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Nach Beschluss des Verfassungsgerichts: Berliner Senat will weiter keine Vornamen deutscher Messertäter nennen
Berlins Innenverwaltung verweigerte einem AfD-Abgeordneten zu Unrecht die Vornamen deutscher Messerverdächtiger. Das will sie auch weiterhin tun. Das sind die Gründe.
Stand:
Der Berliner Senat wird weiter keine Vornamen von Messertätern mit deutscher Staatsbürgerschaft herausgeben. Das sagte die Senatsinnenverwaltung dem Tagesspiegel. Damit reagierte die Behörde auf einen Beschluss des Verfassungsgerichtshofs von Mitte Mai. Demnach war es rechtswidrig, dass die Innenverwaltung der AfD-Fraktion die Liste der 20 häufigsten Vornamen von Verdächtigen, die 2023 mit einem Messer als Tatmittel erfasst worden waren, verweigert hatte.
Die Innenverwaltung habe den Gerichtsbeschluss geprüft und jetzt entschieden, die Vornamensliste erneut nicht an den AfD-Abgeordneten Marc Vallendar herauszugeben, sagte eine Sprecherin. Derzeit werde die neue Begründung erarbeitet und nachgebessert. Dabei werde den Vorgaben der Verfassungsrichter Rechnung getragen. Die Innenverwaltung sei zuversichtlich, bei einem erneuten Organstreitverfahren nicht erneut zu unterliegen.
Den Richtern war die erste Begründung des Senats, nämlich die Persönlichkeitsrechte Betroffener zu wahren und das Risiko der Identifizierbarkeit und Falschverdächtigungen zu minimieren, zu dünn und zu pauschal. Damit habe der Senat das parlamentarische Fragerecht des Abgeordneten verletzt.
Klare Hinweise der Verfassungsrichter
Die Verwaltung hätte besser begründen müssen, inwieweit die Grundrechte der Verdächtigen auf informationelle Selbstbestimmung und auf Schutz persönlicher Daten konkret betroffen sind. Zur Herausgabe der Namensliste hatten die Richter die Innenverwaltung aber nicht verpflichtet. Ihr wurde aufgegeben, erneut über die Anfrage der AfD zu entscheiden. Dabei gab das Gericht auch Hinweise.
Zum einen fiel die Entscheidung knapp mit fünf zu vier Richterstimmen aus. Letztere erklärten in ihrem Sondervotum, dass die Herausgabe der Vornamen diskriminierend sei und gegen die Menschenwürde verstoße, weil deutsche Staatsbürger durch Vornamensstereotypen nach möglicher ethnischer Herkunft unterschieden würden. Deshalb sei die Nennung der Vornamen verfassungswidrig.
Zum anderen wurde im Beschluss selbst – also im Hauptvotum – die Frage nach der Menschenwürde nicht behandelt. Denn die Innenverwaltung hatte in ihrer Ablehnung der AfD-Anfrage dazu nichts vorgetragen. Erst nachdem Vallendar, der rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, das Organstreitverfahren begonnen hatte, hatte die Innenverwaltung nachgelegt. Doch das durfte das Gericht nicht mehr berücksichtigen.
Für die Jahre 2018 bis 2022 wurden die Vornamen genannt
Nun will die Innenverwaltung in die Vollen gehen. Sie stuft es wie die Richter im Sondervotum als verfassungswidrig ein, die Vornamen zu nennen. Die Verwaltung habe sich an Gesetze zu halten und müsse rechtsstaatlich handeln, hieß es. Betroffene, hier der AfD-Abgeordnete, könnten dieses Vorgehen in einem rechtsstaatlichen Verfahren überprüfen lassen. Vallendar hatte bereits angekündigt, bei einer erneuten Verweigerung der von ihm erfragten Namensliste wieder vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen.
Für die Jahre 2018 bis 2022 hatte die Senatsinnenverwaltung stets Auskunft über die 20 häufigsten Vornamen von Verdächtigen zu Messertaten gegeben. Sie entschied sich dann nach einer erneuten Anfrage Vallendars im vergangenen Jahr um und verweigerte die Vornamen für 2023.
Die häufigsten Vornamen verdächtiger Messertätern mit deutscher Staatsbürgerschaft im Jahr 2022 waren Christian, Nico, Ali und Mohamed. Die Zahl der Tatverdächtigen nach Messerangriffen steigt seit Jahren – und auch der Anteil nichtdeutscher Verdächtiger auf zuletzt 58 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 2532 Verdächtige, davon 1061 Deutsche und 1471 Nichtdeutsche. Letztere kamen meist aus der Türkei, Syrien, Bulgarien, Afghanistan, Polen und Serbien.
Noch im Juni will Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ein Waffen- und Messerverbot für den Nahverkehr erlassen: Es soll ab Mitte Juli in U- und S-Bahnen, Straßenbahnen, Bussen, auf Bahnsteigen und in Bahnhöfen gelten. Bei einem Verstoß drohen bis zu 10.000 Euro Bußgeld.
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