
© dpa/Monika Skolimowska
„Merz und Söder übernehmen zunehmend AfD-Sprech“: Berlins bekanntester Fahrrad-Aktivist verlässt die CDU
Er initiierte den Fahrrad-Volksentscheid und die Bäume-Kampagne: Fahrrad-Aktivist Heinrich Strößenreuther wechselt die Partei – und rechnet hart mit der CDU ab.
Stand:
Als Heinrich Strößenreuther im März 2021 seinen Eintritt in die CDU verkündete, wunderten sich viele: Ausgerechnet Berlins bekanntester und lautester Fahrrad-Aktivist wurde Mitglied der Partei, die sich als Anwältin der Autofahrer versteht. Jetzt tritt Strößenreuther aus: Am zweiten Weihnachtsfeiertag – seinem 57. Geburtstag – wollte er seine Kündigung in den Briefkasten der Parteizentrale werfen („geht nicht digital“), um tags darauf die Aufnahme bei den Grünen zu beantragen (digital). Im Gespräch erklärt er seine Gründe.
Herr Strößenreuther, warum treten Sie erst jetzt aus der CDU aus?
Ich habe dort mit viel Einsatz versucht, mit einer anderen Art von Narrativ für Klimapolitik zu werben, die ja kein linkes Klientelprojekt ist, sondern von der auch die deutsche Wirtschaft enorm profitieren könnte. Parteifreunde haben mir gesagt, wir brauchen die vernünftigen Leute aus der Mitte in der CDU. Wenn die das Schiff verlassen, geht es den Bach runter. Das aktuelle Wahlprogramm hat dermaßen braune Töne wie „Bett, Brot und Seife“ angenommen, die ich für eine christliche Partei nicht mehr als akzeptabel erachte.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Sie sind bekannt als zuweilen polemischer Kämpfer für die Mobilitätswende. Aus dem von Ihnen initiierten Fahrrad-Volksentscheid ist das Mobilitätsgesetz hervorgegangen – mit dem die CDU seit jeher ein Problem hat. Insofern stand die Partei schon damals fürs Gegenteil Ihrer Agenda.
Ich verstehe ja, dass man etwas für die Autofahrer tun will: Autofahrer mit guten neuen Radwegen aufs Rad locken oder in Bus und Bahn, um Stau- und Parkplatzsorgen zu schmälern. Mit Manja Schreiner hatte man noch den Eindruck, dass „Autoverkehr eindämmen“ die Brücke zwischen den rechtlichen Pflichten des Mobilitätsgesetzes und dem Credo gegenüber den Wählern ist.
Die nicht vorhandene Performance in der Verkehrs- und Klimapolitik hätte ich auch noch länger ertragen, nicht aber die Verschiebung des Diskurses immer weiter nach rechts. Das betrifft weniger die Landes- als die Bundespartei, einschließlich der CSU. Merz und Söder übernehmen nicht nur in Migrationsthemen zunehmend AfD-Sprech, sondern auch bei Klima- und Umweltschutz. Ich habe den Eindruck, dass einige in CDU und CSU sich die Republikaner in den USA eher zum Vorbild genommen haben als den vielleicht etwas altmodischen bürgerlichen Anstand. Da werden Fakten verdreht bis hin zu Fake News.
Ist die von Ihnen mitbegründete „Klima-Union“ tot?
Tot ist sie überhaupt nicht, im Gegenteil. Sie hat vor einem Jahr die Strategie gewechselt und kritisiert Dinge nun nicht mehr öffentlich, sondern versucht stärker, hinter den Kulissen Vertrauen aufzubauen und damit etwas zu erreichen. Das trage ich auch mit. Aber wenn rote Linien überschritten werden, kann man nicht weiter öffentlich schweigen – und hier haben sich Wege getrennt.
Gab es irgendwen, der gesagt hat: Schade, dass du gehst?
Ja, es gibt ja durchaus Leute in der CDU, die ein Problem damit haben, wie sehr die Partei den Klimaschutz, wirtschaftliche Chancen und Industriepolitik vernachlässigt. Ich habe bislang für die CDU ausschließlich ehrenamtlich gearbeitet und keinen Cent bekommen für die Arbeit, die ich dort gemacht habe. Damit kann ich leben, aber wenn ich schon meine Kraft und Zeit investiere, dann lieber an einer Stelle, wo die Klimadramatik und die Chancen für die deutsche Wirtschaft verstanden werden und wo man die Themen ernst nimmt, auf die es wirklich ankommt.
Das führt Sie geradewegs zu den Grünen. Was haben Sie dort vor?
Erst mal ist es nur eine Geste, dass ich wieder bei den Grünen eintrete. Aber ich will schon auch mit den erlernten Narrativen helfen, mehr bürgerliches Wählerpotenzial für die Grünen zu erschließen – für die Bundestagswahl und die nächste Abgeordnetenhauswahl, bei der nachhaltige Stadtentwicklung sicher ein beherrschendes Thema wird. Ich werde auch gut damit zu tun haben, das Mobilitätsgesetz zu verteidigen und den Volksentscheid Baum voranzubringen. Erfahrungsgemäß wird so etwas schnell zum Vollzeitjob.
- AfD
- Berlin-Wahl
- Bundestagswahl
- CDU
- CSU
- Die Grünen
- Fahrrad und Verkehr in Berlin
- Friedrich Merz
- Klimawandel
- Mitte
- Naturschutz
- Umwelt und Natur
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: