zum Hauptinhalt
Busse, Trams und U-Bahnen rollen nach dem Ende des Nahverkehrs-Warnstreiks in Berlin wieder wie gewohnt.

© imago/Bernd Friedel/imago/Bernd Friedel

Update

Nach BVG-Streik: Berliner Verkehrsbetriebe erhöhen Lohnangebot in Tarifverhandlungen

Nach mehrstündigen Verhandlungen mit Verdi bietet die BVG jetzt im Schnitt 17,6 Prozent mehr Lohn an. Zuvor hatte die Gewerkschaft mit einem unbefristeten Ausstand gedroht.

Stand:

Die BVG ist der Gewerkschaft Verdi entgegengekommen. Am dritten Verhandlungstag legten die Berliner Verkehrsbetriebe ein zweites, verbessertes Angebot vor. Statt 15 Prozent mehr Lohn werden nun im Schnitt 17,6 Prozent über die gesamte Laufzeit bis Ende 2028 geboten. Vor allem die Fahrer würden profitieren, die BVG bietet jetzt schon für das laufende Jahr 11,2 Prozent mehr. Dies teilte die BVG am Dienstagabend mit.

Laut BVG seien die mehrstündigen Gespräche „konstruktiv“ gewesen. „Nach intensiven Diskussionen ist die BVG der Gewerkschaft entgegengekommen und hat das Einstiegsangebot inhaltlich angepasst und erhöht“, hieß es in einer Mitteilung.

Die BVG sichert nun rückwirkend zum 1. Januar 2025 einen Festbetrag von 225 Euro pro Monat zu. In den Folgejahren erhöhe sich das Monatsgehalt dann jeweils um 2,5 Prozent.

BVG spricht von „finanziellem Kraftakt“

Ergänzend wurde wie von Verdi gefordert eine Angleichung von Wechselschicht- und Fahrerzulage auf jeweils 200 Euro monatlich angeboten. Für Fahrer ergäbe sich damit eine Lohnsteigerung von 325 Euro pro Monat. Laut BVG wäre das ein Plus für Fahrer von 19,2 Prozent.

„Das neue Angebot ist finanziell ein Kraftakt für die BVG. Im Gegenzug setzen wir auf das Entgegenkommen vor allem bei der Laufzeit. Diese gibt uns Planungssicherheit auf dem Weg zur Stabilisierung des Unternehmens“, teilte Verhandlungsführerin Jenny Zeller-Grothe, Vorständin für Personal und Soziales, am Abend mit.

Eine Laufzeit von vier Jahren ist für uns weiterhin völlig ausgeschlossen.

Jeremy Arndt, Verdi-Verhandlungsführer, zum BVG-Angebot

Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt sah in einigen Punkten ein Entgegenkommen der Arbeitgeberseite. So sei unter anderem positiv, dass die BVG nun erstmals einen Festbetrag anböte sowie bei den Wechselschicht- und Fahrerzulagen einen einheitlichen Betrag.

In der Höhe des Angebots sowie bei der Vertragsdauer lägen beide Seiten indes noch weit auseinander. „Eine Laufzeit von vier Jahren ist für uns weiterhin völlig ausgeschlossen“, betonte Arndt.

Die Gewerkschaft will nun erneut die Rückmeldung der Beschäftigten einholen. Das soll dem Verhandlungsführer zufolge mindestens bis Freitag dauern, möglicherweise auch länger. Erst dann soll über weitere Arbeitskampfmaßnahmen entschieden werden.

Verdi hatte mit unbefristetem Streik gedroht

Am Montag hatte es den zweiten ganztägigen Streik gegeben. Im Tarifstreit geht um viel Geld. Die Gewerkschaft fordert für die 16.000 Beschäftigten monatlich 750 Euro mehr Lohn, ein 13. Monatsgehalt, eine Fahrdienst- beziehungsweise Wechselschichtzulage in Höhe von 300 Euro sowie eine Schichtzulage von 200 Euro. Zusammen ist das ein Gehaltsplus von mehr als 30 Prozent für jeden Mitarbeiter. Die Kosten der Verdi-Forderung beziffert die BVG auf 250 Millionen Euro.

Die BVG hatte vor zwei Wochen bei der zweiten Verhandlungsrunde ein erstes Angebot vorgelegt. Es sah in der Summe 15,3 Prozent mehr Geld vor, aber verteilt über eine Laufzeit von vier Jahren bis Ende 2028. Verdi fordert auf einen Schlag die 750 Euro, der Vertrag soll nur eine Laufzeit von zwölf Monaten haben.

Am Montag hatte Verdi auf einer Kundgebung eine Art Ultimatum gestellt: Wenn die BVG auch in der fünften Verhandlungsrunde am 21. März kein akzeptables Angebot vorlegt, soll es eine Urabstimmung unter den Beschäftigten geben. Das hieße: unbefristeter Streik.

Ernsthafte Verhandlungen ohne Zahlenspielereien.

Forderung von Jeremy Arndt, Verhandlungsführer bei der Gewerkschaft Verdi

Einen solchen „Erzwingungsstreik“ hatte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt bereits Mitte Januar in Aussicht gestellt. Unabhängig von diesem Ultimatum sind auch in den kommenden Wochen Streiks möglich – und wahrscheinlich.

Das erste BVG-Angebot hatte der Gewerkschaftssekretär vor zwei Wochen so kommentiert: „Die angeblichen 15 Prozent sind eine Nebelkerze.“ Arndt forderte „ernsthafte Verhandlungen ohne Zahlenspielereien“. Um dies zu untermauern, rief Verdi den zweiten Streiktag aus. Beobachter hatten einen mehr als 24-stündigen Streik erwartet. Dass Verdi sich wieder auf einen Tag beschränkte, wurde als positives Signal gewertet.

Vor allem die superlange Laufzeit von vier Jahren ärgert die Mitarbeiter. Laut Verdi hat die BVG für das Jahr 2025 nur gestaffelte Entgelterhöhungen von 2,5 bis 7 Prozent angeboten, abhängig von der Entgeltgruppe. In den folgenden drei Jahren würden die Gehälter jeweils um weitere 2,5 Prozent steigen. Nur addiert macht das 15 Prozent.

Die Gewerkschaft fordert 750 Euro mehr im Monat

Eine Annahme dieses Angebots ist aus Verdi-Sicht völlig ausgeschlossen. Es wäre für die Beschäftigten „ein deutlicher Reallohnverlust“, da die Inflation der letzten Jahre nicht ausgeglichen würde. Der alte Tarifvertrag galt mehrere Jahre, kurz nach dem Beginn stieg die Inflation durch den Ukraine-Krieg ebenso plötzlich wie rasant.

Laut Verdi stiegen die Preise seit 2021 um 19 Prozent, die Gehälter bei der BVG hätten sich aber nur um 4,5 Prozent erhöht. Selbst mit dem bisherigen Angebot des Verkehrsunternehmens bliebe für Mitarbeiter im Fahrdienst „ein Reallohnverlust von 7,5 Prozent.“

Janine Köhler, die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats bei der BVG, kommentierte das so: „Dass der Vorstand uns jetzt real die Löhne kürzen will, macht die Kolleginnen und Kollegen wirklich sauer.“

Die BVG konterte diese Rechnung damit, dass in den vergangenen Jahren die Arbeitszeit deutlich gesenkt wurde, und zwar bei vollem Lohnausgleich. Und das aktuelle Angebot sehe für die 7400 Fahrer und weitere Mitarbeiter im Schichtdienst zusätzliches Geld vor. Laut Verhandlungsführerin Jenny Zeller-Grothe biete die BVG „deutliche Steigerungen von bis zu 84 Prozent bei den Zulagen“. Zeller-Grothe ist seit zwei Jahren Vorständin für Personal und Soziales in Deutschlands größtem Nahverkehrsunternehmen.

2008 gab es den bislang härtesten Arbeitskampf

Seit über 15 Jahren haben beide Seiten nicht mehr so weit auseinandergelegen. 2008, bei dem bislang härtesten Arbeitskampf, hatte Verdi die BVG in mehreren Wellen knapp sechs Wochen lang bestreikt. Bis zum 10. April sind nach Verdi-Angaben insgesamt sechs Verhandlungstermine angesetzt.

Nach dem Montagsstreik war der Betrieb bei der BVG am Dienstag um 3 Uhr am Morgen wieder planmäßig angelaufen. Die BVG hatte auch diesen zweiten Warnstreik als überzogen kritisiert.  

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })