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© IMAGO / Emil Umdorf

Mobbing in der Schule: Berlin muss das Thema endlich ernst nehmen

Die Hälfte der Heranwachsenden war schon Opfer von Ausgrenzung und Herabwürdigung. Doch in Berlin gibt es keine Daten und kaum Ansprechpartner. Das muss sich ändern.

Robert Ide
Ein Kommentar von Robert Ide

Stand:

Sie sind wohl immer noch das härteste Pflaster: Schulhöfe. Fast die Hälfte aller deutschen Jugendlichen haben nach eigener Aussage bereits Mobbingerfahrungen gemacht – also Beleidigungen erlitten, Herabwürdigungen, auch Angriffe, meist verstärkt durch Gruppenchats und Social Media. Eine neue, repräsentative Befragung der Hilfsorganisation „Aktion Mensch“ kommt zu weiteren schockierenden Ergebnissen: Bei Jugendlichen mit Behinderung sind sogar drei Viertel betroffen.

Haupttatort bleibt die Schule. Selbst Lehrerinnen und Lehrer sind hier vor Anfeindungen und Bedrohungen durch intolerant erzogene Schülerinnen und Schüler nicht sicher, wie der jüngste Fall auf dem Neuköllner Rütli-Campus zeigt.

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Der Kommentar von Robert Ide zum Nachhören:

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Ein genauer Blick auf Berlin hält die nächste Ernüchterung bereit: Der Senat verfügt über keinerlei Daten zum Mobbing an Berlins Schulen, weil die beiden Stellen der Anti-Mobbing- und der Antidiskriminierungs-Beauftragten über mehrere Jahre unbesetzt geblieben waren. „Durch die mehrjährige Vakanz liegen aktuell keine eigenen Erhebungen oder belastbaren Zahlen für Berlin vor“, schreibt die Bildungsverwaltung dazu. Dennoch nehme man das Thema „sehr ernst“. Tatsächlich?

Immerhin sind beide Stellen seit März endlich neu besetzt, und zwar durchaus kompetent. Die Anti-Mobbing-Beauftragte Michelle Lisson ist Kriminologin und hat zehn Jahre in einem Projekt zu Gewalt an Schulen gearbeitet. Die Antidiskriminierungs-Beauftragte Wanjiru Njehiah ist seit vielen Jahren systemische Coachin und Antidiskriminierungsberaterin. Sie stammt aus Kenia, kam als 18-Jährige als Au-pair nach Berlin und hat selbst Marginalisierungserfahrungen gemacht. Und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) kündigte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus an, dass es endlich eine zentrale Meldestelle für Mobbing in Schulen mit klaren Abläufen und Meldepflichten geben soll. So weit, so etwas besser.

Doch wenn man sich tatsächlich an die neue Antidiskriminierungs-Beauftragte wendet, kommt eine automatische Mail zurück: „Aufgrund begrenzter personeller Ressourcen können wir aktuell leider keine neuen Beratungsanfragen entgegennehmen. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir uns bis 31. Oktober 2025 vorrangig bereits laufenden Verfahren widmen.“ Aus der Verwaltung heißt es dazu, derzeit laufe das Auswahlverfahren für zwei zusätzliche Stellen. So weit, so noch lange nicht gut.

Betroffenen wird geraten, sich mit Hinweisen an die Hilfsstellen zu wenden. „Jede Meldung wird vertraulich behandelt.“ Doch das Problem ist ein ganz anderes, wie die Befragung der Jugendlichen aufzeigt. Fast 80 Prozent der Betroffenen sprechen selten oder nie über ihre Erfahrungen. Sie verspüren Angst und Scham. Es wird höchste Zeit, dass die Bildungsverwaltung dieses so wichtige Thema endlich selbst sichtbarer, hörbarer und damit gesellschaftlich spürbarer macht.

Um das Schweigen über die psychische und physische Gewalt auf Berlins Schulhöfen wenigstens ein wenig zu brechen, braucht es endlich belegbare Daten und eine ausreichende Ausstattung. Denn jeder Mensch mehr, der ermutigt wird, über seine Erfahrungen zu sprechen, macht es anderen Betroffenen etwas leichter.

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Jeden Donnerstag ab 6 Uhr kommentiert Robert Ide stadtpolitische Themen bei Simone Panteleit und Team im Berliner Rundfunk 91.4. Im Tagesspiegel finden Sie den Kommentar zum Nachlesen und Nachhören.

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