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Müder Applaus für Scholz-Kandidatur: Berliner SPD startet mit wenig Elan in den Wahlkampf
Keine Glanzstunde für die Landesvorsitzenden: Über ihren Leitantrag wird auf dem SPD-Parteitag nicht mal abgestimmt. Stattdessen werden sie für den „sozialen Kahlschlag“ hart angegangen.
Stand:
Die Delegierten der SPD Berlin haben sich auf ihrem Landesparteitag nicht für ein klares Zeichen zum Bundestagswahlkampf durchringen können. Der vom geschäftsführenden Landesvorstand um die Parteivorsitzenden Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini eingebrachte Leitantrag zur Bundestagswahl als „Richtungsentscheidung“ wurde am Sonnabend erst gar nicht zur Abstimmung gestellt – eine Schlappe für die Landesvorsitzenden.
Über 80 Änderungsanträge waren für das erst in der vergangenen Woche eingebrachte achtseitige Papier eingegangen: Zu viele, um sie in der kurzen Zeit in einen konsensfähigen Antrag zu überführen, entschied der Parteitag. Vor allem waren wohl zahlreiche Ergänzungen eingegangen.
Den Landesvorsitzenden blieb daher nur, in ihrer Rede auf den bevorstehenden Wahlkampf-Sprint einzuschwören. „Wir müssen wieder klar zeigen, wie wir die wirtschaftliche Situation der Menschen verbessern wollen“, lautete der Schluss aus den miesen SPD-Umfragewerten für Hikel. Statt eines „Dagegen-Wahlkampfs“ brauche man einen Wahlkampf für die eigenen Themen, sagte die Co-Vorsitzende Böcker-Giannini. „Und diese liegen auf der Straße.“ Das seien eine starke Wirtschaft, gute Arbeit, die Lösung der Wohnungskrise, ein funktionierender Staat, der Klimaschutz.
Den Spitzenkandidaten, der all das verkörpern soll, erwähnte Hikel pflichtgemäß: „Wir wollen Olaf Scholz als sozialdemokratischen Bundeskanzler“, sagt er – im Saal löst das nur müden Applaus aus. In Gesprächen am Rande des Parteitags wurde zwar Erleichterung über die Entscheidung der Kandidatenfrage geäußert, aber mehr auch nicht.
Frau als Spitzenkandidatin? Entscheidung vertagt
Die Frage, ob der Landesverband mit einer Frau in den Bundestagswahlkampf ziehen will, wurde vom Parteitag aufgeschoben. Kian Niroomand, Kreisvorsitzender der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf, beantragte, diese Entscheidung solle erst auf der Landesdelegiertenkonferenz zur Listenaufstellung entschieden werden. In geheimer Abstimmung wurde seinem Anliegen schließlich zugestimmt.
Der Hintergrund: Mit Michael Müller, Hakan Demir, Ruppert Stüwe und Hartmut Kleebank gibt es gleich vier Bundestagskandidaten, die auf aussichtsreiche Listenplätze hoffen. Nach dem jetzigen Stand würden aber nur die ersten vier Listenplätze überhaupt ziehen – weswegen die Männer ungern prominente Plätze auf der paritätisch aufgestellten Liste freiräumen wollen.
Gut gespart, schlecht gespart?
Die Haushaltseinsparungen im Landeshaushalt, die die schwarz-rote Koalition in Berlin zu Beginn der Woche vorgestellt hat, wurden auf dem Parteitag zwar debattiert; Selbstkritik gab es aber nur an vereinzelten Stellen. Die SPD-Landesvorsitzenden werteten die vorgelegten Einsparungen vor allem als Erfolg: „Sparen tut weh, aber wir haben unsere wichtigen vier Eckpfeiler durchsetzen können“, sagte Hikel. Die vier Eckpfeiler seien der Erhalt der sozialen Stadt gewesen, kein Sparen mit der Rasenmäher-Methode, keine weitere Belastung der Bezirke und die Erhöhung der Einnahmeseite. Auch SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe lobte die Einigung.
Genosse Alexander Nissen wollte das so nicht stehen lassen. Man habe „das, was wir als Sozialdemokratie hier in Berlin aufgebaut haben“, alles wieder gestrichen. Ähnlich äußerte sich Kian Niroomand. Zwar sei es gut, dass im sozialen Bereich vergleichsweise wenig gekürzt werde. Aber bei massiven Kürzungen in der Kultur, bei Bus und Bahn, bei Jugendsozialprojekten könne man „doch nicht allen Ernstes“ behaupten, man habe den sozialen Kahlschlag vermieden, sagte er. Er kritisierte auch, es gelinge der Partei aufgrund der verschiedenen Machtzentren nicht, mit einer Stimme zu sprechen.
Bei einem Thema zumindest machten die Landeschefs eine klare Ansage in Richtung ihres Koalitionspartners. Zwar habe man sich gegen das 29-Euro-Ticket entschieden, damit das kostenlose Ticket für Schülerinnen und Schüler erhalten bleiben könne, sagte Böcker-Giannini. Aber alle, die das 29-Euro-Ticket hätten, müssten es „jetzt auch für die Vertragslaufzeit von einem Jahr beibehalten können“, forderte die Landesvorsitzende. „Die CDU-Fantasien eines sofortigen Stopps mit Preiserhöhungen auf dem Rücken der Abonnentinnen und Abonnenten sind mit uns nicht zu machen.“
Aufbruchstimmung kam bei diesem Parteitag nicht auf. Der Landesverband soll nun eine Kampagne für den Wahlkampf entwickeln. Viel Zeit bleibt nicht.
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