Nach Verbot von ukrainischen Reden: Berliner Polizei gesteht Fehler bei Trauermarsch ein
Nach den schweren Bombenangriffen in Kiew kamen Ukrainer am Montagabend in Berlin zu einem Trauermarsch. Die Polizei verbot ihnen Reden in ihrer Landessprache.
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Die Berliner Polizei hat am Dienstag Fehler beim Umgang mit einem ukrainischen Trauermarsch vor der russischen Botschaft eingestanden und um Entschuldigung gebeten. Eine Einsatzleiterin hatte am Montagabend Reden auf Ukrainisch untersagt. „Unsere ersten Informationen zur Einschätzung der Umstände vor Ort haben sich als falsch erwiesen“, erklärte eine Polizeisprecherin am Dienstagnachmittag. „Die Gefahrenprognose war unzutreffend.“
Am Morgen hatte Russland einen der größten Luftangriffe des Krieges auf ukrainische Städte verübt, in Kiew wurde eine Kinderklinik getroffen. Der ukrainische Verein Vitsche hatte deshalb zu der Demonstration aufgerufen. Doch die Polizei erließ eine beschränkende Verfügung, dass keine Reden auf Ukrainisch gehalten werden dürften.
Die Polizeiführerin vor Ort hatte das Verbot damit begründet, dass sie keinen Dolmetscher habe und die Redebeiträge deshalb nicht auf strafbare Äußerungen kontrollieren könne. Zudem argumentierte die Polizei, die Teilnehmer wegen des Angriffs auf das Kinderkrankenhaus hoch emotionalisiert seien. Vitsche schaltete Anwalt Patrick Heinemann ein, doch auch er konnte die Einsatzleiterin nicht überzeugen.
Mit seinem Hinweis, dass bei der Trauerkundgebung auch mit Blick auf das bisherige Verhalten von Vitsche keinerlei Anzeichen für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehe, kam Heinemann nicht durch. Stattdessen habe ihm die Versammlungsleiterin erklärt, er könne rechtlich gegen die Verfügung vorgehen.
Für Heinemann ist das Redeverbot „grob rechtswidrig“, da die Beweislast für unzulässige Beiträge auf Ukrainisch bei der Polizei liege. „Die Versammlungsfreiheit schützt auch, über Art und Weise der Meinungskundgebung zu entscheiden – und damit auch über die Sprache“, erklärte Heinemann.
Am Dienstagmorgen versuchte sich die Polizei noch zu rechtfertigen. Auf der Plattform X schrieb sie: Um den Schutz der Versammlungsfreiheit und die Einhaltung der damit verbundenen Regeln zu gewährleisten, müssten die Einsatzkräfte Redebeiträge und Zwischenrufe verstehen können.
In dem üblichen Kooperationsgespräch hätten Einsatzleitung und Versammlungsleiterin vorab „einvernehmlich Redebeiträge in deutscher und englischer Sprache“ verabredet. Am Ende verstieg sich die Polizei zu der Erklärung: Für einen friedlichen Verlauf seien vereinzelt auch „Reden auf Ukrainisch akzeptiert“ worden.
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Anwalt Heinemann widersprach: Die Darstellung der Polizei treffe nicht zu. „Es gibt Zeugen dafür, dass ukrainische Redebeiträge untersagt wurden“, sagte er.
Am Dienstagnachmittag korrigierte sich dann die Polizei. Die Einsatzleiterin sei fälschlicherweise davon ausgegangen sein, dass das Redeverbot einvernehmlich verabredet worden sei. Bei der nachträglichen Überprüfung kam die Polizei zum Ergebnis, dass „die Anforderungen an die erforderliche Gefahrenprognose nicht hinreichend begründbar“ gewesen seien und „die getroffene Maßnahme damit nicht rechtmäßig war“.
Anwalt Heinemann zeigte sich am Dienstag zufrieden. Es sei gut, „dass die Polizei ihren schweren Fehler jetzt einsieht“, sagte er. „Man darf sich in Deutschland nicht nur frei versammeln, man darf dabei auch in der Sprache seiner Wahl reden“, sagte Heinemann. „Die Versammlungsfreiheit ist nicht davon abhängig, dass die Polizei die Protestinhalte kontrolliert und absegnet. Will sie einschreiten, trägt sie die Beweislast, dass Teilnehmer gegen das Recht verstoßen.“
Maria Borysenko von Vitsche sagte dem Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint am Montagabend: „Unsere Sprache, die schon so oft unterdrückt wurde, ist wichtig für unsere Identität, für unsere Trauer. Gerade an diesem Tag.“ 500 Menschen haben nach ihren Angaben an dem Trauermarsch teilgenommen.
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