolle spielen könnte.

"Im Zweifel muss Sören Benn zurücktreten"

"Sollte die Vermutung stimmen, ist dies ein Tabubruch und somit muss die Linke ihr Verhältnis zur AfD klären", kommentierte der FDP-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus und Spitzenkandidat bei der Berlin-Wahl, Sebastian Czaja, ein möglicherweise entscheidendes AfD-Votum für den Linken-Politiker. "Im Zweifel muss Sören Benn zurücktreten."

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Auch die Berliner Grünen verurteilten die Wahl - und forderten Benns Rücktritt. "Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten jenseits der AfD", teilte die Landesvorsitzende Nina Stahr mit. "Dass Sören Benn es hat darauf ankommen lassen, dass es die Stimmen der AfD gewesen sein könnten, die ihn zum Bürgermeister gemacht haben, stellt einen Dammbruch dar." Es sei nun Benns Aufgabe, "durch seinen Rücktritt bei der Reparatur des Damms zu helfen" - und zwar "schnellstmöglich".

AfD Pankow: Haben Sören Benn unterstützt

Die AfD Pankow schrieb am Freitag auf Twitter, Benn unterstützt zu haben. "In der Kommunalpolitik geht es darum, auch über Parteigrenzen und ideologisch Trennendes hinweg zu sehen", ist auf dem Account der AfD zu lesen. Es gelte nun, das demokratische Votum zu respektieren.

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Überprüfen lässt sich das freilich nicht, denn nach der Wahl steht nur eines fest: Die zusätzlichen 6 Stimmen und 2 Enthaltungen könnten von CDU (8 Stimmberechtigte) und/oder der AfD (5 Stimmberechtigte) gekommen sein - müssen sie aber nicht. Auch Grüne und FDP könnten sich umentschieden haben.

Berliner Linken-Vize: Wahl durch Rechtsradikale nicht wahrscheinlich

Der Vize-Chef der Berliner Linken, Tobias Schulze, verteidigte seinen Parteikollegen am Freitag. Sören Benn "war in den vergangenen Jahren ein über Parteigrenzen hinweg anerkannter Bürgermeister und ein lauter und erkennbarer Antifaschist", schrieb Schulze am Freitag auf Twitter. "Dass ihn Menschen von Grünen, CDU und FDP gewählt haben könnten, ist wahrscheinlich. Dass ihn Rechtsradikale gewählt haben, nicht."

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Der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, verneinte, dass seine Partei (womöglich mit der AfD) für den Linken Benn gestimmt hätte. "Geheime Wahlen haben die Eigenart, geheim zu sein. Ich wage aufgrund meiner Erfahrung mit Bezirksamtswahlen in Berlin allerdings, ein geschlossenes Abstimmungsverhalten der anderen Fraktionen stark zu bezweifeln", sagte Evers dem Tagesspiegel. "Eine Kooperation mit der AfD hat es in Pankow nicht gegeben, solche Spekulationen wären nicht nur haltlos, sondern geradezu unverschämt. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundespartei hat für die CDU Berlin in seinen beiden Teilen uneingeschränkte Gültigkeit."

Die FDP bestritt ebenfalls, es gewesen zu sein. "Unsere Stimmen waren es nicht, die Benn zum Bürgermeister gewählt haben", schrieb die Berliner FDP-Vize-Chefin und Pankower Vorsitzende, Daniela Kluckert, auf Twitter. "Und die der CDU wohl eher auch nicht. Damit hat die @LinkePankow und die @spdberlin sich selbst und #Pankow zum Spielball der #afd gemacht. Für die nächsten fünf Jahre ist das eine katastrophale Voraussicht."

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Die Fraktionsvorsitzende der Pankower CDU, Denise Bittner, sagte dem Tagesspiegel: "Ich werde keinen Kommentar zum Abstimmungsverhalten meiner Fraktion abgeben. Ich schätze das Prinzip freier und geheimer Wahlen. Ich war deshalb irritiert davon, dass sich die FDP so klar zu ihrem Wahlverhalten geäußert hat. Die Debatte, die wir jetzt haben, wertet die wenigen AfD-Stimmen enorm auf. Wir werden uns am durchschaubaren Spiel dieser Partei nicht beteiligen."

"Wer schmeißt Sören Benn den Blumenstrauß vor die Füße?"

Die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Kerstin Müller, sieht die Linke in der Verantwortung. Sören Benn und die Berliner Linke hätten in Kauf genommen, mit den Stimmen der AfD gewählt worden zu sein. "Echt jetzt? Wo ist die scharfe Kritik v @dieLinke im Bund dazu? Wer schmeißt @SoerenBenn den Blumenstrauß vor die Füße? Da wurde eine Brandmauer überschritten."

Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) schlug in dieselbe Kerbe: "Hätte ich echt nicht gedacht, dass Ihr soweit geht", schrieb sie auf Twitter an die Adresse Benns.

Oliver Helm, Mann der Berliner Linken-Chefin Anne Helm, warf den Grünen ein falsches Spiel vor. "Es ist wirklich einigermaßen perfide, wie Grüne in Pankow und drumherum gerade versuchen, @SoerenBenn Akzeptanz von AfD Stimmen zu unterstellen um davon abzulenken, dass er AUCH mit Grünen Stimmen gewählt wurde, weil die die eigene Kandidatin nicht mitgetragen haben."

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