
© Jörn Hasselmann
Mit Lichtschranken gegen volle Waggons: Berliner S-Bahn testet Auslastungs-Anzeige
Bislang ist es Glückssache: Wie voll sind die Wagen der Bahn, die gleich einfährt? Die Berliner S-Bahn zeigt die Fülle der Züge nun testweise auf Monitoren an. Die Technik basiert auf Lichtschranken.
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Die Berliner S-Bahn testet ab sofort sogenannte Auslastungsanzeigen: Auf den Zugzielanzeigern an den Bahnsteigen wird angezeigt, wie voll der nächste einfahrende Zug ist. Und zwar für jeden einzelnen Wagen des Zuges – in Berlin bis zu acht. Getestet wird auf der Stadtbahn zwischen Bellevue und Alex sowie an der Hermannstraße (Südring).
Die beiden hintersten Waggons sind rappelvoll, in den vier vorderen ist noch Platz – diese Situation ist alltäglich. Die meisten Fahrgäste bleiben an der Treppe stehen, verteilen sich nicht über die ganze Länge. Manchmal brüllt der Fahrer: „Bitte auch die vorderen Türen benutzen“.
Je voller ein Wagen ist, desto länger dauert das Ein- und Aussteigen, so entstehen schnell Verspätungen. Wie lässt sich also der Fahrgastwechsel beschleunigen?
Am Mittwoch stellte Peter Buchner, der Chef der Berliner S-Bahn, das System am Bahnhof Hackescher Markt vor. Nach dem Ampelprinzip werden Wagen mit vielen freien Plätzen grün gekennzeichnet, gelb bedeutet mittlere Auslastung und rot signalisiert wenig Platz. Das System wurde in Hamburg entwickelt und ist dort bereits im Einsatz, wie Julia Kuhfuß, die Projektleiterin der Hamburger S-Bahn berichtete. Zunächst wurden dort 16 S-Bahn-Stationen ausgerüstet, Ziel sei die gesamte City.
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Die Technik nennt sich „Lightgate“, also Lichtschranke. „Damit lenken wir die Fahrgäste zu weniger ausgelasteten Wagen und beschleunigen den Ein- und Ausstieg. So können wir die Pünktlichkeit verbessern und machen die Fahrt mit der S-Bahn noch komfortabler“, sagte Buchner.
Lightgate funktioniert so: Links und rechts vom Gleis sind Lichtschranken installiert. Diese erkennen, wie voll der Zug ist. Die Technik folgt dem Prinzip, dass bei steigender Fahrgastzahl immer weniger Licht durch die Fenster dringt. Der Sensor kann neben der Auslastung auch die Wagenanzahl, die Baureihe und die Geschwindigkeit erkennen. Das meldet er an die folgende Station und die Auslastungsampel leuchtet auf – und zwar drei Sekunden nach der Messung im vorherigen Bahnhof.
Diese inzwischen patentierte Lichtsensorik zeigt laut Bahn „echte“ Werte. Wichtigster Vorteil des Systems: Es funktioniert fahrzeugunabhängig und ist universell für alle Baureihen einsetzbar. Und es ist kein Eingriff in Gleise oder Signaltechnik erforderlich. Lightgate ist deshalb deutlich billiger als Systeme im Zug, die, wenn überhaupt, nur bei den neuesten Baureihen funktionieren würden. Zudem entstehen Daten für die Planung des Betriebs: Zu welchen Zeiten ist es besonders voll? Wann könnte der Takt auch mal ausgedünnt werden? Martin Fuchs, Geschäftsführer des VBB, kündigte an, dass die Daten in einem nächsten Schritt in die Apps integriert werden sollen.
Auslastungsanzeigen sind bislang reine Schätzungen
Bisherige Auslastungsanzeigen zum Beispiel in der App sind vor allem im Regionalverkehr reine Schätzungen. Die App erkennt, wie oft eine bestimmte Verbindung von Reisenden gesucht wird, auch Erfahrungswerte fließen ein. Etwas verlässlicher ist die Prognose beim ICE, weil dort viele Tickets zuggebunden gekauft werden. Vielreisende wissen aber, dass die Auslastungsanzeige reine Glückssache ist.
Vor zwei Jahren hatte der VBB angekündigt, dass die neuen Regionalzüge vom Typ „Desiro“ von Siemens eine seitliche Auslastungsanzeige an den Wagen bekommen. Im letzten Moment wurde darauf verzichtet, die Anzeige gibt es nur im Inneren. Dies hilft aber nur wenig zur Verteilung der Reisenden innerhalb des Zuges. Das Modell wird seit Dezember 2022 von der Odeg auf den RE-Linien 1 und 8 in der Region Berlin-Brandenburg eingesetzt.
Auch die BVG zählt in einigen ihren U-Bahn-Zügen die Fahrgäste. Das hat für den Fahrgast allerdings keinen Nutzen, sondern dient internen Zwecken. Zu erkennen sind diese Wagen an einem großen „Z“ am Führerstand.
Julia Kuhfuß ist für die Entwicklung im Jahr 2021 mit dem „Clara Jaschke Innovationspreis“ für Frauen ausgezeichnet worden. Dieser wird jährlich vom Verein „Allianz pro Schiene“ vergeben. Die Präsentation in Berlin erfolgte anlässlich der am Dienstag eröffneten Eisenbahnfachmesse Innotrans, weltweit die wichtigste Messe der Branche.
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