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„Unsägliche Situation“: Senat beschließt Einsparungen, aber für Betroffene geht das Warten weiter
Schwarz-Rot hat den Nachtragshaushalt verabschiedet, der nun ins Parlament geht. Projekte und Träger wissen immer noch nicht, was im Detail auf sie zukommt.
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Der Senat hat die in der vergangenen Woche vorgestellten Einsparungen im Landeshaushalt am Dienstag einstimmig beschlossen. Das teilte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) im Anschluss an die Senatssitzung mit. Doch für viele Betroffene Träger und Projekte ist immer noch unklar, ob und wenn ja, wie viele Mittel bei ihnen gekürzt werden.
Von einem Tag der „Wahrheit“ und der „Klarheit“ hatte Evers in der vergangenen Woche bei der Vorstellung der Sparentscheidungen gesprochen. Doch es zeigt sich: Von „Klarheit“ kann für viele Betroffene derzeit nicht die Rede sein. Denn Koalition und Senat haben zwar entschieden, wie viel Geld bei einzelnen Haushaltstiteln gespart werden soll. Hinter nicht wenigen dieser Titel verbergen sich aber mehrere Projekte.
Wie viel der Einsparungen von einzelnen Zuwendungsempfängern im Detail gestemmt werden müssen – das ist vielfach noch offen. Es ist Aufgabe der Fachverwaltungen, dies nun für ihre jeweiligen Bereiche festzulegen.
Unklar ist das zum Beispiel bei den über die Bildungsverwaltung finanzierten Einrichtungen der freien Jugendhilfe, aber auch bei Gewalt- und Opferschutzprojekten, die ihre Mittel von der Justizverwaltung erhalten.
Für viele Träger ist es völlig unklar, welche Angebote sie noch aufrechterhalten können.
Andrea Asch, Vorständin der Diakonie Berlin-Brandenburg
Andrea Asch, Vorständin der Diakonie Berlin, kritisiert dies deutlich: „Für viele Träger ist es völlig unklar, welche Angebote sie noch aufrechterhalten können“, sagte sie. Dies sei eine „unsägliche und unsichere Situation“. Klar sei, dass sich sehr viele Mitarbeitende auf kurzfristige Stellenreduzierungen, Verzicht auf Gehaltserhöhungen und vielleicht sogar den Jobverlust einstellen müssen.
Klarheit erst im kommenden Jahr?
Bestätigen kann das Michael Heinisch-Kirch, Vorstandsvorsitzender der SozDia Stiftung. So sei etwa der von seiner Stiftung betriebene Jugendclub „Holzwurmhaus“ gefährdet. „Laut Kürzungsliste fällt ein Drittel der für dieses und weitere Projekte veranschlagten Mittel weg. Wie viel davon bei unserem Jugendclub eingespart werden muss, wissen wir noch nicht“, sagt Heinisch-Kirch. Er gehe aber nicht davon aus, dass das Holzwurmhaus das überlebe. Mit Klarheit, was einzelne Projekte angeht, rechnet er erst im nächsten Januar oder Februar.
Sorgen bereitet den Trägern auch, dass die Tarifsteigerungen wohl nicht im Haushalt abgebildet sind. Als tarifgebundener Träger könne die SozDia Stiftung dann nur Angebote zurückdrehen. „Zehn Prozent weniger Angebote werden sich stark auswirken, da können langfristig ein bis zwei Häuser für junge Menschen wegfallen.“
Auch Susanne Buss, Vorstandsvorsitzende der Volkssolidarität, weist darauf hin: „Allein die nicht eingestellten Tarifausgleichmittel wirken sich bei der Volkssolidarität Berlin mit 600.000 Euro aus“, sagt sie. Wie hoch die weiteren Kürzungen seien, wisse man noch nicht. „Das belastet alle Beteiligten sehr. Wenige Wochen vor Weihnachten müssen wir schwere Entscheidungen treffen, wir haben einen sofortigen Einstellungsstopp ausgesprochen, befristete Verträge werden auslaufen müssen und auch betriebsbedingte Kündigungen kann ich nicht ausschließen.“ Sie frage sich, warum an ihren Kolleginnen und Kollegen gespart wird, statt die Einnahmen durch Anwohnerparkplatzgebühren oder Grunderwerbssteuer zu erhöhen.
Fachverwaltungen wollen noch umschichten
Der Finanzsenator sagte bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Senatssitzung am Dienstag, dass „natürlich jetzt noch letzte Korrekturen im Parlament stattfinden“, dies liege in der „Natur der Unschärfe“, die das Verfahren mit sich bringe. Bereits im Tagesspiegel-Interview am Wochenende hatte er gesagt, dass in den jeweiligen Fachverwaltungen noch umverteilt werden könne. „Volumengleiche Umschichtungen in den Budgets der einzelnen Ressorts“ könnten stattfinden. Das heißt: Das Sparvolumen der einzelnen Ressorts wird sich nicht verändern, aber innerhalb der Ressorts können noch Umschichtungen erfolgen.
Nach Tagesspiegel-Informationen plant etwa die Justizverwaltung mit internen Umschichtungen mit Blick auf die Kürzungen beim Opferschutz. Auch in der Wirtschafts- und in der Bildungsverwaltung sollen innerhalb der Einzelpläne noch einmal Änderungen an den beschlossenen Einsparungen vorgenommen werden. Wie genau sich das auswirken wird, ist allerdings noch unklar.
Bereits am Mittwoch soll der Nachtragshaushalt, in dem die Einsparungen abgebildet sind, im Hauptausschuss erstmal debattiert werden. Die erste Lesung im Abgeordnetenhaus sei für die kommende Woche vorgesehen. Noch vor Weihnachten soll der Nachtragshaushalt verabschiedet werden. Erst dann ist das Sparprogramm endgültig beschlossene Sache.
Insgesamt will der Senat drei Milliarden Euro weniger ausgeben. Zwei Drittel davon werden aus dem Haushalt gestrichen, für ein Drittel sind „alternative Finanzierungsformen“ vorgesehen, also etwa Kredite, die landeseigene Unternehmen aufnehmen und die dann nicht den Haushalt belasten. (mit dpa)
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