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So lief die „Nacht der Solidarität“ in Berlin: „Zählgruppe 22? Zehn Obdachlose!“
Mehr als 3000 Freiwillige haben vergangene Nacht Obdachlose gezählt. Was haben Sie erlebt? Wie geht es den Wohnungslosen? Unsere Reporter waren live dabei.
Stand:
- 3725 Freiwillige haben vergangene Nacht die Obdachlosen in Berlin gezählt. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) hatte die deutschlandweit erste „Nacht der Solidarität“ organisiert.
- Vor der Aktion gab es viel Lob, aber auch scharfe Kritik von einem Obdachlosenverband: Man zähle Tiere, aber keine Menschen.
- Linke Aktivisten hatten abgekündigt, die „Nacht der Solidarität“ für ihre Zwecke zu kapern: Sie wollten Bahnhöfe aufsperren, Wohnungen besetzen - es blieb ruhig.
- Die Obdachlosigkeit in der Hauptstadt ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. In Berlin steht Deutschlands größtes Obdachlosencamp.
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Nasser Asphalt - und tschüss!
Es nieselt draußen noch immer, ungemütliches Wetter. Die letzten Teams kehren von ihren Zählrunden zurück und fahren heim. Unsere Reporter Frank Bachner und Nina Breher machen jetzt auch Feierabend. Die Ergebnisse der Zählung gibt es am 7. Februar.
Eine Reportage über die Zählung der Obdachlosen lesen Sie morgen auf www.tagesspiegel.de. Die Live-Chronik dieser "Nacht der Solidarität" können Sie hier im Blog durchscrollen.
Machen Sie's gut - danke für Ihr Interesse!

Video: In Berlin werden nun Obdachlose gezählt
Heim geht's mit der BVG - oder nicht?
Auch einige Abgeordnete haben heute mitgezählt. Zum Beispiel der Grünen-Politiker Stefan Ziller. Zur Belohnung genießt er jetzt den Pendelverkehr der Berliner U-Bahn. Wir wünschen trotzdem einen guten Heimweg!
Wer noch alles dabei war, können Sie übrigens bei Twitter unter dem Hashtag #NachtderSolidarität nachlesen. Wir haben den Vorstand des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg gesichtet, die Linken-Abgeordneten Regina Kittler, Kristian Ronneburg und Michael Efler sowie den grünen Neuköllner Stadtrat Jochen Biedermann und die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Paus - dazu halfen als 3000 weitere Freiwillige.

74 Menschen gezählt: "Die meisten wollten ihre Geschichte erzählen."
Corina Bertz, die wir schon vor ihrer Tour durch die Berliner Nacht getroffen haben, hat mit ihrer Gruppe 74 Menschen gezählt, von 53 haben sie auch Interviews für die Fragebögen geführt."Es war gut", sagt Bertz. "Viele haben uns ihre Geschichten erzählt", sagt sie. Zwei Mitglieder ihrer Zählgruppe arbeiten bei der Bahnhofmission. "Das war ein Vorteil: Die haben bereits einen Draht zu den Menschen. So sind wir leichter als andere ins Gespräch gekommen."
Ein anderes Gruppenmitglied, Angela Müller-Bittner, sagt: "Die allermeisten wollten reden. Ich habe heute Nacht viel menschliche Wärme erfahren." Die Lager der Menschen zu sehen, habe sie aber auch nachdenklich gestimmt. Die Gegend um den Zoo, in der die Gruppe unterwegs war, ist ein absoluter Hotspot für obdachlose Menschen.

Elfy lebt in Berlin seit Jahren auf der Straße. Sie hat Krebs, sie hat Janis und sie hofft. Das ist ihre Geschichte:
Zählgruppe 22? Zehn Obdachlose
Die Zählgruppe, die rund um den Breitscheidplatz unterwegs war (Gruppe 22), kommt zurück zur Bahnhofsmission. "Wir haben zehn Obdachlose gezählt", sagt die Gruppenleiterin.
"Einige wollten mit uns reden, einige nicht. Mit einer Person haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt." Eine weitere Person sei aufgetanden und weggegangen, als die Zählgruppe kam.

Was alles von den Obdachlosen erfragt wird
Wir haben mal nachgehört: In der Senatsverwaltung gehen heute ab Mitternacht - in etwa einer halben Stunde - die Ergebnisse der 61 Zählbüros ein. Die Ergebnisse werden in den Computer eingegeben und dann ausgewertet.
Aber was wird erfragt? Es wird nicht nur die Zahl der Obdachlosen erfasst. Um Hilfsangebote besser abzustimmen, wird auch gelistet:
a) wie alt die Personen sind
b) welches Geschlecht sie haben (weiblich/männlich/divers)
c) seit wann sie keine Wohnung haben
d) mit wem sie zusammenleben, ob allein, als Paar oder mit Kind
e) woher sie stammen: aus Deutschland, einem EU-Land oder einem anderen Staat.
Die Befragung ist freiwillig und anonym. Die Ergebnisse liegen in etwa einer Woche vor. Am 7. Februar werden sie der Õffentlichkeit vorgestellt
Wie jeden Tag wird in der Bahnhofsmission am Zoo nachts Essen ausgegeben. Ab 22 Uhr aus Sicherheitsgründen durch die Fenster. Die drei Helfer nehmen gerade eine Bestellung auf - es gibt Suppe.

Wir schauen nach: Paris
Vorbild für die Berliner Aktion in dieser Nacht ist übrigens die französische Hauptstadt. In Paris kam etwa heraus: Es leben deutlich mehr Frauen auf der Straße als gedacht. Geschätzt wurden maximal vier Prozent - bei der Zählung fand man heraus, dass es mindestens fünfzehn sind. Danach wurden die Hilfsstrukturen für Frauen verbessert. Das Projekt gilt als Erfolg.
Die Vize-Bürgermeisterin von Paris, Dominique Versini, hat sich deshalb mit einer Grußbotschaft an die Berliner Politik gewandt:
Video: Warum ist es notwendig, Obdachlose zu zählen
Kollege Muhamad Abdi hat sich vorhin mit der Kamera umgesehen. Warum machen die Helfer mit? Was erwarten sie von der Nacht? Schauen Sie hier rein.
Blick hinter die Kulissen
Für die vielen freiwilligen Helfer in der Senatsverwaltung gibt es zwischendurch...na klar: Pizza. Wir sind mit nach ganz oben unters Dach geklettert, um mal zu schauen, wie so eine Aktion vorbereitet wird. Viel buntes Papier!

Digital ist gut, analog ist besser
Senatorin Elke Breitenbach (Linke) ist wieder zurück in der Sozialverwaltung und dankt ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die ganze Organisation gestemmt haben.
Der riesenhafte weiß-graue Plan, auf dem die Senatorin im Foto steht, ist übrigens die Karte auf der die Zählgebiete eingeteilt worden. Wie die Zählung funktionierte anscheinend auch die Planung noch: ganz analog.


"Man muss uns doch nicht zählen, um zu sehen, wie man uns helfen kann"
Jenny ist 30 und lebt seit 13 Jahren auf der Straße. Sie ist neu in Berlin, bis vor kurzem lebte sie in Bremen. Von der Zählung hat sie zwar gehört, aber dass sie was ändert, glaubt sie nicht. "Man braucht doch keine Zählung um zu sehen, wie man uns helfen kann", sagt sie. "Wir brauchen mehr Unterkünfte, in denen man keine Läuse und Flöhe bekommt. Und mehr Hilfsangebote."
Immer wieder sei sie daran gescheitert, eine Wohnung zu bekommen. "Man geht einen Schritt vor, dann wird man zehn Schritte zurückgeworfen."
Von den Menschen, die vorbeikommen, wünscht sie sich mehr Engagement. "Die meisten gehen nur vorbei. Man könnte uns mal fragen, ob alles okay ist, ob wir was brauchen. Und gucken, ob Leute, die sich nicht bewegen, noch atmen." Das passiere viel zu selten.
Wenn sie sich von der Politik was wünschen könnte, wären das "Dixi-Klos an Orten, wo viele Obdachlose sind. Und Unterkünfte für Paare." Sie lebt mit ihrem Freund und ihrem Hund unter einer Brücke am Bahnhof Zoo. Man müsse hier zusammenhalten, "sonst wird es gefährlich. Vor allem für Frauen." Erst gestern habe sie "auf die Fresse bekommen" und hat seitdem eine gebrochene Nase.
Fotografieren lassen will sie sich nicht, aber ihren Hund Snowball durfte ich ablichten. Bald verabschiedet sie sich von ihm: "Ich gebe ihn ab, an eine Freundin." Die hat eine Wohnung. "Für uns ist es hier schon scheiße genug, für Hunde ist es bestimmt noch schlimmer. Ich will nicht, dass es ihm schlecht geht", sagt sie.
Bei vier Grad und Regen ziehen die tausenden Helfer heute Nacht durch die Stadt. Die Obdachlosen sind jede Nacht jedem Wetter ausgesetzt.
Die Kollegen von der Deutschen Presseagentur haben diese Szene am Bahnhof Zoo eingefangen. Dort haben Obdachlose seit Jahren ihre Platte. Ganz in der Nähe ist die Bahnhofsmission, wo sie mit Essen und Getränken versorgt werden.

Von einer Obdachlosenvertretung und linksalternativen Gruppierungen gibt es Kritik an der Zählaktion. Es heißt, man zähle Tiere; Menschen solle man helfen. Viele Wohlfahrtverbände dagegen wollen seit langem, dass es endlich konkrete Zahlen gibt.
Mein Kollege Robert Klages hat in den vergangenen Tagen mit Berliner Obdachlosen gesprochen und sie gefragt: Wie findet ihr das eigentlich?
Anja Brockelmann hat sich eine weinrote Wollmütze aufgesetzt, sie arbeitet in der Wohnungslosenholfe, ist eine der Helferinnen, die jetzt von der “Kiezspinne” loszieht. “Ich betrachte die Zählung als sehr wichtig “, sagt sie. Für sie sei vor allem wichtig, dass danach die Hilfe für Obdachlose verbessert und ausgeweitet werde.

Was wir heute bloggen - und was nicht
Die Zählung startet um 22 Uhr. Die Helfer dürfen nichts davon veröffentlichen. Warum wir bloggen:
Wir glauben, es ist wichtig, von der Zählaktion zu erzählen. Wir glauben, dass es wichtig ist, über das Leben der Menschen auf den Berliner Straßen zu informieren - deshalb gibt es den Blog.
Was für uns klar ist: Wir halten uns an die Regeln, die die Senatsverwaltung für die Helfer aufgestellt hat und werden nicht live von der Zählung selbst berichten.
Unsere Reporter sind aber bei den vielen Presseterminen dabei und werden unabhängig in der Nacht unterwegs sein, um über Schicksale der Obdachlosen und die Hintergründe von Wohnungslosigkeit zu berichten.
Die Redaktion
In diesen Minuten ziehen mehr als 3000 Menschen durch Berlin, um Obdachlose zu zählen. Wir sind gemeinsam mit Senatorin Elke Breitenbach (Linke) in einem der Zählbüros in Lichtenberg. Es heißt: Kiezspinne. Dort fließen die Ergebnisse am Ende der Nacht zusammen.


Auf in die Nacht: Die Zählung hat begonnen
Die letzten Zählteams machen sich vom "Zentrum am Zoo" in die Nacht auf. Während der Zählung gilt: keine Fotos, keine Presse. Um spätestens ein Uhr kommen die Teams an der Bahnhofsmission wieder zusammen. Dort werden wir sie zu ihren Erfahrungen befragen.Bis dahin berichten wir live von anderen Orten: Wir schauen uns an, wo die Zahlen ausgewertet werden, und fragen Obdachlose, was sie selbst von der Aktion halten.
Wohnplätze für Obdachlose aus der Rummelsburger Bucht
Übrigens gab es heute sehr gute Nachrichten für die Bewohner des größten Obdachlosencamps Deutschlands. Wie mein Kollege Robert Klages berichtet, stellt der Bezirk Lichtenberg immerhin 30 Plätze für die Menschen aus der Rummelsburger Bucht zur Verfügung. Ab morgen können sie in der Notunterkunft in der Köpenicker Straße nächtigen.

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