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Liveblog zur Demo in Berlin: 150.000 Menschen protestierten am Bundestag gegen Rechtsextremismus
An diesem Samstag demonstrierten bundesweit Hunderttausende gegen rechts. Auch in Berlin hatte ein Bündnis aus vielen Organisationen zum Protest aufgerufen. Der Newsblog.
Von Tagesspiegel- Autor:innen
Stand:
Für Samstag hatte ein Bündnis aus Initiativen und Organisationen am Reichstagsgebäude zu einer Demonstration und einer Menschenkette gegen Rechtsextremismus und die AfD aufgerufen. Angemeldet waren 100.000 Demonstranten, gekommen sind nach Einschätzungen der Polizei 150.000. Das Demo-Motto lautete „Wir sind die Brandmauer: Bündnis gegen Rechts“.
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Veranstalter sprechen von 300.000 Demonstranten
Dem Bündnis "Hand ind Hand" zufolge sollen heute 300.000 Menschen vor dem Bundestag in Berlin protestiert haben. Die Polizei bestätigt hingegen 150.000 Menschen. Wie solche unterschiedlichen Zahlen zustande kommen können, erklärt Tagesspiegel-Autor Moritz Valentino Matzner in dem Artikel "100.000 oder doch 350.000 Menschen? Wie die Teilnehmer der Berliner Demo gegen rechts gezählt wurden".
"Was für eine Stimmung"
Die Juristin und Linken-Politikerin Clara Anne Bünger veröffentlichte via X (vormals Twitter) eine beeindruckende Videoaufnahme der heutigen Demo.EKD-Kirchenfunktionärin: „Jesus würde kotzen!“
Die deutsche Kirchenfunktionärin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, demonstrierte heute ebenfalls in Berlin. Bei ihrem Redebeitrag wurde sie deutlich: „Menschenfeindlichkeit hat bei uns keinen Platz. Jesus würde kotzen!“
„Ich glaube, wir haben zu lange die Klappe gehalten.“
Demonstrant Patrick Stein erklärte: „Ich glaube, wir haben zu lange die Klappe gehalten.“ Er hatte ein Schild dabei im Stil der Warnhinweise von Zigarettenschachteln: „Rassismus fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.“ (dpa)
Demo-Besuch gegen das Gefühl der Machtlosigkeit
Erschreckt von den Ergebnissen der Correctiv-Recherche zeigte sich die Berlinerin Claudia Kirchert, die mit ihrer Tochter vor das Reichstagsgebäude gekommen war. Die 49-Jährige sprach davon, mit der Teilnahme in der großen Gruppe etwas gegen das Gefühl der Machtlosigkeit zu tun. „Ich wäre vor einem Jahr möglicherweise noch nicht zu so einer großen Demo gegangen.“ Die Hoffnung jetzt: Der AfD und Rechtspopulisten signalisieren, dass es ein Gegengewicht gibt. (dpa)
"Brandmauer" auch in Potsdam
Mit einer "doppelten und dreifachen Menschenkette" wurde heute auch in Potsdam gegen Rechtsextremismus demonstriert, berichtet unsere Chefredakteurin der "Potsdamer Neuesten Nachrichten", Sabine Schicketanz.
Luisa Neubauer: "Es muss weiter in der Politik gehen"
Die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer fordert mehr Initiative von der Politik. "Ganz entscheidend ist, dass alle demokratischen Parteien jetzt die Mehrheitsbeschaffung bei Abstimmungen durch die AfD kategorisch ausschließen."
Ramona Pop: "Gemeinsam für unsere Demokratie"
Auch die Grünen-Politikerin und Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes Ramona Pop demonstrierte vor dem Bundestag gegen Rechtsextremismus.
"Hier müssen sich Anhänger der CDU genauso wohlfühlen wie die von der Linkspartei"
"Ich bin stolz auf die Demokratiebewegung, aber ich mache mir auch Sorgen", sagte Hakan Demir, Bundestagsabgeordneter der SPD, dem Tagesspiegel. "Diese Bewegung muss ein Ort für alle bleiben." Anhänger der CDU müssten sich genauso wohlfühlen wie die von der Linkspartei. "Nur ein breites Bündnis ist wirklich stark gegen Rechtsextremismus."
Ricarda Lang: "Lieber solidarisch, als solide arisch"
Grünen-Politikerin Ricarda Lang schreibt via Twitter: "Die AfD lebt von der Lüge, dass sie eine schweigende Mehrheit vertritt."
Klaus Lederer demonstriert mit
Auch der Linken-Politiker Klaus Lederer demonstrierte vor dem Bundestag gegen Rechtsextremismus. Die "klare Kante gegen rechts" sei dem Politiker zufolge "stark". "Das müssen wir uns bewahren, weit über diesen Tag hinaus", so Lederer."Revolverheld" performt vor dem Bundestag
Auf der Kundgebung spielte die deutsche Rock-Band "Revolverheld" zwischen den Redebeiträgen ihren Song "Sperrig". Auch der Song "So kaputt" wurde performt. Zum Abschluss ihres Auftritts spielte "Revolverheld" ein abgewandeltes Cover des 2010 erschienenen Songs "Alors On Danse" von "Stromae"
Noch vor wenigen Stunden stand die Band in Dresden bei einer Veranstaltung von "Wir sind die Brandmauer Dresden".
Alle Zugänge sind wieder offen
Die Polizei hat alle Sperrungen der Zugänge zur Demonstration aufgehoben, damit Teilnehmer sicher das Gelände verlassen können. Sie bittet darum, auch zu anderen U- und S-Bahnhöfen zu gehen, damit der nächstgelegene am Brandenburger Tor nicht komplett überfüllt ist.
Auch die „Uromas gegen rechts“ sind dabei
Palästina-Flagge bei Demo verboten – auch Redner thematisieren Nahostkonflikt
Bei der Großkundgebung gegen rechts am Samstagnachmittag in Berlin wurde das Zeigen der palästinensischen Flagge von der Polizei verboten. Das bestätigte Sprecherin Anja Dierschke auf Anfrage. „Aufgrund von vielen Aufrufen pro-palästinensicher Gruppen in den sozialen Medien, an der Kundgebung teilzunehmen, hat sich die Versammlungsbehörde für die Beschränkung entschieden“, erläuterte Dierschke.Es habe nach Auffassung der Polizei das Risiko bestanden, dass es zu Aufrufen zur Vernichtung Israels sowie zum Zeigen von Kennzeichen verbotener Organisationen kommt. Ähnliches war in Berlin nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober wiederholt auf pro-palästinensischen Kundgebungen vorgefallen.
Die Organisatoren teilten im Vorfeld auf X mit, dass sie das Verbot „überrascht“ habe und sie die inhaltliche Begründung für falsch hielten. Man wolle dagegen rechtlich vorgehen. Laut Polizeisprecherin Dierschke lagen bis zum Start der Kundgebung jedoch keine Informationen darüber vor, dass Einspruch beim Verwaltungsgericht eingelegt wurde.
Eine Sprecherin des Bündnisses „Hand in Hand“ teilte mit, dass das Verbot erst am Freitagnachmittag per Mail kommuniziert worden sei. Es habe im Anschluss keine Möglichkeit gegeben, mit der Versammlungsbehörde zu sprechen. Das Bündnis hatte der Polizei demnach mitgeteilt, etwaige Bedenken selber im Austausch mit den betroffenen Gruppen zu klären.
Auch auf der Kundgebung wurde der Nahostkonflikt in Reden thematisiert. Eine Sprecherin der Initiative „Palestinians and Jews for Peace“ sagte in einem vorab aufgenommenen Beitrag, man befinde sich im fünften Kriegsmonat zwischen einer faschistischen Regierung und einer Terrororganisation.
„Die Sicherheit von Israelis stützt sich auf die Freiheit der Palästinenser, und die Freiheit der Palästinenser auf die Sicherheit von Israelis“, hieß es in dem Beitrag weiter.
Zum ersten Mal mit Kindern dabei
Etwas außerhalb der Menschenmenge sind viele Familien mit kleinen Kindern zu sehen. Pascal und Lisa sind zum ersten Mal mit ihren Kindern bei einer Demo. Die beiden, drei und vier Jahre alt, haben einen bunten Gehörschutz auf den Ohren und selbstgemalte Bilder in den Händen. „Wir fühlen uns hier sicher, das ist uns wichtig. Es fühlt sich eher ein bisschen wie ein Konzert an“, sagt Lisa.Nicht nur das Sicherheitsbedürfnis habe aber eine Rolle gespielt. „Man muss das schon kritisch hinterfragen, wie man Kinder in politische Kontexte bringt“, sagt Lisa. Die 30-jährige Mutter ist Theaterregisseurin. „Wir hatten das Gefühl, dass die Demo auf so einem breiten demokratischen Fundament steht, dass es ok ist. Hier geht es ja im Grunde einfach um die Grundlage unserer Republik“.
Wie sie die Demo finden? „Ok“, sagt Paul und reibt sich die Augen. „Wir sind jetzt auch auf dem Heimweg, den beiden wird es langsam etwas viel“, fügt Lisa hinzu.

Aktion mit Schildern: „Keine Koalition mit dem Faschismus“
Nach einigem Hin und Her hat das Aufstellen geklappt. Auf 30 Pappschildern ist zu lesen: „Keine Koalition mit dem Faschismus“. Eine Person läuft von Schild zu Schild und stellt sicher, dass die Kartons auf der richtigen Höhe stehen. Die Gruppe nennt sich „Hack“ und bestehe aus 30 bis 60 Personen, sagt eine Sprecherin. „Wir sind ein looser Zusammenschluss von Kulturarbeiter:innen und verstehen uns als ein zusätzliches Angebot zu existierenden Konzepten gegen Rechts“.Heute seien zehn Personen der Gruppe dagewesen. Die restlichen 20 Schilder wurden von Passant:innen hochgehalten. „Die Resonanz ist super gewesen“, sagt die Sprecherin. „Wir wollen bewusst auf gewaltvolle Sprache und politische Symbole verzichten und eine breite Masse erreichen“, fügt sie hinzu. Dann geht das Laufen wieder von vorne los. Auch auf der Rückseite der Kartons sind auch Buchstaben, schwarz auf weiß ist dort zu lesen: „Nie wieder ist heute gestern morgen“. Dann werden die Schilder wieder eingesammelt. Es gibt eine kleine Strategiebesprechung, dann geht die Gruppe auf Suche nach einem neuen Ort.



Abreise beginnt
Während immer noch neue Teilnehmer auf die Wiese vor dem Reichstag strömen, verlassen Tausende das Regierungsviertel und fahren nach Hause. Der Bahnsteig der U5 am Brandenburger Tor in Richtung Alexanderplatz ist voller Menschen, die auf die nächste U-Bahn warten.
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