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Berlin: Medienprojekt "Klasse!": Wo die Bahn nach Rissen forscht

Kirchmöser schläft. Die Häuschen in dem Dorf bei Brandenburg, 80 Kilometer südwestlich von Berlin, sind mit einer weißen Rauhreif-Schicht überzogen.

Kirchmöser schläft. Die Häuschen in dem Dorf bei Brandenburg, 80 Kilometer südwestlich von Berlin, sind mit einer weißen Rauhreif-Schicht überzogen. Der Bus huckelt vom Bahnhof über die Kopfsteinpflasterstraßen, nur selten kommt ihm ein Auto entgegen. In Kirchmöser ist das Forschungs- und Technologiezentrum der Deutschen Bahn (FTZ) angesiedelt. 16 Schülerinnen und Schüler des Ernst-Abbe-Gymnasiums in Neukölln und ihre Lehrerin für Politische Weltkunde, Erdmute Safranski sind im Anmarsch. Sie nehmen am "Klasse-Projekt" des Tagesspiegel teil und haben sie sich für die Exkursion nach Kirchmöser entschieden, um dem Thema Forschung bei der Deutschen Bahn AG nachzuspüren.

Hier wird Grundlagenforschung betrieben, werden Unfälle untersucht. Die Ergebnisse lassen wichtige Rückschlüsse auf die Ursachen zu. Mit einem Satz: Die Mitarbeiter des FTZ werden tagtäglich aus Schaden klug. Die Aufgaben der Ingenieure sind immer gleich: Sicherheit erhöhen, Instandhaltung optimieren, Kosten senken. Am Eingang begrüßt Ingo Trockels, Abteilungsleiter im FTZ, die Schüler. "Neben Kirchmöser gibt es weitere Forschungsstätten der Deutschen Bahn in München, Minden, Berlin und Frankfurt am Main mit insgesamt 1200 Beschäftigten", erklärt er. Das Forschungszentrum ist in einzelne Fachbereiche untergliedert, "in denen steckt das Know-How". In zwei Gruppen geht es in die Hallen. Im sogenannten "Rad-Schiene-Simulationsprüfstand" steht ein 500 kW starker Motor, der zwei übermannsgroße Schienenrollen mit einem Durchmesser von mehr als zwei Metern beschleunigt. Die Schienenrollen treiben einen Radsatz an. Nach kurzer Zeit lässt die Achse mit ihren zwei Laufrädern den Lärmpegel in der Halle anschwellen. Auf bis zu 330 Kilometer pro Stunde wird sie beschleunigt, abgebremst, wieder beschleunigt. "Auf dem Prüfstand wird das Zusammenspiel von Rad und Schiene bis in den Hochgeschwindigkeitsbereich nachgebildet, um Erkenntnisse aus diesem Kontaktbereich zu liefern", erklärt Projektleiter Uwe Gerold. Dabei geht es nur um einen Quadratzentimeter, so klein ist die Berührungsfläche zwischen Eisenbahnrad und Schiene. Auf diesem winzigen Punkt spielen sich immer noch Geheimnisse ab, die die Forscher nicht bis ins Detail kennen. In der Halle daneben wird mit Ultraschallwellen geforscht. Vor allem um Risse in den Radsätzen von hochbelasteten ICE-Rädern diagnostizieren zu können, bedienen sich die Forscher dieser neuartigen Methode. "Mit Hilfe der Ultraschallwellen können die Laufflächen innen und außen gründlich und vollständig auf Ermüdung oder andere Materialschäden untersucht werden", erzählt Heinz-Wolf Fenger, der die Zwölftklässler weiter durchs FTZ geleitet. "Das ist ja so ähnlich wie die Ultraschall-Untersuchung bei schwangeren Frauen", sagt eine Schülerin.

Im Anschluss darf die Klasse die zahlreichen Labors besichtigen. Gert Wiese von der Metallogrphie erklärt, dass "Stahl nicht gleich Stahl" ist. Im FTZ gibt es Forscher, die eigens daran arbeiten, die Materialien zu prüfen, die beim Eisenbahnbau verwendet werden. Fehler im Material müssen ausgeschlossen werden, ist die Devise. Auf der Heimfahrt sind sich die Schüler einig, dass die Besichtigung "schon beeindruckend war". Zwar war keiner von ihnen so begeistert, dass er später einmal am liebsten im FTZ arbeiten würde, aber das hat wohl auch mit den Ausbildungsanforderungen der Mitarbeiter dort zu tun. Die Meisten sind Ingenieure. Sie haben Physik oder Mathematik studiert.

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