
© Abury GGA
Mentoring und Inspiration: Junge Frauen aus aller Welt werden für Führungsrollen gestärkt
Andrea Burys Stiftung bringt talentierte junge Frauen aus aller Welt nach Deutschland. In einer Mentoring-Woche werden sie von 42 erfolgreichen Frauen beraten und für Führungsaufgaben gestärkt.
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Als Andrea Bury die Stipendiatin Simane aus Agadir (Marokko) vom Flughafen abholt, ist sie komplett überrascht. Die junge Frau ist in einfachen Verhältnissen auf dem Land in der Nähe von Agadir groß geworden. Eltern und Geschwister sprechen nur arabisch. Und nun unterhält sich Simane mit ihr in fließendem, fast akzentfreiem Englisch.
Noch verblüffter ist die Gründerin der Abury Foundation, als ihr die 16-Jährige gesteht, dass sie noch nie zuvor mit einem Menschen live in dieser Sprache geredet habe. Die Kenntnisse hat sie sich ganz allein mithilfe von YouTube beigebracht. Kein Zweifel, Simane ist hoch motiviert und will ihre Chance nutzen.
Sie hat ein zehntägiges Visum für Deutschland bekommen, um am Mentoring-Programm der „Abury Girls Gearing Up“-Academy teilzunehmen. Das Programm stehe für den Gedanken, dass begabte junge Frauen sich bereit machen für Führung, für die Zukunft, für die Realisation ihrer Träume, sagt Andrea Bury.
Auf einer Café-Terrasse erzählt die 54-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin, was sie antreibt, junge Frauen aus aller Welt zu unterstützen. Zwei Jahre hat sie selbst in Marrakesch gelebt, ein Hotel mitaufgebaut und beobachtet, wie restriktiv Mädchen und junge Frauen dort leben, wie wenig Möglichkeiten sie haben.
Dank für ein privilegiertes Leben
Mit Gleichgesinnten schuf sie über die Jahre das Projekt mit dem Ziel, ein internationales Netzwerk zu entwickeln und damit junge Frauen zu fördern, die bereit sind, Lösungen für globale Herausforderungen wie Klimawandel, institutionalisierte Ungleichheit, politische Spaltung und ungleichen Bildungszugang zu suchen.
Ihr sei schon früh klar geworden, dass sie in Deutschland ein privilegiertes Leben führt. Andrea Bury ist in einem kleinen Dorf zwischen Stuttgart und Tübingen aufgewachsen. Als die ersten Türken sich dort niederließen, freundete sie sich mit einem gleichaltrigen Mädchen aus der Türkei an, half ihr nach Möglichkeit. Trotzdem konnte sie die Freundin am Ende nicht vor der Sonderschule bewahren.
Mitarbeit an den Laureus Sports Awards
Aber der Kontakt mit Tülin hat ihren Horizont erweitert, hat ihr Interesse für andere Lebenswelten angestachelt. Bury studierte, wurde Beraterin und war dann rasch auch international unterwegs. Seit 2009 lebt sie in Berlin. In Monaco entwickelte sie die Laureus Sports Awards mit.
Zuletzt beriet sie die Special Olympics, brachte Athleten mit Designern zusammen, die nach deren Wünschen Kleidung entwarfen. Bei einer Tätigkeit für die Formel 1 kam sie bei einer Fahrt durch eine Favela in Sao Paulo zum ersten Mal mit richtig schlimmer Armut in Kontakt. Noch ein Impuls, sich für eine bessere Welt einzusetzen.
Marokkanische Taschen im Bikini-Haus
2011 gründete sie die Abury Foundation, die einen wirtschaftlichen und einen philanthropischen Zweig hat. Zum einen gab sie landestypische Taschen in Auftrag, die aufwändig bestickt wurden und erst im Bikini-Haus und später online verkauft wurden.
Zum anderen wollte sie benachteiligten, aber ambitionierten jungen Frauen Erfahrung ermöglichen, eine Woche mit anderen, gleichgesinnten jungen Frauen zu verbringen. Wie gut das funktioniert, war kürzlich hautnah zu erleben in der Berlin Brandenburg International School (BBIS).
Es ist zu spät, wenn wir die jungen Frauen erst am Beginn ihrer Karriere fördern.
Andrea Bury
Um das Stipendium für Deutschland zu bekommen, hatte Simane einige Tests bestehen müsse. Am Ende wurde sie unter fünf Kandidatinnen ausgewählt, an der Abury Girls Gearing Up Academy teilzunehmen.
Nun ist sie im Internat in Kleinmachnow, in der BBIS und macht Small Talk mit den Mentorinnen, erfolgreichen Frauen aus Berlin, als hätte sie nie etwas anderes getan. Mathematik und Philosophie wolle sie später mal studieren, erzählt die 16-Jährige.
Junge Frauen aus Litauen, Ghana und Israel
„Wir haben festgestellt, dass es zu spät ist, wenn wir die jungen Frauen erst am Beginn ihrer Karriere fördern“, sagt Andrea Bury. Das müsse viel früher geschehen, damit sie dem Druck ihre Umgebung widerstehen könnten, sich das mit der Karriere ganz aus dem Kopf zu schlagen. 42 junge Frauen aus 15 Ländern sind hier, etwa aus Litauen, Ghana, Israel, Palästina und Großbritannien. Manche kommen aus interkulturellen Familien, deutsch-japanisch oder deutsch-spanisch.

© Tanja Brückner
Wo die Eltern es sich leisten können, bezahlen sie für die Teilnahme der Töchter. So entsteht eine gute Mischung aus mehr und weniger privilegierten jungen Frauen. Sie sollen sich gegenseitig inspirieren – und später andere junge Frauen in ihrem Umfeld. Zwischen den jungen Frauen werden wohl bleibende Kontakte entstehen. Vielleicht laden sie später einander ein, die jeweils andere Lebenswelt noch näher kennenzulernen.
Die richtigen Freunde finden
Aber an diesem Nachmittag ziehen sie sich erstmal zu Eins-zu-eins-Gesprächen mit 42 erfolgreichen Frauen aus Burys Berliner Netzwerk zurück. Nach anderthalb Stunden präsentiert jede Einzelne vor versammelter Mannschaft, was sie gelernt hat in dem Gespräch.
Ein erstaunliches Konglomerat von Weisheiten tritt zutage: „Networken! Offen sein!“, sagt eine. Die nächsten jungen Frauen haben andere Lehren gezogen: „Ernsthaft interessiert sein an dem, was man macht. Seinem Herzen folgen. An sich selbst glauben. Die richtigen Freunde und den richtigen Mann finden. Die Perspektiven anderer Menschen verstehen lernen.“
Eine Stunde lang geht das so. „Risiken eingehen. Nicht zu viel grübeln, lieber handeln. Immer an dich selbst glauben. Nach Chancen suchen. Lerne, wie man ein faires Gehalt aushandelt. Resilienz. Sich nicht unterschätzen. Wissen, dass wenn jemand perfekt tut, es ganz bestimmt nicht ist. Immer weitermachen.“
Andrea Bury und ihre Mitstreiterinnen sind tief berührt von der Magie dieses Moments. Es begeistert sie zu sehen, was mit den jungen Frauen innerhalb von einer Woche passiert. Simane hat sich mit einer Ärztin unterhalten und fühlt sich weiter ermutigt. „Du hast jetzt einen Fuß in der Tür“, ruft die ihr zu.
Interesse an MINT-Themen
Eine frühere Teilnehmerin aus Marokko habe sie letztes Jahr gefragt, ob sie ihr einen Laptop sponsern könne, erzählt Bury später. So ein Gerät ließ sich im Bekanntenkreis leicht auftreiben. Und jetzt hält sie fast etwas triumphierend ihr Handy hoch mit einem Foto von der jungen Frau, das gerade einen nationalen Tech-Preis gewonnen hat. Das große Interesse der teilnehmenden jungen Frauen an Tech- und MINT-Themen lässt sie hoffen, dass sich noch mehr Sponsoren finden für die Stipendien.
Andra Bury ist bereits mit ihrem nächsten Projekt beschäftigt. Am 1. September startete in Marrakesch ihre Abury Hospitality Academy. Dort werden 25 junge Frauen im Alter zwischen 18 und 30 Jahre lang neun Monate lang für Jobs in der Hotellerie, im Housekeeping, im Service und in der Küche ausgebildet. Englischunterricht und die Vermittlung von IT-Kenntnissen gehören dazu. Spätestens bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2030 werde der Bedarf an solchen Kräften immens sein, ist Bury überzeugt.
Schon jetzt hat sie Hotels wie das Four Seasons und das Oberoi überzeugen können, die jungen Frauen für drei Monate als Praktikanten aufzunehmen. Im Hintergrund steht die Hoffnung, dass sie am Ende Festanstellungen erhalten. Die Lehrpläne hat sie in Kooperation mit der Stiftung einer Hotelfachschule in Lausanne erarbeitet.
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