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Hauptsache Luft! Weil überall Luftfilteranlagen fehlen, sitzen die Schüler im Kalten. Hier lüftet eine Schülerin einer 13. Klasse der Oberstufe der Stadtteilschule Niendorf in Hamburg.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Mehr als zwei Monate nach Senatsbeschluss: In Berlins Schulen steht noch kein einziger von 1200 Luftfiltern

Am 3.11. beschloss der Senat 4,5 Millionen Euro auszugeben, wichtigstes Kriterium: der Preis. Die Bezirke ärgern sich - doch Pankow zeigt, wie es anders geht.

Ohne Lüften geht gar nichts in den Schulen – so viel steht fest im Kampf gegen das Coronavirus. Wo das mangels weit zu öffnender Fenster nicht möglich ist, sollen Luftreinigungsgeräte die Sicherheit erhöhen. So hatte es der Senat am 3. November beschlossen.

Noch steht allerdings kein Gerät parat, um der Schülerschaft und den Beschäftigten zusätzliche Sicherheit zu bieten, wenn die Schule wieder beginnt. Stattdessen herrscht Durcheinander bei Auswahl und Beschaffung: Jeder Bezirk agiert anders – und die Senatsverwaltung für Bildung auch. Das hat Folgen – sowohl für die Qualität der Luftreiniger als auch für die Lieferzeit.

Das Wirrwarr beginnt bei den Auswahlkriterien. So hat die Bildungsverwaltung zusammen mit der Berliner Immobiliengesellschaft (BIM) für alle öffentlichen Berufsschulen festgelegt, dass der Anschaffungspreis das wichtigste Kriterium sein soll: Mit 60 Prozent schlägt er zu Buche.

So steht es in dem Schreiben an die potentiellen Anbieter, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die Lautstärke hingegen soll nur zu vier Prozent die Auswahl beeinflussen – und das, obwohl ein monotones Brummen den Unterricht erheblich stören kann. Alle Qualitätskriterien, darunter auch die Frage einer zusätzlichen Filterung oder die Bedienung und Regelung, summieren sich auf 24 Prozent, die Lieferzeit gibt zu 16 Prozent der Ausschlag.

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Dabei geht es auch anders. Der Bildungs- und Gesundheitsstadtrat von Pankow, Torsten Kühne (CDU) berichtet, dass sein Bezirk sich vorab für ein bestimmtes Gerät entschieden hat, das bei einem Pilotprojekt überzeugt hatte: „Das wichtigste Kriterium für uns war die nachweisbare Wirksamkeit und Effizienz – noch vor dem Preis“, erläutert Kühne seine Auswahl. Dazu habe ein Gutachten der Charité vorgelegen.

Schreiben die Bezirke Aufträge aus, läuft es deutlich schneller

Während Pankow, aber auch etwa Spandau und Marzahn-Hellersdorf, bereits Mitte Dezember ihre Zuschläge an die Firmen vergeben hatten und im Januar mit der Lieferung aller Geräte rechnen können, gibt es andernorts eine komplett andere Lage. So hat die BIM die potentiellen Lieferfirmen erst am 8. Dezember angeschrieben – zu einem Zeitpunkt, als in Pankow etwa schon alles klar war.

„Wir wollten nicht auf die BIM-Ausschreibungsunterlagen warten“, berichtet Kühne, der sich über die Effizienz seiner Ämter freut: Er ist der einzige Berliner Stadtrat, der gleichzeitig für das Schul- und Gesundheitsressort sowie das Gebäudemanagement zuständig ist – und dazu noch im kinderreichsten Bezirk.

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Ganz anders die Lage in Mitte, wo Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) erst im März mit der Lieferung der Luftreinigungsgeräte rechnet, wie die Antwort der Bildungsverwaltung auf eine Anfrage von FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja belegt. Aber auch andere Bezirke lassen ihre Schulen warten – und nennen noch nicht einmal einen Zeitpunkt für die Lieferung der Geräte.

So berichtet das Schulamt von Oliver Schworck (SPD) in Tempelhof-Schönefeld, dass erst jetzt die Angebote für die Geräte eingeholt würden. Wann sie geliefert werden, kann Schworck daher noch nicht einmal angeben. Zeitliche Lieferangaben fehlten ebenso in Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick.

BIM brauchte einen Monat für die Ausschreibung

Dass die BIM die potentiellen Firmen erst am 8. Dezember anschrieb, obwohl der Senat die Finanzierung von 1200 Geräten bereits am 3.11. beschlossen hatte, begründete eine BIM-Sprecherin mit „zahlreichen Abstimmungsschritten in Vorbereitung der Ausschreibung“. Und sie teilte auch mit, warum sie den Preis als Kriterium mit 60 Prozent gewichtet: Als landeseigener Immobiliendienstleister sei sie „auch in Bezug auf Ausschreibungen „an bestehende Kriterien zur Wirtschaftlichkeit gebunden“.

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Das allerdings gilt auch für Bezirke wie Pankow, die die Vorgaben offenbar anders bewerten und sich daher im Stande sehen, andere Kriterien zu priorisieren als die BIM – und damit auf einer Linie mit dem Landeselternsprecher liegen: Norman Heise „sieht es kritisch“, dass der Preis mit Abstand vorn steht.

„Das organisierte Chaos in der Berliner Schulverwaltung schlägt wieder einmal zu“, formuliert es Sebastian Czaja von der FDP: „Erst wird großspurig etwas versprochen, dann werden Schulen und Bezirke mit der Umsetzung allein gelassen.“ Wer „die Hausaufgaben erst in der kleinen Pause vor der Abgabe macht, braucht sich über die schlechte Note nicht zu wundern“, kommentiert er die lange Dauer bis zur Bereitstellung.

Wie berichtet geht es um 1200 mobile Luftreinigungsgeräte für 4,5 Millionen Euro. Angesichts von über 800 öffentlichen Schulen ist klar, dass tatsächlich nur einzelne Räume mit ungünstigen Lüftungsbedingungen berücksichtigt werden können.

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