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Berlin: Mut zum Singen

Gottesdienst zum 400. Geburtstag von Paul Gerhardt

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„Wat, schon vorbei der Gottesdienst?“, wundert sich eine Frau, die um viertel nach zehn vor der Marienkirche am Alex steht und die herausströmenden Menschen sieht. „Nu seh’ ick ja alt aus“, sagt sie und dreht Richtung Fernsehturm ab.

Wer ins Fernsehen will – und sei es nur als Kirchgänger – muss früher aufstehen. Schon um neun ist in der Kirche Hochbetrieb. Das ZDF überträgt den Festgottesdienst zum 400. Geburtstag des barocken Kirchenlieddichters Paul Gerhardt live. Es ist der sakrale Höhepunkt der Gerhardt-Festspiele, die das ganze Jahr über, aber besonders zum Geburtstag am 12. März, mit vielen Ausstellungen, Vorträgen und Konzerten in Berlin und Brandenburg laufen. Und damit die Kulisse in St. Marien stimmt, wird mit rot-weißen Absperrbändern in den Bankreihen dafür gesorgt, dass sich das Kirchenschiff ordentlich von vorne nach hinten füllt. Die evangelische Landeskirche hat alles aufgeboten, was gut klingt und aussieht: Bischof Wolfgang Huber und das junge Pastorenteam der Marienkirche, die in ihrem rot-weißen Ornat wie Frühlingstulpen auf dem Felde erscheinen. Außerdem dabei: die innig rezitierende Schauspielerin Bärbel Röhl, süße Chorknaben, strahlende Bläser, feingemachte Schüler des Grauen Klosters, Domchor und Marien-Kantorei und der Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel. Er trägt seine von Paul Gerhardts Liedern inspirierten Texte zu Akkordeon und Gitarre vor und wippt dazu kämpferisch mit den Locken.

Der Choral „Ich singe Dir mit Herz und Mund“ ist Herz und Rückgrat des Festgottesdienstes. Gemeinde, Honoratioren wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Berlins Innensenator Ehrhart Körting, Musikanten und Sprecherin deklinieren gemeinsam alle 18 Strophen durch. Sich ein Gerhardt-Lied mit all seinen starken, poetischen Bildern richtig anzueignen, ist die beste Idee in diesem straff inszenierten Fernsehereignis. „Es ist Zeit, wieder Mut zum Singen zu fassen“, sagt Bischof Huber in seiner Geburtstagspredigt. Wer mit Herz und Mund singe, bewege nicht nur die Lippen, sondern auch die Seele und erkenne: „In diesem Lied liegt mein ganzes Leben.“ Die Lieder Paul Gerhardts mit ihrer tiefen Hingabe seien ein großes Glück. „Singen macht von innen weit“ und öffne neu fürs Leben.

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