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Rainer Mennig, der Betreiber des „Weltrestaurants“ in der Markthalle Neun muss wohl im August 2018 raus.

© Mike Wolff

Berlin-Kreuzberg: Muss "Herr Lehmann"-Kneipe schließen?

Das „Weltrestaurant“ in der Kreuzberger „Markthalle Neun“ ist seit der Verfilmung von Sven Regeners Roman „Herr Lehmann“ Kult. Nun bangt der Wirt um seine Zukunft.

Vielleicht geht’s einfach um zu viel Boheme-Berlin, zu viel Kult-Kreuzberg, als dass es einfach sein würde. Denn bei dem Streit, wer dieses Restaurant nun zu welchen Bedingungen betreiben soll, mischen sich Aspekte aus Filmkunst und Bezirkshabitus dazu. Es geht um das Lokal in der Markthalle, das fast in der geografischen, mehr noch in der soziokulturellen Mitte des alten Postzustellbezirkes SO 36 liegt, sich also in der einst wilderen Ost-Hälfte des alten Westberliner Kreuzberg befindet.

Im Kiez fragen sich einige, wie diese Woche ausgehen wird – und was das für das wohl bekannteste Restaurant zwischen Warschauer Brücke und Kottbusser Tor bedeuten wird. Anfang kommender Woche endet der Mietvertrag zwischen Rainer Mennig, Anfang 60, der Wirt des Lokals in der Kreuzberger Markthalle, und dem deutlichen jüngeren Betreibertrio der Halle.

Die Markthalle Neun soll modernisiert werden

Mennigs Laden kennen nur wenige unter dem eingetragenem Namen „Weltrestaurant“, massenhaft aber ist es aus dem Film „Herr Lehmann“ bekannt – es ist jenes Lokal, in dem die Hauptfigur behutsam die real existierenden Achtziger im Kiez kommentiert: „Wenn das okay ist, dass hier so Vollidioten bis siebzehn Uhr frühstücken, dann wird das doch wohl auch okay sein, um elf Uhr einen Schweinebraten zu bestellen.“

Im aktuellen Streit stehen sich also nicht einfach zwei Mietparteien gegenüber, wie es in Berlin täglich dutzendfach der Fall ist. Nein, gestritten wird über das Erbe einer Institution. Das Restaurant liegt auf der Westseite der Markthalle Neun, wie sie offiziell heißt, die sich zwischen Pückler- und Eisenbahnstraße befindet und – ein Baudenkmal! – bald 130 Jahre alt ist.

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Vor acht Jahren war die Halle vom rot-roten Senat als eines der letzten Objekte jener Koalition verkauft worden: für 1,1 Millionen Euro – kein zu hoher Preis für Größe und Lage. Die Markthalle entwickelte sich zum Streetfood-Basar. Sicher, Aldi betreibt auch noch eine Filiale da drinnen.

Das Publikum besteht heute aber kaum noch aus Ex-Hausbesetzerinnen und Arbeitsmigranten, sondern zunehmend aus Startup-Damen und Hausbesitzer-Söhnen. Dieser Trend, so die Befürchtung einiger im Kiez, könnte sich verstärken. Die neuen Eigentümer der Halle wollen modernisieren. Vieles, das ist weitgehend unstrittig, muss renoviert, gar grundsaniert werden. Doch wer wird danach in der Halle bleiben dürfen – und zu welchen Konditionen?

Exorbitante Mieterhöhung – dabei vergleichsweise günstig

„Wir wollen das Restaurant erhalten“, sagt Florian Niedermeier. „Gern mit Stammpersonal und den Stammgerichten.“ Niedermeier ist einer der drei Hallenbetreiber – und will sich am Mittwoch noch mal mit Wirt Mennig treffen. „Mir wäre am liebsten“, sagt Rainer Mennig, „wenn ich weitermachen kann – nur nicht zu diesen Konditionen.“

Die Kaltmiete, sagt Mennig, solle von derzeit 4800 Euro pro Monat auf mehr als 7000 Euro steigen – was Vermieter Niedermeier nicht bestreitet. Wirt Mennig musste verschiedene Räume abtreten, steigt die Miete nun wie angekündigt, wären dies circa 15 Euro pro Quadratmeter. Das wäre, sagen Alteingesessene nicht zu Unrecht, eine De-facto-Vertreibung des Stammgastronomen.

Das bedeute, sagen aber auch die Neuen nicht zu Unrecht, immer noch viel weniger Miete als im Kiez heute üblich ist. Die Preise in Kreuzberg stiegen so rasant, wie kaum anderswo in Berlin – und insbesondere in den vergangenen drei, vier Jahren verdoppelten sich Gewerbemieten an vielen Ecken. Denn anders als bei Wohnungen, gilt für Berliner Gewerbe keine Mietpreisbremse. Die Markthallen-Betreiber legen zudem nachdrücklich Wert auf ihre vor einigen Wochen veröffentlichte Erklärung.

Dass der bislang gültige Mietvertrag rechtmäßig zum 31. Juli ausläuft, darin sind sich beide Seiten einig. Den Vertrag hatten Anfang der Neunziger übrigens „Tresor“-Betreiber Dimitri Hegemann und Regina Baer abgeschlossen, vor elf Jahren übernahm Mennig das Restaurant. Wird der Wirt auch nächste Woche noch hinterm Tresen stehen?

Beim Treffen zwischen den beiden Seiten können ein neues Mietmodell oder entsprechende Ablöseregelungen nicht ausgeschlossen werden. Wird man sich doch nicht mehr einig, sei an einen Satz erinnert, den Herr Lehmann im gleichnamigen Film gesagt hat: „Ich habe überhaupt keine Ahnung, wann das anfing mit der ganzen Scheiße. Das ist das Komische daran. Das ist wie mit dem Untergang des römischen Reiches, da weiß auch keiner, wann das eigentlich anfing.“

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