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Brandanschlag von Linksextremisten im Südosten Berlins: Reparaturen nach längstem Stromausfall der Nachkriegszeit könnten bis 2026 dauern
Mit rund 60 Stunden erlebte Berlin laut Netzbetreiber den längsten Stromausfall der Nachkriegszeit. Nun sind alle Haushalte wieder versorgt – und die eigentlichen Reparaturen beginnen.
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Nach dem Ende des mehr als 60-stündigen Stromausfalls im Berliner Südosten gehen die Reparaturarbeiten voraussichtlich noch mehrere Monate weiter. Das könne nach ersten Schätzungen bis ins Jahr 2026 hinein dauern, sagte der Sprecher der Stromnetz GmbH, Henrik Beuster, der Deutschen Presse-Agentur.
Bislang wird eine Zwischenlösung genutzt. „Wir arbeiten jetzt Schritt für Schritt daran, wie wir die beschädigten Leitungen wieder in Betrieb nehmen können“, sagte Beuster. „Wir haben den Vorteil, dass die beiden Masten, die durch den Brand beschädigt wurden, als stabil und weiter nutzbar eingestuft worden sind.“ Das mache es etwas einfacher. „Aber trotzdem ist das noch eine komplexe Aufgabe.“
Nach rund 60 Stunden sind alle Kunden im Südosten der Hauptstadt wieder mit Strom versorgt, teilte der Netzbetreiber Stromnetz zunächst mit. Den Angaben zufolge erlebte Berlin damit den längsten Stromausfall der Nachkriegszeit.
In der ersten Nacht nach Ende des Stromausfalls sind dem Betreiber bisher keine Probleme bekannt. „Die Leitungen, die wir in Betrieb genommen haben, funktionieren einwandfrei“, sagte Beuster. „Es gab bei uns keine Probleme in der Nacht. Der Betrieb ist weiterhin gesichert.“
50.000 Kunden waren nach Brandanschlag vom Netz getrennt
Die Hauptstadt erlebte nach einem extremistischen Brandanschlag in der Nacht zu Dienstag den längsten Stromausfall der Nachkriegszeit. Die am Dienstag rund 50.000 betroffenen Stromkunden werden seit dem späten Donnerstagnachmittag wieder versorgt.
Bei dem letzten großen Blackout 2019 in Köpenick waren mehr als 30.000 Haushalte rund 30 Stunden lang ohne Elektrizität. Diesmal waren seit der Nacht zu Dienstag zunächst rund 50.000 Stromkunden von dem Störfall betroffen.
Die Einschränkungen im Nahverkehr sind ebenfalls behoben: Nach Angaben der BVG wurde kurz nach Rückkehr des Stroms der Straßenbahnverkehr wieder aufgenommen. Seit etwa 17 Uhr könnten die Linien M17 und 63 demnach wieder auf der kompletten Strecke unterwegs sein.
Ursache für den Stromausfall war ein Brandanschlag. Das Feuer zerstörte mehrere dicke Starkstromleitungen am Fuß von zwei Strommasten im Ortsteil Johannisthal im Bezirk Treptow-Köpenick. Die Feuerwehr brauchte allein eine Stunde, um den Brand zu löschen.
Nach Angaben von Stromnetz wurde in den vergangenen zwei Tagen eine Zwischenlösung errichtet: Eine Verbindung zweier Leitungen nahe der durch den Brand beschädigten Strommasten. Auch Feuerwehr, Polizei und Technisches Hilfswerk sowie der Bezirk Treptow-Köpenick waren im Einsatz.

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Nach Angaben des Netzbetreibers wird nun geprüft, welche Ressourcen es für eine vollständige Reparatur braucht. Erst dann könne mitgeteilt werden, wie lange die Arbeiten dauern werden und welche Schadenshöhe entstanden ist.
Derzeit stehe das Netz nicht im vollen Umfang zur Verfügung, für die Berlinerinnen und Berliner sollte es jedoch keine spürbaren Auswirkungen geben.
Vorfall wirkt sich auf Stromnetz-Ausbauprojekte aus
Allerdings hat der Vorfall Auswirkungen auf Stromnetz-Ausbauprojekte, die in diesem und im kommenden Jahr geplant gewesen seien, wie ein Stromnetz-Sprecher sagte. Bestimmte Vorhaben könne man nicht oder nicht wie geplant umsetzen, weil die beschädigten Leitungen vorerst nicht zur Versorgung der Kunden zur Verfügung stünden.
Durch die Zwischenlösung seien andere Teile des Netzes nicht oder nur eingeschränkt nutzbar. Somit fehle ein alternativer Weg für die Versorgung der Kunden, wenn wegen Reparaturen, Wartungen oder neuen Projekten Leitungen ausgeschaltet werden müssten. „Uns sind ein paar Optionen genommen worden“, sagte der Sprecher. „Das heißt aber nicht, dass das Netz dadurch beeinflusst wird.“
Auch Einkaufszentren und S-Bahnhöfe waren betroffen
Von dem Stromausfall waren auch S-Bahnhöfe, Einkaufszentren, viele Geschäfte sowie Pflegeheime betroffen. Am Mittwoch blieben zudem mehrere Schulen geschlossen.
Weil das Handynetz durch den fehlenden Strom schwächer und teilweise gar nicht mehr vorhanden war, konnte in Teilen des Berliner Südostens nur eingeschränkt telefoniert werden. Das galt auch für die Notrufnummern 112 und 110. Die Reparaturen an den zerstörten Starkstromkabeln begannen bereits am Dienstag, waren aber zeitaufwendig.
Um die kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten, lieferten Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Hilfsorganisationen Notstromaggregate und Generatoren. Zu einem signifikanten Anstieg der Einsatzzahlen sei es während des 60-stündigen Ausfalls in den betroffenen Gebieten nicht gekommen, teilte die Feuerwehr am Donnerstagabend mit. An den eingerichteten Notrufannahmestellen seien nur wenige Notrufe eingegangen.
An den Betreuungsstellen seien jedoch immer wieder Bürger aufgetaucht, um sich zu informieren, ihre Handys zu laden oder sich bei den Einsatzkräften zu bedanken, hieß es von der Feuerwehr. Die Bevölkerung habe sich besonnen und ruhig verhalten.
Ermittler gehen von linksextremen Tätern aus
Nach Einschätzung der Ermittler geht der Brandanschlag auf das Konto linksextremer Täter. Ein im Internet veröffentlichtes Bekennerschreiben werde als authentisch eingeschätzt, sagte Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Abgeordnetenhaus. Es weise Ähnlichkeiten auf mit einem Bekennerschreiben zu einem ähnlichen Brandanschlag im Februar nahe der Tesla-Autofabrik in Brandenburg.
„Wir gehen vom Täterkreis aus dem linksextremistischen Spektrum aus“, sagte die Innensenatorin. „Das heißt also: nicht aus dem Ausland, sondern aus dem Inland.“ Die Täter seien mit hoher krimineller Energie und sehr professionell vorgegangen.
Der Netzbetreiber Stromnetz Berlin erhofft sich baldige Erkenntnisse der Polizei, man konzentriere sich jedoch auf die Reparaturarbeiten, sagte ein Sprecher. „Wir kümmern uns um den Strom, die Verbrecherjagd überlassen wir vertrauensvoll der Polizei.“
Ob es Ansprüche auf Entschädigungszahlungen aufgrund des Stromausfalls gebe, werde derzeit von Juristen geprüft. „Dabei sollte nicht vergessen, dass wir, als der Betreiber, auch Geschädigter sind“, sagte der Stromnetz-Sprecher. (dpa, Tsp)
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